Große anatomische Veränderungen während des Wachstums eines Ceratosauriers

Share Button

Aufgrund seiner ungewöhnlichen Anatomie und speziell seiner Anpassungen an Pflanzennahrung gilt der ursprüngliche Noasauride Limusaurus inextricabilis seit seiner Beschreibung im Jahr 2009 als äußerst ungewöhnlicher Theropode. Die Beschreibung einer Wachstumsreihe dieser Art durch Wang und Kollegen zeigt, dass dies noch längst nicht alles ist: bei der Analyse von 19 Exemplaren unterschiedlicher Wachstumsphasen wurden insgesamt 78 Merkmale festgestellt, deren Ausprägung altersabhängig war. Am bedeutendsten: Jungtiere der Art bildeten Zähne aus, während ältere Exemplare einen zahnlosen Schnabel besaßen.

Während der Ontogenese, der Entwicklung eines Individuums vom Embryo zum Erwachsenen, gibt es bei allen Tieren neben dem Größenwachstum auch morphologische Veränderungen. Dies schließt auch Dinosaurier mit ein, aufgrund oftmals nicht ausreichender Fossilfunde ist diese Entwicklung jedoch nur bei einigen wenigen Arten gut dokumentiert. Zudem spiegelt die Ontogenese Teile der Stammesgeschichte der Art wieder und ist für die Rekonstruktion ihrer Evolution sehr interessant. Daher ist auch jede neue Beschreibung einer größeren Anzahl von Individuen einer Art, die Exemplare unterschiedlicher Wachstumsstufen beinhaltet, ein großer gewinn für die Paläontologie.

Lebendrekonstruktion von Limusaurus inextricabilis. Bild: Nobu Tamura

Bei Limusaurus handelt es sich um einen kleinen, basalen aber gleichzeitig im Adultstadium hochspezialisierten Vertreter der Noasauridae, einer. Xu et al. beschrieben ihn 2009 basierend auf zwei adulten Exemplaren aus dem Oxfordium der Shishugou-Formation in China, damals noch als basalen Ceratosaurier. Auffällig war das Reduktionsschema der Hand, welches bei der Identifizierung der verbleibenden drei Finger von höheren Theropoden half, insbesondere aber ein Schnabel, welcher erstmals bei einem Theropoden außerhalb der Coelurosaurier festgestellt wurde, und ein Kaumagen, welche beide stark auf eine Herbivore Ernährung hindeuten.

Inzwischen wurden insgesamt 19 Skelette von Limusaurus gefunden, die in ihrem Alter von weniger als einem bis zu 10 Jahren variieren und sich in 6 Wachstumsphasen einteilen ließen. Damit bilden sie eine der vollständigsten Wachstumsreihen die von ausgestorbenen Theropoden bekannt sind und ermöglichten es, variable Merkmale detailliert zu erfassen. So hatten ältere Exemplare unter anderem einen flacheren Schädel, einen im vorderen Bereich nach unten gebogenen Unterkiefer und stärker ausgebildete Schädelkämme für den Ansatz von Hals und Kiefermuskulatur.

Am auffälligsten ist jedoch, dass die jüngsten juvenilen Exemplare (Wachstumsphase 1) mindestens 42 Zähne besaßen. Diese Zahl verringerte sich bei älteren Jungtieren (34 Zähne bei Exemplaren der Phase 2) rasch, und als subadulter hatte Limusaurus bereits komplett zahnlose Kiefer. Wie CT-Daten zeigen, sind die Zahngruben im Oberkiefer bei den älteren Exemplaren komplett oder teilweise geschlossen, während jene im Unterkiefer zu einem Kanal verschmolzen sind. Die Zähne wurden im Verlauf des Lebens wohl sowohl von vorne als auch von hinten ausgehend zurückgebildet. Normaler Zahnersatz, wie man ihn von den meisten Reptilien kennt, könnte auch bei den Jungtieren bereits gefehlt haben.

In jedem Fall ist der Wandel von komplett bezahnten Jungtieren zu komplett zahnlosen Erwachsenen ein Extrembeispiel unter den Wirbeltieren, und die mit Abstand weitreichendste solche Veränderung der Bezahnung bei Theropoden.

All dies stützt die These, dass Erwachsene Exemplare sich von Pflanzen ernährten. Bei Jungtieren hingegen fehlen die meisten der Anpassungen an diese Nahrung. Wie Isotopenchemische Untersuchungen zeigen, entsprechen die Kohlenstoff- und Sauerstoff-Isotopen-Werte im Apatit der adulten Limusaurus denen von Pflanzenfressern, während jene von Jungtieren sehr variabel sind, was auf eine Omnivore Ernährung schließen lässt. Außerdem sind Gastrolithen, die zum Zermahlen von Pflanzennahrung im Magen genutzt werden, bei den jungen, bezahnten Exemplaren abwesend und wurden mit zunehmendem Alter häufiger und größer.
Erstaunlicherweise hat die Wachstumsphase bei Limusaurus wenig Einfluss auf seine Phylogenetische Einordnung, anders als es etwa bei Tyrannosauriern der Fall ist gibt es keinen klaren Trend für eine ursprünglichere Position bei Beschränkung auf Jungtiere.    

Quelle:

Wang, S., Stiegler, J., Amiot, R., Wang, X., Du, G., Clark, J. M. and Xu, X. in Press. Extreme Ontogenetic Changes in a Ceratosaurian Theropod. Current Biology (2016), http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2016.10.043
http://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(16)31269-6

Xu, X., Clark, J. M., Mo, J., Choiniere, J., Forster, C. A., Erickson, G. M., Hone, D. W. E., Sullivan, C., Eberth, D. A., Nesbitt, S., Zhao, Q., Hernandez, R., Jia, C., Han, F. and Guo, Y. 2009. A Jurassic ceratosaur from China helps clarify avian digital homologies. Nature 459 (7249): 940–944.


GeoHorizon ist ein Informationsportal, das aktuelle Meldungen aus den Fachgebieten der Geowissenschaften veröffentlicht. Wir richten uns an Experten und Laien, die von Geologie fasziniert sind, und möchten das nötige Hintergrundwissen jedermann zugänglich machen.

Folgt uns auf Facebook

Anzeige

Anzeige
The following two tabs change content below.

Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert