Die Pterosaurier-Diversität der Plattenkalke

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Die oberjurassischen Plattenkalke Süddeutschlands sind unter anderem berühmt für ihre reichhaltige Flugsaurierfauna: hunderte Exemplare wurden im Laufe der Jahrzehnte geborgen, vom fragmentarischen Überrest bis zu vollständigen Exemplaren mit Hautabdrücken. Darunter der erste wissenschaftlich beschriebene Flugsaurier überhaupt. Diese Funde zeigen eine große Artenvielfalt, die seit jeher Gegenstand taxonomischer Debatten ist. Es entstand im Laufe der Zeit ein enormes Dickicht an synonymen Namen, das nicht nur für Laien verwirrend ist. Nun erschien ein neues Paper, das seinen Teil leisten will, etwas Ordnung hineinzubringen.

Die Pterosaurier-Vielfalt der fränkischen Plattenkalke, namentlich der Solnhofener und Eichstätter Plattenkalke auf der Schwäbischen Alb, ist geradezu spektakulär. Sie kann ohne weiteres mit der Artenvielfalt auf dem Araripe-Plateau in Brasilien oder in der Lagerstätte von Liaoning mithalten. Obwohl ein guter Teil der bekanntesten oberjurassischen Pterosaurier – namhafte Gattungen wie Rhamphorhynchus, Scaphognathus und Pterodactylus – bereits im 19. Jahrhundert beschrieben wurden, kamen auch in jüngerer Zeit noch weitere neue Arten und Gattungen hinzu, zum Beispiel Bellubrunnus, der aus den in jüngster Zeit näher erkundeten Plattenkalkvorkommen nordöstlich der klassischen Vorkommen stammt und 2012 beschrieben wurde. Wie in einem Paper von Rauhut et al. (2017) jüngst dargelegt zeigen die Wirbeltierfunde aus der Umgebung von Brunn tatsächlich auch für andere Reptiliengruppen eine starke Diversifikation, bei der man in unterschiedlichen Abschnitten der Plattenkalke zwar verwandte, aber doch unterschiedliche Arten und Gattungen vorfindet. Dies passt zu der Vorstellung, dass sich die Plattenkalke in einem Flachmeer rund um einen Inselarchipel ablagerten – jede Insel beherbergte eigene Arten, ähnlich wie heute auf den Galapagosinseln. Von daher kann die starke Diversität der Pterosaurier aus den Plattenkalken vielleicht nicht verwundern – und wie sich zunehmend zeigt, ist sie vielleicht sogar noch größer als bisher gedacht!

Alte Funde, neu bewertet. Seit einigen Jahren ist die Aufarbeitung bereits bekannter älterer Pterosaurier-Funde aus den Plattenkalken im Gange. Eine bessere Kenntnis der Anatomie dieser Tiere und ihrer Variationen haben zu besseren Merkmalsanalysen geführt, die sich nun anwenden lassen um zu klären, mit wie vielen Arten oder Gattungen man es wirklich zu tun hat. Dachte man früher, dass man wahrscheinlich viele Arten miteinander gleichsetzen (synonymisieren) müsste, weil sie in Wirklichkeit nur verschiedene Wachstumsstadien oder Geschlechter darstellen, zeigt sich nun immer stärker, dass man es in Wirklichkeit wahrscheinlich nicht nur mit mehr Arten, sondern sogar mehr Gattungen zu tun hat. In diesen Ansatz reiht sich nun ein neues Paper von Steven Vidovic und David Martill ein, die sich speziell zwei Taxa vornehmen, die man bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts kennt: ‚Pterodactylus kochi‘ und ‚Germanodactylus rhamphastinus‘. Beide Arten gehören zu jenem diffusen Komplex von jurassischen pterodactylen Pterosauriern aus den Plattenkalken, deren Vielfalt lange schwer aufzuschlüsseln war und deshalb zu allerhand taxonomischen Verwirrungen führte. Die beiden Forscher aus Portsmouth lassen in ihre sorgfältige phylogenetische Analyse erstmals auch eine morphometrische Analyse der Beckenknochen, speziell des Schambeins, einfließen. Die Ergebnisse verfeinern die Kenntnisse des Stammbaus der Pterosaurier und liefern weitere Argumente, dass die Diversität der Flugsaurier aus den Plattenkalken größer war als gedacht.

Altmuehlopterus

Das Typusexemplar von Altmuehlopterus rhamphastinus, ehemals der Gattung Germanodactylus zugerechnet. Platte und Gegenplatte, jeweils mit Umzeichnung. Quelle: Vidovic & Martill 2017. 

Eigene Gattungen. Tatsächlich entpuppen sich beide Arten als eigene Gattungen. Für ‚P. kochi‘ war dies bereits vermutet worden. In der Vergangenheit war wiederholt gemutmaßt worden der kleine Flugsaurier könnte vielleicht ein juveniles Stadium der Typusart Pterodactylus antiquus oder eines anderen ähnlichen Flugsauriers sein. Schon 2014 jedoch vermuteten Vidovic und Martill, dass es sich vielleicht sogar um eine ganz eigene Gattung handeln könnte. Sie rehabilitierten eine ältere Bezeichnung für diese Art, Diopecephalus kochi. Die neue Analyse der beiden Autoren unterstützt diese Sicht nun. Mit P. antiquus ist D.kochi demnach nur entfernt verwandt, jedenfalls verglichen mit früheren Auffassungen.

‚Germanodactylus rhamphastinus‘ hat eine noch konfusere taxonomische Geschichte hinter sich. Er wurde lange mit Germanodactylus cristatus in eine Gattung geworfen. Beide wurden schon für Vertreter der Gattung Pterodactylus gehalten, beiden wurden Funde zugerechnet, die später anderen Arten zugerechnet wurden und umgekehrt. In etlichen phylogenetischen Analysen der Vergangenheit waren beide mutmaßlichen Gattungen mit ihren jeweiligen vermuteten Arten in der Tat schwer auseinanderzuhalten. Dies war teilweise auch schlecht formulierten Diagnosen der jeweiligen Arten geschuldet. In der neuen Analyse zeigt sich nun, dass ‚Germanodactylus rhamphastinus‘ tatsächlich eine eigene Art ist – mehr noch: Eine eigene Gattung muss hier aufgestellt werden, da die Unterschiede selbst zu G. cristatus zu groß sind. Tatsächlich scheint ‚G. rhamphastinus‘ auf der Stammlinie einer größeren Gruppierung aus G.cristatus und einigen anderen Arten zu liegen. Daher schlagen die Autoren einen neuen Namen für die Art vor: Altmuehlopterus rhamphastinus.

Die gesamte phylogenetische Analyse zeigt einen wesentlich komplexeren Stammbaum der basalen Pterodactyloidea, als man das noch vor 20 Jahren dachte. Damit stützt diese Studie die Erkenntnisse vieler Arbeiten der letzten Jahre. Interessant sind dabei auch die vielen Querverbindungen der Pterosaurier aus den Plattenkalken zu verwandten Formen aus chinesischen Fundstätten. Der gesamte Stammbaum deutet noch einige andere Überraschungen an, die aber erst in künftigen Studien weiter erhärtet werden müssten.

Artikel

Vidovic, S.U. & Martill, D.M. (2017), The taxonomy and phylogeny of Diopecephalus kochi (Wagner, 1837) and ‘Germanodactylus rhamphastinus’ (Wagner, 1851). Geological Society, Special Publications 455: New Perspectives on Pterosaur Palaeobiology. https://doi.org/10.1144/SP455.12

außerdem:

Rauhut, O.W.M., López-Arbarello, A., Röper, M. & Rothgaenger, M. (2017), Vertebrate fossils from the Kimmeridgian of Brunn: the oldest fauna from the Solnhofen Archipelago (Late Jurassic, Bavaria, Germany). Zitteliana 89, 305-329.

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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