Der ungewöhnliche Schädel von Euchambersia: Giftdrüse oder Wärmesinnesorgan?

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Die Schädelanatomie des kleinen Therocephaliers Euchambersia mirabilis aus dem Oberen Perm wurde schon früh als Hinweis auf einen giftigen Biss gedeutet. Diese Hypothese fand weiten Zuspruch, dennoch fehlte es ihr bislang an Bestätigung. Eine neue Studie untersuchte nun zwei Schädel des Therapsiden mithilfe von Mikro-CT und konnte erstmals eine vollständige Beschreibung der inneren und äußeren Merkmale von Schnauze und Zähnen liefern.

Bekannt dürfte diese Art den Meisten vor allem sein, da sie die Inspiration für den giftigen Therocephalier in der BBC-Dokumentation “Die Ahnen der Saurier” lieferte, wo der Räuber einen Lystrosaurus erbeutet.

Statt der vollständig fehlenden Backenzähne findet sich im Oberkiefer der Art eine große, seitliche Fossa (Mulde) die zwischen etwa einem Drittel und der Hälfte der Schnauzenlänge einnimmt und nach hinten die Augenhöhle überlappt. In der Vertiefung liegen zwei kleine Foramina (Schädelfenster) durch die Nerven und Blutgefäße aus dem Schädelinneren austraten. Ihr vorderes Ende ist durch eine Furche mit der Mundhöhle verbunden, die für eine Giftdrüse den Ausfluss ins Maul gebildet haben könnte. Außerdem stehen die Foramina über einen Kanal im Oberkiefer mit der Basis der Eckzähne in Verbindung, und könnten auch zur Leitung von Gift gedient haben. Da aber kein lebendes Tier sein Gift auf diese Weise injiziert ist diese Vermutung nicht überprüfbar.

3D-Scan des Schädels von Euchambersia mirabilis. Bild: Benoit et al. 2017

Bereits 1933 folgerte Franz Nopcsa, dass Euchambersia Giftdrüsen besaß. Insgesamt herrschte bislang Einigkeit darüber, dass die Mulde eine Drüse beherbergte: neben Giftdrüsen kommen hier auch Speichel- oder Tränendrüsen infrage. Die Eckzähne weisen zwar nicht, wie manchmal behauptet, eine ausgeprägte Rinne (ähnlich wie man sie etwa bei Giftnattern findet) auf, dafür aber einen Grat, wie man ihn ebenfalls manchmal bei giftigen Tieren findet. Außer bei den Eckzähnen wurde er auch bei einem Schneidezahn nachgewiesen. Ein Großteil der Zahnkronen ist leider bei keinem der bekannten Exemplare erhalten.

Für einen giftigen Biss sprechen also Zahnform, interne Schädelanatomie, die Grube im Oberkiefer und auch das Fehlen von Backenzähnen. Diese Merkmale sind jedoch nach wie vor kein klarer Beweis. Gerade die Zähne sind kein ausschlaggebendes Merkmal was Giftigkeit angeht, wie die gefurchten Zähne der ungiftigen Paviane und Flusspferde beweisen. Bei Pavianen und Muntjaks gibt es ebenfalls Mulden im Oberkiefer, die aber keine Giftdrüsen beherbergen.

Eine Alternative wäre ein spezialisiertes Sinnesorgan, ähnlich den Infrarot-Sensoren der Grubenottern und Boas. Die Anatomie des maxillaren Kanals deutet darauf hin, dass die Fossa von nur einem Ast des Nervus trigeminus innerviert wurde, dem Infraorbitalnerv, womit er bei dieser Art sehr spezialisiert ist.

Außerdem fehlt bei Euchambersia das sonst unter Therocephaliern weit verbreitete Scheitelauge, das unter anderem ähnlich einem Thermostat bei der Regulierung der Körpertemperatur hilft. Ein Wärmesinnesorgan als Ausgleich wäre somit gut denkbar. Die schiere Größe dieses Sinnesorgans wäre allerdings unter Landwirbeltieren einmalig, und die abgewandelte Neurologie des Oberkiefers lässt sich auch durch das Fehlen der Backenzähne erklären.

Zudem fehlt das Scheitelauge bei vielen Therapsiden, ohne dass es irgendwelche Hinweise auf Wärmesinnesorgane gäbe. Laut den Autoren der Studie ist nach wie vor die Giftdrüse die wahrscheinlichste Hypothese.

Quelle:
Benoit, J., Norton, L. A., Manger, P. R. and Rubidge, B. S. 2017. Reappraisal of the envenoming capacity of Euchambersia mirabilis (Therapsida, Therocephalia) using μCT-scanning techniques. PLOS ONE 12 (2): e0172047.
http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371%2Fjournal.pone.0172047


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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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