Ein neues jurassisches Krokodil aus Niedersachsen

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Der Steinbruch Langenberg nahe Goslar ist seit der Entdeckung von Europasaurus holgeri unter deutschen Paläontologen und Dinosaurierfans bestens bekannt. Aber er lieferte auch andere Wirbeltierüberreste – darunter Schildkröten und Krokodile. Basierend auf dort gefundenen Fossilien wurde nun eine neue Krokodilart beschrieben, Knoetschkesuchus langenbergensis. Die neue Spezies verbessert in vielerlei Hinsicht die Kenntnisse über eine noch wenig erforschte Familie urtümlicher Krokodile, die Atoposauridae.

Atoposauridae sind eine kleine Gruppe jurassischer bis früh-kretazischer Krokodile, die man fast nur aus europäischen Fundstellen kennt. Klein trifft es in diesem Falle: Keine bekannte Spezies dieser Gruppe wurde länger als einen Meter. Typisch für die Atoposauriden sind relativ kurze Schnauzen und große Augenhöhlen, eine Kombination, die die Tiere wie die Jungtiere anderer Krokodile wirken lässt. Scheinbar war die Rückenpanzerung zumindest teilweise reduziert. Die meisten Atoposauriden kennt man entweder von fragmentarischen Resten oder von plattgedrückten Exemplaren etwa in den süddeutschen Plattenkalken. Daher sind noch viele Fragen zu diesen Tieren offen – die Beziehungen zwischen den anerkannten Gattungen ebenso wie zu anderen Crocodyliformes (jener größeren Gruppe Krokodilartiger, die außer allen heutigen Krokodilen auch mehrere ausgestorbene Seitenlinien umfasst) sind noch nicht restlos aufgeklärt. Es wurde sogar schon angezweifelt, ob die Atoposauriden tatsächlich eine natürliche Gruppe darstellen. Daher kann jeder neue Fund neues Licht auf die Atoposauriden werfen.

Die Funde von Langenberg. Der Steinbruch Langenberg liegt nicht weit von Goslar am Nordrand des Harzes. Hier sind oberjurassische Sedimente mit einem Alter von geschätzt 160 bis 153 Millionen Jahren aufgeschlossen, die sich in einem flachmarinen Milieu ablagerten.  Zu jener Zeit war Europa ein Archipel verschieden großer Inseln, umgeben von Flachmeeren. So finden sich im Steinbruch Langenberg sowohl Fossilien eindeutig mariner Tiere als auch die Überreste von Organismen, die von einer im Süden gelegenen Insel ins Meer gespült wurden. Berühmt sind in diesem Zusammenhang die Überreste von mehreren Individuen von Europasaurus holgeri.

Fossilien von Atoposauriden gehören eher zu den kleineren Fossilien. Beschrieben sind nun ein unvollständiges Individuum, der Schädel eines juvenilen Exemplars, dazu einige Einzelknochen wie ein Unterkieferknochen, ein Oberschenkel, Wirbel, Fußknochen und Osteoderme. Sie wurden ursprünglich provisorisch der bereits aus England bekannten Art Theriosuchus pusillus zugerechnet. Die neueste Arbeit der deutschen Paläontologen Daniela Schwarz, Maik Raddatz (beide vom Museum für Naturkunde in Berlin) und Oliver Wings (vom Landesmuseum in Hannover) zeigt nun, dass dies nicht korrekt ist. Sorgfältige Präparation und die Anfertigung von 3D-Modellen vor allem des Schädels dank Micro-CT-Aufnahmen ermöglichten eine bessere Auswertung des Materials. Diese Auswertung wiederum ermöglichte bessere Vergleiche mit anderen Atoposauriden, darunter gerade auch Theriosuchus, und eine phylogenetische Analyse.

Schädelrekonstruktion von Knoetschkesuchus langenbergensis.

Schädelrekonstruktion von Knoetschkesuchus langenbergensis. A: Von oben. B: Von der Seite. Quelle: Schwarz, Raddatz & Wings 2017.

Eine neue Gattung, zwei Arten. Die genauere Analyse ergab, dass das Material aus dem Steinbruch Langenberg sich von anderen Atoposauriden so deutlich unterscheidet, dass es nicht nur eine neue Art, sondern auch eine neue Gattung darstellt. Nun trägt die neue Art den Namen Knoetschkesuchus langenbergensis. Der Artname leitet sich sehr markant vom Fundort ab; der Gattungsname ehrt Nils Knötschke, der als Mitarbeiter des Dinosaurier-Freilichtmuseums Münchehagen nicht nur an den Grabungen im Steinbruch Langenberg, sondern auch an der Präparation der Fundstücke maßgeblich beteiligt war. Zu den auffälligsten Merkmalen von Knoetschkesuchus gehören unterschiedliche Zahntypen im Kiefer:  Im vorderen Kieferbereich sind die Zähne schlank und spitz, leicht gebogen; im hinteren Kieferbereich sind sie deutlich spatelförmiger.

Beim sorgfältigen Vergleich mit Atoposauriden-Material aus ganz Europa fiel auf, dass eine andere Art, die man bisher Theriosuchus zuordnete, eigentlich viel enger mit K. langenbergensis zusammenhängt. Diese Art, T. guimarotae, ist aus dem Oberjura Portugals bekannt. Sie wurde nun in die neue Kombination Knoetschkesuchus guimarotae überführt.

Damit erweitert sich die Kenntnis um die Diversität der Atoposauriden auf den europäischen Inseln des Juras deutlich. Interpretiert wird Knoetschkesuchus als an Land aktiver Jäger von Insekten und anderen Gliedertieren.  Das Vorkommen auf verschiedenen Inseln mit zwei verschiedenen Arten – eine in Deutschland, eine in Portugal – weist außerdem darauf hin, dass sich die Gattung zwar von Insel zu Insel ausgebreitet hatte. Aber die jeweiligen Populationen waren isoliert genug, um sich zu eigenen Arten zu entwickeln. Dank der neuen Kenntnisse zu anatomischen Details des Schädels durch Knoetschkesuchus kann außerdem die Phylogenie der Atoposauriden geschärft werden. In dem Kladogramm, welches er Erstbeschreibung von Knoetschkesuchus beigelegt ist, sind die Atoposauriden als ein Ableger basaler Eusuchia dargestellt, einer Untergruppe der Crocodyliformes, zu der alle heutigen Krokodile (Crocodylia) zählen. Mit diesen scheinen die Atoposauriden also eventuell näher verwandt zu sein als bisher gedacht.

 

Artikel

Schwarz, D., Raddatz, M. & Wings, O. (2017), Knoetschkesuchus langenbergensis gen.nov.sp.nov., a new atoposaurid crocodyliform from the Upper Jurassic Langenberg Quarry (Lower Saxony, northwestern Germany), and its relationships to Theriosuchus. PLoS ONE 12 (2): e0160617; DOI:10.1371/journal.pone.0160617

 

 

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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