Getarnte Panzer in der Kreidezeit

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Ein kanadisch-britisch-amerikanisches Forscherteam hat der Öffentlichkeit nun einen neuentdeckten gepanzerten Dinosaurier aus der Gruppe der Ankylosauria vorgestellt. Borealopelta markmitchelli brilliert mit einer außergewöhnlich guten Erhaltung, die bei Ankylosauriern in dieser Form selten vorkommt. Nicht nur, dass die allgemeine Körperform bei dieser Art sehr gut rekonstruiert werden kann – auch die Hauttextur ist belegt und sogar Hinweise auf die einstige Färbung.

Der Fund. Bei dem beschriebenen Fund handelt es sich um das Exemplar TMP 2011.033.0001, nun untergebracht im Royal Tyrrell Museum of Palaeontology. TMP 2011.033.0001 besteht aus einem weitgehend artikulierten Teilskelett, das den Kopf, Hals, den größten Teil des Rumpfes und das Kreuzbein, ein rechtes Vorderbein, Teile des linken Vorderbeins und einen Teil eines Hinterfußes umfasst, außerdem die komplette Panzerung der erhaltenen Körperregionen in ihrer natürlichen Konfiguration und zahlreiche Hautabdrücke von nicht gepanzerten Körperpartien. Erhalten ist dies in einem Hauptblock und einigen kleineren Blöcken und Gesteinsstücken. Zusammengenommen ergeben sie einen so perfekt erhaltenen Dinosaurier, dass es fast wirkt, als schlafe das Tier nur (wie sich einer der beteiligten Forscher verlauten ließ).

Gefunden wurde das Teilskelett im Jahre 2011 im Nordosten der kanadischen Provinz Alberta, nahe  Fort McMurray, als man gerade überdeckende Schichten von einer Ölsand-Schicht abtrug. Die Fossilien befanden sich genau in der Schicht, die die Ölsande und Bitumen überlagerte. Bei dieser Schicht handelte es sich um einen Teil der Clearwater-Formation, der ins Albium (Kreidezeit, vor 113 bis 100 Millionen Jahren) datiert wird und marin abgelagert wurde. Meeresreptilien wurden bereits daraus geborgen, aber noch nie ein Dinosaurier. Schon deshalb war der Fund bemerkenswert, der in eine Siderit-Konkretion eingeschlossen war, die sicher ihren Beitrag zur bemerkenswerten Erhaltung leistete. Dazu gehört nicht nur die artikulierte Erhaltung, sondern auch die Tatsache, dass die ursprüngliche Haut-und Keratinbedeckung der Panzerplatten als filmartiger organischer Überzug erhalten geblieben war. Der Präparator Mark Mitchell investierte über 6 Jahre hinweg mehr als 7000 Arbeitsstunden in die Präparation des Fundstücks. Dies wurde geehrt, als man aufgrund der guten Erhaltung eine solide Merkmalsanalyse vornehmen und dadurch zeigen konnte, dass es eine neue Art war: Sie wurde auf den Namen Borealopelta markmitchelli getauft. Der Gattungsname bedeutet „nördlicher Schild“ und verweist auf die sehr weit nördlich liegende Fundstelle.

BorealopeltaHolotyp

Der Holotyp von Borealopelta markmitchelli, einmal von der Seite (oben) und einmal von vorne (unten). Der Maßstab ist jeweils 10 cm. Quelle: Brown et al. 2017. 

Hinweise zur Färbung. Besonders bemerkenswert, auch weil es nicht allzu häufig vorkommt, sind die chemischen Rückstände der ursprünglichen Färbung von Borealopelta markmitchelli, die in den organischen Zerfallsprodukten, die die Oberflächen der Panzerplatten und Schuppenabdrücke bedeckten, gefunden wurden. Mit Hilfe modernster Untersuchungsmethoden wie Rasterelektronenmikroskopie, Röntgenspektroskopie und Massenspektrometrie wurden die chemischen Rückstände näher untersucht und ergaben interessante Hinweise auf das ursprüngliche Erscheinungsbild des Tieres. Unterstützt wurden diese Untersuchungen durch Reflektionsunterschiede verschiedener Abschnitte der Hautabdrücke unter UV-Licht. Diese Untersuchungen erbrachten unter anderem den Nachweis von Benzothiazol, was üblicherweise als Rückstand von diagenetisch verändertem schwefelhaltigen Pheomelanin interpretiert wird. Pheomelanin-Pigmente geben einem Tier meistens eine rötliche bis braune Färbung, je nach Intensität der Pigmentierung. Man kann daraus also schlussfolgern, dass die Grundfärbung von Borealopelta markmitchelli in diesem farblichen Spektrum lag. Die Dichte der Pigmentrückstände, sowohl durch die untersuchten Proben als auch durch die unterschiedlichen UV-Lichtreflektionen erkennbar, gibt darüber hinaus Aufschluss über eine ungefähre Verteilung von Farbmustern. Diese erwiesen sich als bemerkenswert.

Zwei Dinge fielen den Forschern nämlich auf. Erstens deutet die Verteilung der Pigmentrückstände an, dass Borealopelta markmitchelli auf der Rückenseite deutlich dunkler gefärbt war als an Flanken und an der Körperunterseite. Eine solche Kontrastfärbung kann in einem natürlichen Lebensraum, der womöglich noch unterschiedliche Lichtverhältnisse bietet – zum Beispiel in einem lichten Wald – die Körperform teilweise auflösen und schwerer erkennbar machen, selbst für gute Augen. Die Forscher interpretieren dieses Farbmuster daher als eine Art leichte Tarnung, die es Fressfeinden, die überwiegend über den Sehsinn jagten – etwa großen Theropoden – schwerer machen sollte, den gepanzerten Dinosaurier zu entdecken. Dies hätte einen zusätzlichen Schutzeffekt zur massiven Panzerung bedeutet. Ungewöhnlich ist freilich, dass sich ein solches Muster bei einem Tier von der Größe von Borealopelta markmitchelli findet – das Tier war immerhin geschätzt 5,5 m lang und anderthalb Tonnen schwer. Heute weisen meistens nur deutlich kleinere Arten ein solches Kontrastmuster auf. Eine zweite Auffälligkeit betrifft den langen Seitenstachel am Rande der Panzerung oberhalb des Schulterblatts. Bei diesem Fund ist erkennbar, dass die Hornscheide dieses Stachels deutlich länger war als der knöcherne Kern. Und die dortigen UV-Reflektionswerte und Pigmentrückstände sprechen dafür, dass ausgerechnet diese auffälligen Stacheln markant heller gefärbt waren als der größte Rest des Körpers. Es wird nun vermutet, dass dieses Stachelpaar eine Display-Funktion hatte und im Sozialverhalten der Tiere eine Rolle spielte.

Borealopelta markmitchelli gibt damit neue Einblicke in die Biologie der Ankylosaurier, die sonst ja meist recht eindimensional als nicht sehr agile und eintönige Panzer ihrer Zeit dargestellt werden. Zwar waren die Tiere anscheinend nun nicht so bunt, wie man es für andere Dinosaurier schon vermutet hat. Aber ihr Verhalten und ihre Lebensweise mögen komplexer gewesen sein, als man gemeinhin denkt. Das Forscherteam hofft, dem einzigartigen Fund noch weitere Geheimnisse entlocken zu können bei künftigen Untersuchungen.

Artikel

Brown, C.M., Henderson, D.M., Vinther, J., Fletcher, I., Sistiaga, A., Herrera, J. & Summons, R.E. (2017), An Exceptionally Preserved Three-Dimensional Armored Dinosaur Reveals Insights into Coloration and Cretaceous Predator-Prey Dynamics. Current Biology (2017), http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2017.06.071

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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