Jurassic Park – die realen Vorbilder #2: Dilophosaurus

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Das Jurassic Park-Franchise beeinflusst bis heute maßgeblich die Wahrnehmung von Dinosauriern in der Öffentlichkeit und brachte so manchen angehenden Paläontologen auf seinen späteren Berufsweg. Mehr als ein Vierteljahrhundert ist nun seit der ersten Verfilmung im Jahr 1993 vergangen. Viele der darin präsentierten Ideen spiegelten damals den neuesten Forschungsstand wieder. Unsere Artikelserie “Jurassic Park – die realen Vorbilder” befasst sich mit den in den Filmen dargestellten Tieren aus Sicht der Paläontologie und erklärt was wissenschaftlich vertretbar, was dagegen reine Fiktion ist.
Im zweiten Teil der Reihe werfen wir einen genaueren Blick auf Dilophosaurus, einen “schönen, aber tödlichen Bewohner des Jurassic Park” und den ersten Dinosaurier, den ein Besucher auf einer Rundfahrt durch den Jurassic Park hätte sehen können.

Dilophosaurus im Film
Dieser Dinosaurier taucht ausschließlich im ersten Teil der Reihe auf. Namentlich erwähnt wird er erstmalig durch den Audioguide der Parkführung, welcher erklärt, dass es sich um einen der “ersten Fleischfresser” handele. Als nächstes erfährt der Besucher, man wüsste nun (vermutlich nach dem Klonen), dass Dilophosaurus giftig sei, und dass er durch Bespucken seine Beute zunächst blendet, und schließlich lähmt. Während der Parkrundfahrt lässt sich das Tier jedoch dann enttäuschenderweise nicht blicken, lediglich auf sein dicht bewaldetes Gehege erhaschen wir einen Blick.
Erst in einer späteren Szene bekommen wir den Dilophosaurus dann endlich zu Gesicht. Als Dennis Nedry versucht, im Dunkeln und unter strömendem Regen von der Insel zu fliehen, kommt er von der Straße ab, und bleibt mit seinem Auto auf einem kleinen Wasserfall liegen. Bei dem Versuch den Wagen zu befreien trifft er auf den Dilophosaurus. Das Tier ist klein, deutlich kleiner als ein Mensch, und macht auf den ersten Blick einen eher harmlosen Eindruck. Dieser schwindet jedoch rasch, als der Dinosaurier Nedry erst ein klebriges schwarzes Gift in die Augen spuckt, und ihm dann, als er panisch in sein Auto flüchtet, dort auflauert und ihn mutmaßlich verspeist.

Allgemeines
Dilophosaurus wetherilli wurde von dem amerikanischen Paläontologen Samuel P. Welles entdeckt. Die Art war ihm von Funden mehrerer Ausgrabungen, die er in den 1940er und 1960er Jahren in Arizona durchführte bekannt. War er ursprünglich noch der Ansicht, es handelte sich lediglich um eine weitere Spezies von Megalosaurus, “Megalosaurus’ wetherilli (die Gattung diente damals als sog. Mülleimertaxon, der praktisch alle neu entdeckten Arten von Theropoden zugeordnet wurden), so erkannte Welles nach der Entdeckung mehrerer gut erhaltener Skelette, dass es sich um eine gänzlich neue Gattung von Theropoden handelte, die er Dilophosaurus, “Zwei-Kamm-Reptil”, nannte. Nach aktuellen phylogenetischen Untersuchungen handelt es sich bei Dilophosaurus um einen basalen Neotheropoden.
Damit ist er “primitiver” als die meisten anderen in den Jurassic Park-Filmen gezeigten Raubsaurier, mit Ausnahme des zu den Coelophysoidea gehörenden Procompsognathus. Mit einer Reihe sehr ähnlicher, mittelgroßer Raubsaurier aus der Oberen Trias und dem Unteren Jura wird Dilophosaurus nach einigen Analysen in eine eigene Familie, die Dilophosauridae, gestellt. Anderen Studien zufolge handelt es sich dabei aber lediglich um Vertreter der Coelophysoidea, oder um rein morphologisch ähnliche Stammlinienvertreter der Neotheropoden. Ältere Arbeiten zählen all diese Tiergruppen zu den Ceratosauriern, die jedoch nach jüngeren Untersuchungen nur eine deutlich kleinere und spätere Gruppe sind.

 

Skelettnachbildung des Holotypus von Dilophosaurus wetherilli im Royal Ontario Museum, Canada. ©Eduard Solà.

 

Erscheinungsbild
Dilophosaurus ist von einer Reihe fast vollständig erhaltener Skelette bekannt, wodurch sich sein Habitus annähernd komplett rekonstruieren lässt.

Zwar handelt es sich bei allen außer einem einzigen dieser Skelette um Jungtiere, jedoch wären die meisten bekannten Individuen mit Körperlängen zwischen 5 und 6 m bereits viel zu groß gewesen, um auf das im Film gezeigte Exemplar zu passen. Das ausgewachsene Tier dürfte immerhin knappe 7 m lang gewesen und über eine halbe Tonne gewogen haben, womit der Versuch, es mit Dennis Nedry in einen Geländewagen zu quetschen ein recht unterhaltsamer Anblick geworden wäre. Lediglich extrem junge Individuen kämen also für das Alterstadium des gezeigten Tieres in Frage, auch wenn es darauf im Film keine expliziten Hinweise gab.
Damit war der echte Dilophosaurus also nicht nur sehr viel größer als dargestellt, er hätte auch den im Film viel imposanteren Velociraptor (bzw. Deinonychus) in Wirklichkeit klein aussehen lassen. Tatsächlich handelt es sich bei Dilophosaurus sogar um einen der ersten großen Theropoden, und wahrscheinlich um den größten Landräuber seines Ökosystems.

Auffallendstes morphologisches Merkmal sind die namensgebenden, großen Knochenkämme auf der Schnauze (geformt durch das Nasale/Nasenbein und Lacrimale/Tränenbein). Ironischerweise sind gerade diese jedoch sehr dünn und zerbrechlich und gehören deshalb zu den am schlechtesten erhaltenen Skelettpartien. Ihre genaue Form bleibt daher auch bis heute nicht abschließend geklärt, die Darstellung in Jurassic Park ist jedoch plausibel.
Mit einer Reihe anderer basaler Theropoden verbindet Dilophosaurus außerdem eine Einbuchtung und Zahnlücke im Oberkiefer (zwischen Maxilla und Prämaxilla). Dieses Merkmal fehlt bei dem im Film gezeigten Dilophosaurus vollständig, bei dem auf dem Schild am Gehege gezeigten Schädel ist es aber interessanterweise vorhanden.

Für die kragenechsenähnlichen Hautlappen, die das Tier im Film als Drohgebärde abspreizt, um größer zu wirken, gibt es keinerlei fossile Belege.
Eine interessante Frage ist, ob Dilophosaurus Federn besessen haben könnte. In einigen Publikationen wird aufgrund eines Unterjurassischen Spurenfossils mit möglichen (aber wenn, dann nur sehr undeutlich erhaltenen) Federabdrücken über das Vorkommen von Federn bei primitiven Theropoden spekuliert. Manche Lebendrekonstruktionen und Museen stellen Dilophosaurus bereits mit einem feinen Federkleid dar. Ob sich diese Hypothese bestätigen lässt bleibt jedoch abzuwarten.

Lebendrekonstruktion von Dilophosaurus im Größenvergleich mit einem Menschen. ©Nobu Tamura.

Umwelt und Erdzeitalter
Dilophosaurus ist ausschließlich aus dem frühen Jura der Kayenta-Formation in den südwestlichen USA bekannt. Insofern hat der Film auch recht, dass es sich um einen frühen Dinosaurier handelt–im Vergleich zu den anderen dargestellten Tieren, welche überwiegend aus dem späten Jura oder der Kreide stammen. Dilophosaurus als einen der ersten Fleischfresser zu betiteln ist allerdings irreführend, da sich bereits die ältesten und primitivsten bekannten Dinosaurier, welche noch 40-50 Millionen Jahre früher als Dilophosaurus existierten, überwiegend räuberisch ernährten.
Ob Dilophosaurus tatsächlich, wie im Film, in einem dichten Urwald lebte ist eher zweifelhaft. Die Kayenta-Formation wird durch rote Sandsteine in Wechsellagerung mit Silten und Tonen gekennzeichnet, was auf eher aride Bedingungen schließen lässt. Daher wäre es wohl wahrscheinlicher, dass Dilophosaurus in einer offeneren, savannenartigen Landschaft, mit nur vereinzelten Bauminseln lebte.

Dilophosaurus bei der Jagd. ©ABelov2014.

Lebensweise
Wohl die herausstechendste Eigenschaft des im Film gezeigten Dilophosaurus ist sein Gift, bei dem es sich leider um pure Spekulation handelt. Nicht nur gibt es keinerlei hinweise darauf, dass Dilophosaurus tatsächlich giftig war (dies ist heute bei großen Räubern eher die Ausnahme), auch wäre Gift zu spucken keine effektive Jagdmethode gewesen. Alle heutigen Tiere, die Gift zur Jagd einsetzen (dies sind unter den Wirbeltieren insbesondere Giftschlangen und einige Echsen, unter den Wirbellosen Nesseltiere und viele Gliederfüßer und Weichtiere) tun dies indem sie das Gift durch Injektion oder mit dem Speichel direkt in eine Wunde leiten. Das Spucken von Gift, wie es etwa Speikobras tatsächlich einsetzen, ist dagegen ein reines Abwehrverhalten. Zur Jagd eignet es sich schon deshalb nicht, weil, um ein Entkommen der Beute zu verhindern, eine möglichst schnelle Wirkung erziehlt werden muss, was bei langsamer Aufnahme des Giftes über die Haut nicht passieren kann. Die heute lebenden Speikobras spucken ihr Gift daher lediglich zur Verteidigung, nicht zur Jagd.
Grund zu der Gift-Hypothese lieferte womöglich die die ungewöhnliche Kiefermorphologie, welche, insbesondere in älteren Quellen, gerne als zu “schwach” oder “zerbrechlich” für die Jagd aufgefasst wurde. Diese Interpretation basiert auf der schlanken, hakenförmigen Prämaxilla (Zwischenkieferbein, der vordere der beiden Knochen die den Oberkiefer bilden), die zudem nur mit einer lockeren, vermutlich beweglichen Verankerung mit dem restlichen Schädel verbunden war. Während die Schnauzenspitze daher vermutlich keinen starken Belastungen standgehalten hätte, ist der übrige Kiefer aber durchaus robust gebaut, und mit sehr langen, Dolchartigen Zähnen ausgestattet. Mit diesen Werkzeugen und seiner für seine Zeit respektablen Körpergröße dürfte Dilophosaurus auch ohne Gift ein durchaus fähiger Jäger gewesen sein.
Bemerkenswert ist außerdem die hohe Anzahl von 8 pathologischen Knochen in Schultergürtel und Vordergliedmaße des Holotypexemplars von Dilophosaurus wetherilli. Frakturen von Schulterblatt und Unterarm und von penetrierenden Verletzungen ausgehende Osteomyelitis in Unterarm und Hand deuten darauf hin, dass das Tier in eine Kollision und/oder eine gewaltsame Auseinandersetzung mit einem Artgenossen oder Beutetier verwickelt war. Außerdem ähneln Fehlbildungen einiger Knochen Osteodysplasien, die bei heutigen Vögeln durch Nährstoffmangel während des Wachstums entstehen können. Diese führten dazu bei dem Dilophosaurus, dass das Individuum unter anderem einen seiner Finger nicht mehr beugen konnte. Schließlich finden sich im Unterarm auch noch mehrere Knochentumore. Trotzdem scheint das Exemplar all diese Verletzungen und Erkrankungen überlebt zu haben.

Fazit
Insgesamt wurden bei der Darstellung des Dilophosaurus im Film eher viele künstlerische Freiheiten genommen. Der gezeigte Dinosaurier ist sowohl im Aussehen, als auch im Verhalten nur sehr vage an das reale Tier angelehnt. Dennoch verdient Dilophosaurus, als einer der ersten großen Raubsaurier und Mitglied einer weltweit erfolgreichen Radiation früher Theropoden seinen Platz im Jurassic Park voll und ganz, und es ist schade dass wir nicht mehr von ihm zu sehen bekommen haben-

Literatur:

  • Gay, R. 2001: New specimens of Dilophosaurus wetherilli (Dinosauria: Theropoda) from the early Jurassic Kayenta Formation of northern Arizona. Mesa Southwest Museum Bulletin 8:19–23.
  • Gierlinski, G. 1996: Feather-like impressions in a theropod resting trace from the Lower Jurassic of Massachusetts. The continental Jurassic. Museum of Northern Arizona Bulletin 40:179–184.
  • Senter, P., and S. L. Juengst. 2016: Record-Breaking Pain: The Largest Number and Variety of Forelimb Bone Maladies in a Theropod Dinosaur. PLOS ONE 11:e0149140.
  • Tykoski, R. S., and T. Rowe. 2004: Ceratosauria. Pp.47–70 in Weishampel, David B., Dodson, Peter, and Osmólska, Halszka, eds. The Dinosauria.
  • Tykoski, R. S. 2005: Anatomy, ontogeny, and phylogeny of coelophysoid theropods. PhD Thesis, University of Texas at Austin.
  • Welles, S. P. 1970: Dilophosaurus (Reptilia, Saurischia), a new name for a dinosaur. Journal of Paleontology 44:989.
  • Welles, S. P. 1984: Dilophosaurus wetherilli (Dinosauria, Theropoda). Osteology and comparisons. Palaeontographica Abteilung A:85–180.
  • Yates, A. M. 2005: A new theropod dinosaur from the Early Jurassic of South Africa and its implications for the early evolution of theropods.

Bildquellen:

  • https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dilophosaurus_chasing_Scutellosaurus.jpg ©ABelov2014 CC-BY-SA 3.0
  • https://commons.wikimedia.org/wiki/File:DilophosaurusROM1.JPG ©Eduard Solà CC-BY-SA 3.0
  • https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dilophosaurus_NT.jpg ©Nobu Tamura CC-BY-SA 4.0
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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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