Versteinerter Wasserfloh – Evolution der Kleinkrebsgruppe Cladocera untersucht

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Senckenberg-Wissenschaftler haben die Evolutionsgeschichte von „Wasserflöhen“ untersucht. Die Cladocera-Gruppe steht an der Basis der Nahrungspyramide und spielt daher in Ökosystemen eine wichtige Rolle. Aufgrund der schwierigen Fossilerhaltung ist über die Evolution der Wasserflöhe wenig bekannt. In der kürzlich im Fachjournal „Earth-Science Reviews“ erschienenen Studie präsentiert das Wissenschaftlerteam erstmalig eine umfassende Bestandsaufnahme aller Cladocera-Fossilien in einem ökologischen Kontext. Die Wissenschaftler zeigen, dass sich die Morphologie der Tiere in der Erdgeschichte kaum verändert hat; diese aber dennoch extrem anpassungsfähig sind.

Sucht man in einem See oder einer Pfütze nach Lebewesen, ist die Wahrscheinlichkeit groß einen Cladocera-Vertreter zu finden. Diese – aufgrund ihrer hüpfenden Fortbewegung umgangssprachlich als „Wasserfloh“ bezeichneten – wenige Millimeter großen Tiere haben mit mehr als 700 Arten fast alle Süßwasserlebensräume besiedelt. „Trotz dieser Fülle an Arten und Habitaten ist über die Entstehungsgeschichte von Cladocera wenig bekannt“, erklärt Dr. Kay Van Damme vom Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt und fährt fort: „Da die Tiere keine kalkigen Schalen oder Panzer besitzen, ist ihre Fossilerhaltung sehr schlecht.“

Van Damme und sein Kollege Prof. Alexey A. Kotov vom A.N. Severtsov Institute of Ecology and Evolution in Moskau haben nun erstmalig eine komplette Bestandsaufnahme aller bekannten Wasserfloh-Fossilien erarbeitet. „Um die Entwicklung von Süßwasser-Ökosystemen in der Erdgeschichte zu verstehen, sind die Cladocera eine entscheidende Gruppe“, erklärt Van Damme ihre Motivation. Auch heute noch stehen Wasserflöhe am Anfang vieler Nahrungsketten und sind daher ein wichtiger Baustein aquatischer Ökosysteme.

Zudem reagieren die kleinen Krebstierchen sensibel auf Umweltveränderungen und können so zur Kontrolle der Wasserqualität dienen – die Gattung Daphnia dient hier seit Jahren als Modellorganismus. „Außerdem ist Daphnia der erste Crustaceen-Vertreter, dessen Genom veröffentlicht wurde – für die aquatische Umweltgenomik sind Wasserflöhe daher ähnlich bedeutend, wie die Fruchtfliege Drosophila auf dem Land“, fügt Van Damme hinzu.

Der Bauplan der Cladocera hat sich im Laufe der Erdgeschichte nicht viel verändert. (Foto: Kay Van Damme & Alexey A. Kotov)

Der Bauplan der Cladocera hat sich im Laufe der Erdgeschichte nicht viel verändert.
(Foto: Kay Van Damme & Alexey A. Kotov)

Laut dem Forscherteam traten die ersten Vertreter der Wasserflohgruppe bereits im frühen Jura, vor etwa 180 Millionen Jahren auf. „Seitdem hat sich am Bauplan der Cladocera nicht viel verändert“, ergänzt der Frankfurter Biologe und fährt fort: „Dennoch konnte sich dieses ‚lebende Fossil’ sehr gut an verschiedene Umweltbedingungen anpassen.“ So entwickelten die Wasserflöhe beispielsweise verschiedene Abwehrmechanismen, um Räubern zu entgehen. „Auch das große Artensterben an der Kreide-Tertiär-Grenze, dem beispielsweise alle landlebenden Dinosaurier zum Opfer fielen, überlebten Daphnia und Co“, schließt Van Damme.

Veröffentlichung:
Kay Van Damme, Alexey A. Kotov, The fossil record of the Cladocera (Crustacea: Branchiopoda): Evidence and hypotheses, Earth-Science Reviews, Volume 163, December 2016, Pages 162-189, ISSN 0012-8252, http://dx.doi.org/10.1016/j.earscirev.2016.10.009.
Download link (Kostenfreier Zugang bis 30.12.2016):
https://authors.elsevier.com/a/1U0mz2weQTa9L

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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