Weichteilerhaltung und Funktionelle Anatomie von Anchiornis

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Anchiornis huxleyi ist einer der ältesten Vertreter der Paraves, einer Gruppe, die die Vögel und deren nächste Verwandte, etwa Dromaeosaurier, Troodontiden und die merkwürdigen Scansoriopterygidae umfasst. Außerdem entspricht seine Anatomie einem Zwischenstadium zwischen Vögeln und ursprünglicheren Theropoden. Inzwischen kennt man von diesem winzigen Raubsaurier eine großen Zahl fossiler Exemplaren aus der Tiaojishan-Formation (Oberjura von China). Mittels Laser-stimulierter Fluoreszenzanalyse gelang es einer neuen Studie, die Form der Weichgewebe dieses Schlüsseltaxons in der Vogelevolution zu rekonstruieren.

Rekonstruktion von Skelett und Weichteilsilhouette (ohne Federn) von Anchiornis huxleyi. Bild: Wang et al. 2017

Die LSF(Laser-stimulierte Fluoreszenz)-Analyse ermöglicht es, unter normalen Lichtverhältnissen nicht sichtbare Strukturen an Fossilien zu erkennen. Bei 9 Exemplaren von Anchiornis konnten mit dieser Methode hochauflösende Silhouetten der Weichgewebe von Gliedmaßen und Schwanz sichtbar gemacht werden. Die Umrisse von Kopf, Hals und Brustkorb waren dagegen nicht mehr verlässlich nachzuvollziehen.

Wie bei heutigen Vögeln weisen die Vordergliedmaßen von Anchiornis Flügelmembranen, sogenannte Patagia auf.

Das Propatagium spannte sich auf der Vorderseite des Ellbogens zwischen Ober- und Unterarm und diente beim lebenden Tier der Vergrößerung des Flügels und bildete dessen Vorderkante. Ein kleineres Postpatagium verband die Hand mit der Hinterkante des Unterarms.

Anders als bei modernen Vögeln war der erste Finger noch nicht über eine weitere Membran mit dem Rest der Hand verbunden. Die übrigen zwei Finger waren jedoch bereits zusammengewachsen und dürften zur Versteifung der hinteren Flughaut beigetragen haben.

Trotz dieses bereits sehr vogelähnlichen Aufbaus der Vorderextremität dürfte Anchiornis seine Flügel noch nicht auf die gleiche Art und Weise eingesetzt haben, wie es moderne Vögel tun. Die Federn waren noch symmetrisch aufgebaut, was aerodynamisch ungünstig ist, und das Brustbein ähnlich wie bei Archaeopteryx unverknöchert, wodurch es keinen guten Ansatzpunkt für eine starke Flugmuskulatur bot. Außerdem ist die Anordnung der Federfollikel auf der Flügeloberfläche noch deutlich unspezialisierter als bei heutigen Vögeln.

Auch die Hintergliedmaßen von Anchiornis ähnelten bereits stark jenen von Vögeln. Die Unterschenkel sind im oberen Drittel verdickt und laufen nach unten hin dünn aus. Verdickte Ballen polstern die Unterseiten der Zehenglieder und sind von kleinen, runden Schuppen bedeckt. Schuppen die den Fuß von der Oberseite der Zehen bis zum Unterschenkel bedecken sind dagegen nur schlecht erhalten, aber deuten auf ein ähnliches Schuppenkleid des Fußes wie bei Vögeln hin, die sogenannten Podotheca. Im Unterschied zu diesen und ähnlich dem kreidezeitlichen Microraptor, verfügten auch die Hintergliedmaßen von Anchiornis über verlängerte Federn, die eine Art Tragfläche bildeten, wodurch die Art über insgesamt 4 Flügel verfügte.

Die Silhouette des Schwanzes ist sehr schlank und geht abrupt in den Beckenbereich über. Anders als dies bei ursprünglichen Theropoden der Fall ist, gab es bei Anchiornis wohl keine kräftige Schwanzmuskulatur mehr, die beim Laufen den Oberschenkel nach hinten zog. Diese Trennung von Bein- und Schwanzmuskulatur könnte auch feinere Bewegungskontrolle des Schwanzes, etwa bei einer Verwendung für aerodynamische Zwecke, ermöglicht haben. Damit scheint die Umwandlung des typischen Theropodenschwanzes zum verkürzten und zusammengewachsenen Schwanz der Vögel bereits bei Anchiornis begonnen zu haben.
Im Wesentlichen bestätigen die neuen Untersuchungen Rückschlüsse, welche man bereits aus anatomischen Vergleichen mit heutigen Verwandten ziehen konnte. Die Daten könnten jedoch für künftige Untersuchungen zur Evolution des Vogelfluges und den Verwandtschaftsbeziehungen der Paraves große Bedeutung haben.

Quellen:
Wang, X., Pittman, M., Zheng, X., Kaye, T. G., Falk, A. R., Hartman, S. A. and Xu, X. 2017. Basal paravian functional anatomy illuminated by high-detail body outline. Nature Communications 8: 14576.
http://www.nature.com/articles/ncomms14576

Hu, D., Hou, L., Zhang, L. and Xu, X. 2009. A pre-Archaeopteryx troodontid theropod from China with long feathers on the metatarsus. Nature 461 (7264): 640–643.
http://www.nature.com/nature/journal/v461/n7264/full/nature08322.html

Xu, X., Zhao, Q., Norell, M., Sullivan, C., Hone, D., Erickson, G., Wang, X., Han, F. and Guo, Y. 2009. A new feathered maniraptoran dinosaur fossil that fills a morphological gap in avian origin. Science Bulletin 54 (3): 430–435.
http://www.ivpp.ac.cn/qt/papers/201403/P020140314379333425828.pdf


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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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