So lassen sich emissionsverfälschte Altersmessungen identifizieren

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Gute Nachrichten für Archäologen und Naturwissenschaftler! Sie werden auch künftig die Radiokarbonmethode als verlässliches Werkzeug für die Altersbestimmung von Artefakten und Probenmaterial verwenden können. Die durch den Kohlendioxidausstoß des Menschen vorangetriebene Abnahme des Kohlenstoffisotopes 14-C in der Atmosphäre und die damit verbundene Verfälschung des Radiokarbonalters der Materialien lässt sich genau identifizieren – mit Hilfe einer Messung des Kohlenstoffisotopes 13-C. Zu diesem Ergebnis kommt AWI-Geowissenschaftler Dr. Peter Köhler in einer Studie, die heute im Fachmagazin Environmental Research Letters erschienen ist.

Wie lange noch können wir unsere beste Methode zur Altersbestimmung organischer Materialien einsetzen? Diese Frage stellten sich Archäologen und Naturwissenschaftler vor etwa einem Jahr, als bekannt wurde, dass die Menschheit durch ihren Verbrauch fossiler Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas die Kohlenstoffisotopen-Bilanz der Erde derart verändert, dass die Radiokarbonmethode schon in wenigen Jahrzehnten ungenaue Alters-angaben generieren wird.

„Sollten die globalen Emissionen fossilen Kohlendioxids in naher Zukunft unverändert ansteigen wie im „business-as-usual“-Szenario des Weltklimarates prognostiziert, werden die Ergebnisse unserer Altersbestimmungen von neuem organischem Material im Jahr 2050 identisch sein mit jenen von rund 1000 Jahre alten Proben. Im Jahr 2150 werden neue Proben dann in etwa so alt wie 3000 Jahre alter Kohlenstoff erscheinen, im Extremfall sogar wie 4300 Jahre altes Material. Das hieße, frisches Probenmaterial, zum Beispiel von einem im nächsten Jahrhundert gefällten Baum, erscheint dann gemessen mit der Radiokarbonmethode genauso alt wie mehrere Jahrtausende altes Holz“, erläutert Dr. Peter Köhler, Geowissenschaftler am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

Mammutknochen im Küstensediment der Insel Muostakh, Sibirien. (Bildquelle: AWI)

Mammutknochen im Küstensediment der Insel Muostakh, Sibirien.
(Bildquelle: AWI)

Er stellte sich im zurückliegenden Jahr die Frage, ob und wie sich diese verfälschte Alterung des Materials nachweisen ließe. Die Lösung hat er nun in einem weiteren Kohlenstoffisotop gefunden. „Wenn wir parallel zur Radiokarbonmethode auch den 13-C-Wert der Probe bestimmen, können wir herausfinden, ob die Altersangabe vertrauenswürdig ist. Anhand des 13-C-Wertes wird nämlich deutlich, ob der Kohlenstoff der Probe durch fossiles Kohlendioxid beeinflusst worden ist“, sagt Peter Köhler.

Kohlenstoff, den Lebewesen bei der Atmung, über die Photosynthese oder mit der Nahrung aufnehmen, enthält drei verschiedene Isotope: die beiden stabilen Isotope 12-C und 13-C sowie das radioaktive 14-C. Letzteres wird durch Kernreaktionen in den oberen Schichten der Erdatmosphäre gebildet. Stirbt ein Tier oder eine Pflanze, zerfällt das in seinem Gewebe gebundene 14-C mit einer konstanten Rate. Seine Halbwertzeit beträgt rund 6000 Jahre.

Diesen Umstand machen sich Wissenschaftler bei der Altersbestimmung mithilfe der Radiokarbonmethode zunutze. Sie bestimmen dabei die Menge der verbliebenen 14-C-Isotope in der Probe, setzen sie mit der Anzahl der 12-C-Isotope in ein Verhältnis und vergleichen dieses wiederum mit einem vorher festgelegten Standard-Wert. „Wir stehen vor dem Problem, dass Erdgas, Erdöl und Kohle so alt sind, dass ihr Kohlenstoff keine 14-C-Isotope mehr enthält. Verbrennen wir nun diese Rohstoffe, bringen wir große Mengen an 14-C-freiem Kohlendioxid in die Atmosphäre. Die Folge ist, dass sich das Verhältnis von 14-C zu 12-C – ähnlich einem Alterungsprozess – verkleinert, zuerst in der Atmosphäre, später in allen mit ihr im Austausch stehenden Reservoiren. Dieses Phänomen kennen wir als den Suess-Effekt, benannt nach dem Physiker Hans E. Suess“, sagt Peter Köhler.

Das 13-C-Signal identifiziert den Unterschied
Diesen Suess-Effekt gibt es auch für das 13-C-Isotop – eine Tatsache, die der AWI-Wissenschaftler zur Lösung des Datierungsproblems nutzte. „Durch das Verbrennen von Erdöl, Kohle und Erdgas verändert sich nicht nur das 14-C-Signal in der Atmosphäre, sondern auch das stabile 13-C-Signal. Das bedeutet: Habe ich in meiner Messung ein verändertes 13-C-Signal, zeigt mir dieses an, dass auch die 14-C-Altersangabe durch fossilen Kohlenstoff beeinflusst wurde. Liegt mein 13-C-Signal dagegen innerhalb des zu erwartenden Bereiches, gibt es keinen Einfluss durch fossilen Kohlenstoff und die 14-C-Altersangabe zeigt mir das korrekte Alter an“, erläutert Peter Köhler.

In seiner Studie hatte der Wissenschaftler den 14-C-Suess-Effekt und den 13-C-Suess-Effekt bis zum Jahr 2500 mit dem Computermodell BICYCLE berechnet, welches den globalen Kohlenstoffkreislauf nachbildet. Seine Rechnungen basierten dabei auf den gängigen Emissionsszenarien des Weltklimarates. Anschließend überprüfte er mithilfe weiterer Untersuchungen, ob seine Zukunftsprognosen auch dann standhielten, wenn es der Menschheit gelingen sollte, die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre zu reduzieren.

In allen angenommenen Szenarien konnte die potentielle Verfälschung der Altersdatierung mit Hilfe des 13-C-Suess-Effekts identifiziert werden. Lediglich in Regionen, die nur in langsamem Austausch mit der Atmosphäre stehen (z.B. der tiefe Pazifische Ozean), erscheint eine eindeutige Identifikation mithilfe des 13-C-Suess-Effektes nicht möglich. Methodisch schwierig wird es auch, wenn die Menschheit in großem Umfang beginnen sollte, Biomassen anzubauen, um Kohlendioxid zu binden, diese Biomasse dann verbrennt und das freiwerdende Kohlendioxid in unterirdischen Gesteinsschichten einlagert. Diese sogenannte BECCS-Methode wurde bereits in geringem Umfang in einigen Szenarien des Weltklimarates implementiert, ist aber nur eine von etlichen theoretisch möglichen Methoden, die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre zu reduzieren.

?Veröffentlichung ?

• Peter Koehler: Using the Suess effect on the stable carbon isotope to distinguish the future from the past in radiocarbon,

Environ. Res. Lett. 11 124016.

DOI: 10.1088/1748-9326/11/12/124016;

URL: http://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/11/12/124016

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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