Seismologen nutzen massive Erdbeben, um Geheimnisse des äußeren Kerns zu entschlüsseln

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Die Princeton Seismologin Jessica Irving und ein internationales Team von Kollegen haben mit neuen Daten und Princeton’s Supercomputern ein neues Modell für den äußeren Kern der Erde entwickelt, eine flüssige Eisenregion tief in der Erde.

Der äußere Kern ist ständig in Bewegung, er hält das Magnetfeld des Planeten aufrecht und versorgt den Mantel mit Wärme. “Das Verständnis des äußeren Kerns ist entscheidend für das Verständnis der Geschichte des Magnetfelds”, sagte Irving, Assistant Professor für Geowissenschaften. Die Arbeit ihres Teams erscheint heute in der Zeitschrift Science Advances.

“Das Modell, das wir entwickelt haben, EPOC – Elastic Parameters of the Outer Core (elastische Parameter des äußeren Kerns) – wird das Hintergrundmodell sein, das allen anderen zugrunde liegt”, sagte Irving. Die Forscher beschreiben EPOC als eine Aktualisierung des äußeren Kerns in Bezug auf das vor 40 Jahren entwickelte Preliminary Earth Reference Model (PREM), ein Modell für seismische Geschwindigkeiten, Dichte, Druck und weitere physikalische Parameter.

Die Schlüsseldaten der Forschung stammten von “normalen Modi”, bei denen es sich um stehende Wellen handelt, die nach großen Erdbeben gemessen werden können, typischerweise Magnitude 7,5 oder höher. Im Gegensatz zu den Raumwellen (P + S Wellen) und Oberflächenwellen, die die meisten Seismologen untersuchen, sind normale Modi ein “ganzheitliches Schwingen der Erde”. Dies ist eine erstaunliche Sache, über die man nachdenken sollte”, so Irving. “Wir wissen, dass die Erde bei charakteristischen Frequenzen wie eine Glocke klingt.” Aufgrund des endlichen Umfangs der Erde kann dieses Vibrieren nach starken Erdbeben mehrere Tage bestehen bleiben.

Das neue Modell EPOC wurde erstmals in einem vierwöchigen wissenschaftlichen Sommerworkshop vorgestellt, an dem Irving zusammen mit Kollegen der Cambridge University und der University of Maryland – College Park teilnahm.

“PREM ist ein ehrwürdiges, sehr einfaches, angesehenes Modell, aber es kann keine kleinräumigen Strukturen darstellen”, sagte Irving. “Wir dachten: Können wir ein einfaches Modell mit noch weniger Parametern als PREM erstellen, das genau so gut funktioniert? Es stellte sich heraus, dass wir ein Modell entwickeln konnten, das den Job viel besser macht.”

Zum einen reduziert EPOC die Notwendigkeit einer “komplizierten dünnen Schicht” an der Kern-Mantel-Grenze”, sagte sie. Forscher hatten in den letzten Jahrzehnten Diskrepanzen zwischen der PREM-vorhergesagten Raumwellengeschwindigkeit und den Daten gefunden, die sie aufzeichneten, besonders an der Oberfläche des Kerns. Einige hatten argumentiert, dass sich dort eine anormale langsame Schicht befindet. Die Meinungen über ihre Mächtigkeit und Zusammensetzung liegen weit auseinander. Schätzungen reichen von 50 bis 300 Meilen.

Das EPOC-Modell bietet keine spezifischeren Details als PREM, sagte Irving, “aber wir schlagen es vor, weil EPOC besser den Daten entspricht und vielleicht benötigt man diese dünne Schicht nicht.” Zusätzlich liefert es Informationen über die Materialeigenschaften des äußeren Kerns.
Der äußere Kern ist für die thermische Geschichte des Planeten und seines Magnetfeldes von entscheidender Bedeutung, sagte Irving, aber er “ist nicht greifbar”. Wir können Ihnen keinen Gestein vom äußeren Kern zeigen und untersuchen, aber gleichzeitig ist es solch ein riesiger Teil unseres Planeten. Der Kern macht etwa 30 Prozent der Masse des Planeten aus, die Kruste ist im Vergleich dazu beinahe unbedeutend. Es gibt so viel, das wir nicht verstehen – und das sind nicht einmal die komplizierten Dinge. Wir suchen nur nach den sehr langsam variierenden Masseneigenschaften.”
Um ihr Modell zu erstellen, haben Irving und andere Seismologen ihre Fähigkeiten gebündelt. Sanne Cottaar (University of Cambridge) hatte Erfahrung mit Zustandsgleichungen. Die Physik erklärt die Zusammenhänge zwischen Temperatur, Druck, Volumen und anderen fundamentalen Eigenschaften und Vedran Leki (University of Maryland-College Park) kannte sich mit Bayes’sschen Techniken aus, einem Ansatz der Wahrscheinlichkeit und der Statistik, das dem Team half, unzählige mögliche Modelle zu durchforsten und die wahrscheinlichsten zu finden. Irving wusste aufgrund ihrer Erfahrung mit der Normalmodus-Seismologie mit dem neu aktualisierten Datensatz umzugehen.
Die Forscher fütterten den Tiger-Supercomputer-Cluster von Princeton mit den Zustandsgleichungen, um Millionen von möglichen Modellen des äußeren Kerns zu generieren. “Alle sechs Sekunden haben wir ein neues Modell entwickelt”, sagte Irving. “Einige haben wir abgelehnt, weil sie falsch aussahen. Wir haben wissenschaftliche Tests für ,falsch’, für Modelle, die Dinge sagen wie: “Die Masse der Erde sollte doppelt so groß sein, wie wir es für richtig halten.”
Das Team nahm dann das Beste aus den Modellen und nutzte sie, um vorherzusagen, welche Frequenzen die komplette Erde nach einem massiven Erdbeben erschüttern würden. Die Forscher verglichen die gemessenen Frequenzen der Normalmoden mit den Vorhersagen ihrer Modelle bis sie ihr bevorzugtes Modell gefunden hatten.
Irving verwendet die Metapher zweier Glocken, eine aus Messing und eine aus Stahl, die beide weiß gestrichen sind. “Wenn du diese Glocken anschlägst, bekommst du verschiedene Töne von ihnen zurück und das wird dir sagen, dass sie aus verschiedene Materialien bestehen.”, sagte sie. “Die genauen Frequenzen – die genaue Tonhöhe, die die Erde nach diesen sehr großen Erdbeben durchschüttelt, hängen von den materiellen Eigenschaften der Erde ab. So wie wir nicht durch die Farbe hindurch auf die Glocken sehen können, können wir auch nicht durch den Planeten hindurchsehen, aber wir können durch die Tonhöhe die Frequenzen unserer Beobachtungen messen und daraus Rückschlüsse ziehen, was tief in der Erde vor sich geht.”

 

Veröffentlichung: Jessica C. E. Irving, Sanne Cottaar, Vedran Lekić. Seismically determined elastic parameters for Earth’s outer core. Science Advances, 2018; 4 (6): eaar2538 DOI: 10.1126/sciadv.aar2538

Quelle: off. Pn



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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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