Forscher kartieren Metropolen bis auf den Millimeter genau und brechen damit sogar den Weltrekord

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Die Bevölkerungszahlen schnellen stetig in die Höhe, bereits zum aktuellen Zeitpunkt lebt die Hälfte der Weltbevölkerung in Metropolen und Ballungszentren wie Tokio oder Jakarta, bis zum Jahre 2050 werden es nach Schätzungen der Vereinten Nationen rund zwei Drittel sein.  Dieses enorme Bevölkerungswachstum stellt extreme Sicherheitsforderungen an Infrastruktur und Wohnraum, je mehr Menschen in Großstädten leben, desto fataler können Naturkatastrophen und technische Defekte, aber vor allem auch schleichende geologische Prozesse, sich auswirken und umso bedeutender werden Radartechnik und Fernerkundung.
Ein Forscherteam um  Xiaoxiang Zhu, Professorin für für Signalverarbeitung in der Erdbeobachtung der TU München, hat in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt  Großstädte so genau vermessen wie nie zuvor und dabei sogar einen Rekord gebrochen.

Mithilfe des Radarsatelliten TerraSAR-X, der nun bereits seit über 10 Jahren im Einsatz ist, kartierte das Team Höhenprofile von Metropolen bis auf einen Millimeter genau und kann so selbst winzigste Veränderungen, z.B. durch Senkungen im Boden, vermessen und registrieren. So können Gefahren frühzeitig erkannt und ihnen entgegengewirkt werden:
Eine übermäßige Entnahme von Grundwasser beispielsweise kann zu Senkungen im Untergrund führen, was vor allem in Küstenstädten eine Gefahr darstellen kann, aber auch Gebäude können sich  neigen oder senken, so z.B, der Fall am Millennium Tower in San Francisco. Werden diese Veränderungen erst für die menschlichen Sinne wahrnehmbar, ist es meist zu spät und die Katastrophe bereits eingetreten. Um dem vorzubeugen, werden regelmäßig Höhenprofile von Städten und ihre Untergründe per Radar abgetastet.  Der Satellit TerraSAR-X ist dabei enorm präzise und hochauflösend: Aus einer Höhe von 500 Kilometern registriert er nicht nur die Höhe sondern auch die Form von Gebäuden und Bauwerken bis auf einen Millimeter, woraus dann 3D-Modelle ganzer Städte entstehen.

“TerraSAR-X steht seit zehn Jahren für herausragende Forschungs- und Entwicklungsleistungen und Satellitenbetrieb auf höchstem Niveau. Bis heute setzt diese Satellitenmission Standards in Genauigkeit und Bildauflösung. Dank seiner weltweit einzigartigen Radartechnologie hat TerraSAR-X eine neue Ära in der Fernerkundung eröffnet und den Weg für die ebenso erfolgreiche Nachfolgemission TanDEM-X bereitet. Ich freue mich, dass beide Satelliten bis heute vollständig funktions- und leistungsfähig sind”,
erklärt Prof. Pascale Ehrenfreund, Vorstandsvorsitzende des DLR, über den Satelliten, der am 15.  Juni 2007 vom Weltraumbahnhof Baikonur seine Reise angetreten hat.

Mithilfe von Satellitenbild-Tomografie lassen sich Deformationen bis auf einen Bereich von 1 mm erfassen, das Bild zeigt Las Vegas und ist vom 2. Juni 2017. ©TU München / DLR

Für die Weltstädte Paris, Berlin, Washington D. C. und Las Vegas haben die Forscher diese Modelle bereits fertig errechnet, möglich wurde dies mittels modernster Satellitentechnik in Kombination mit Computeralgorithmen, doch ohne die ganz spezielle Umlaufbahn des Satelliten wäre das Verfahren der “Tomographie aus dem Orbit” nicht umsetzbar: Der Satellit überfliegt jede Erdregion im Rhythmus von elf Tagen, dabei variiert jede Flugbahn um exakt 250 Meter, was einen Perspektivwechsel zur Folge hat. So wird jeder Punkt der Erdoberfläche aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet –  ein dreidimensionales Bild entsteht.

“Da dieses Verfahren in der dritten Dimension nur eine schlechte Auflösung liefert, setzen wir zusätzlich Compressive Sensing-Methoden ein, mit denen sich die Auflösung um das 15fache verbessern lässt”, so Zhu.

Aus den Daten von TerraSAR-X errechnen die Computer drei Millionen Messpunkte pro Quadratkilometer, ein absoluter Weltrekord!
Doch nicht nur dreidimensionale Punktwolken sind mit dem Verfahren möglich: Da die Radarbilder zu unterschiedlichen Zeiten aufgenommen werden,  lässt sich selbstverständlich auch die zeitliche Veränderung sichtbar machen, vierdimensionale Bilder ermöglichen so die Messung von Veränderungen eines Bruchteils einer Radarwelle. Thermische Ausdehnung von Gebäuden in  den Sommermonaten oder winzige Deformationen durch Senkung oder Anhebung des Untergrundes lassen sich erfassen und Gefahrenpunkte ermitteln.

Und was bringt die nahe Zukunft?

Im kürzlich gestarteten Projekt “So2Sat” werden alle Ballungsgebiete der Welt kartiert und auf lange Zeit hin beobachtet werden, damit kann man den Städten regelrecht beim Wachsen zuschauen.
Dabei sollen verschiedene Big-Data Quellen genutzt werden: Satellitenbilder werden dann mit Material aus Open Street Maps und Fotos sowie Texten aus sozialen Netzwerken fusoniert.

Quellen:

  • Kang J., Wang Y., Körner M., Zhu X.: “Robust Object-based Multipass InSAR Deformation Reconstruction”, IEEE Transactions on Geoscience and Remote Sensing, in press. DOI: 10.1109/TGRS.2017.2684424
    http://ieeexplore.ieee.org/document/7926387/
  • Montazeri S., Zhu X., Eineder M., Bamler R., 2016: “3-D Deformation Monitoring of Urban Infrastructure by Tomographic SAR Using Multi-Track TerraSAR-X Data Stacks”, IEEE Transactions on Geoscience and Remote Sensing, Volume: 54, Issue: 12, Dec. 2016; DOI: 10.1109/TGRS.2016.2585741
    http://ieeexplore.ieee.org/document/7548332/
  • Wang, Y., Zhu, X.X., Zeisl, B., Pollefeys, M., 2017: “Fusing Meter-Resolution 4-D InSAR Point Clouds and Optical Images for Semantic Urban Infrastructure Monitoring”, IEEE Transactions on Geoscience and Remote Sensing, Volume: 55, Issue: 1, Jan. 2017; DOI: 10.1109/TGRS.2016.2554563
    http://ieeexplore.ieee.org/document/7587405/
  • DLR Nachrichten: Perfektion im All: 10 Jahre TerraSAR-X
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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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