Der Ursprung des Vogelflugs verblüfft Wissenschaftler seit mindestens 150 Jahren. Glücklicherweise werden mehr und mehr Dinosaurier entdeckt, die als Brückentiere zwischen Vögeln und ihren landlebenden Vorfahren fungieren. Ein solcher Dinosaurier ist der Hesperornithoides miessleri.
Von der Lebensweise des Urvogels Archaeopteryx bis zum exakten Datum der Federevolution gibt es viele Fragen, die den Ursprung der einzigen lebenden Gruppe von Dinosauriern betreffen. Vor allem jedoch ist nicht bekannt, wann genau Vögel den Sprung vom Land in die Luft wagten. Nichtvogeldinosaurier wie der Microraptor oder der Rahonavis waren bereits mindestens zum Gleitflug von einem Baum zum anderen fähig, was nahelegt, dass dieser Schritt schon vor dem Erscheinen der Vögel vollzogen wurde. Eine neue Studie aus der Fachzeitschrift PeerJ widerspricht dem. In dieser Studie wird eine vogelartige Dinosauriergattung namens Hesperornithoides aus dem Spätjura des US-Bundesstaates Wyoming erstmalig beschrieben.
„Er war ein stereotypischer raptorartiger Dinosaurier. Er hätte sich sehr wie ein Vogel verhalten und hatte die Größe eines Huhns mit einem langen Schwanz.“
beschrieb Co-Autor der Studie Dean Lomax den Hesperornithoides in einem Interview mit National Geographic
Funde von vogelartigen Dinosauriern (auch Paraves gennant) sind lange keine Seltenheit mehr. Jurassische Paraves erwecken jedoch Interesse, da die meisten vogelartigen Dinosaurier in der Kreidezeit lebten, während tatsächliche Vögel bereits im Jura auftraten. Dinosaurier wie der Hesperornithoides bilden daher die beste Approximation für Vogelvorfahren.
Informationen zum Tier
Da er in der Morrison-Formation entdeckt wurde, war der Hesperornithoides vermutlich ein Zeitgenosse von Dinosauriern wie dem berühmten Stegosaurus, Brachiosaurus oder Allosaurus. Mit einer Länge von 89 cm ist er der kleinste entdeckte Dinosaurier Wyomings und wurde 2001 bei der Ausgrabung der Knochen des größten, Supersaurus, versehentlich entdeckt. Der Fund wurde „Lori“ genannt – benannt nach der freiwilligen Grabungshelferin und Mitentdeckerin Lori Hockemeyer.
Die Anwesenheit von Süßwasseralgen im Sediment seiner Entdeckung deutet auf eine Ablagerung in einem Feuchtgebiet hin. Das gleichzeitige Fehlen von Hinweisen auf fließendes Wasser lässt auf einen Tod nahe einem See schließen.
Der Holotyp WYDICE-DML-001 besteht aus einem partiell artikuliertem Skelett in welchem große Teile der vier Gliedmaßen, des Schwanzes und des Schädels erhalten sind. Das Exemplar war vermutlich adult oder subadult und fossilisierte in einer schlafähnlichen Position.
Federabdrücke sind direkt keine bekannt, aufgrund seiner Verwandtschaftsbeziehungen sind sie jedoch sehr wahrscheinlich. Der Hesperornithoides wird nämlich zu den Troodontiden gezählt, einer Gruppe gefiederter und meist kleiner Räuber. Sie send die Schwestergattung der wesentlich berühmteren Dromaeosauridae, zu welcher auch der Velociraptor zählte. Ähnlich wie dieser besaß auch der Hesperornithoides eine Sichelkralle an seinen Füßen.
Implikationen über Vogelevolution
Aufgrund seiner phylogenetisch und stratigraphisch ursprünglichen (basalen) Position hilft Hesperornithoides, den Ursprung der Gruppe Paraves zu verstehen. Aufgrund von Gattungen wie Microraptor gingen einige Wissenschaftler davon aus, dass bereits die gemeinsamen Vorfahren dieser Gruppe geflogen seien und klar flugunfähige Paraves aus der Kreidezeit diese Fähigkeit sekundär verloren haben. Hesperornithoides stellt dies in Frage. Aufgrund seiner verhältnismäßig kurzen Arme, war er wahrscheinlich ein reiner Bodenbewohner.
Seiner Erstbeschreibung liegt eine phylogenetische Analyse bei, die zum Schluss kommt, dass der gemeinsame Vorfahre aller Vögel am Boden lebte und flugfähige Nichtvogeldinosarier wie Microraptor oder Rahonavis diese Fähigkeit unabhängig von Vögeln entwickelten.
„Die meisten Dinge, die wir mit Vögel assoziieren – Flügel, Federn, etc. – entwickelten sich anscheinend in einem terrestrischen Kontext vor dem Ursprung des Fliegens.“
sagte Studienleiter Scott Hartman im selben National-Geographic-Interview
Bereits die Entdeckung der Spezies Yi qi demonstrierte relativ eindeutig, dass Dinosaurier das Fliegen mehrfach erlernt haben. Dies zeigt mal wieder, dass die Evolution selten wie eine gerade Leiter nach oben, sondern eher wie ein chaotischer Baum funktioniert.
Veröffentlichung:
Hartman S, Mortimer M, Wahl WR, Lomax DR, Lippincott J, Lovelace DM. 2019. A new paravian dinosaur from the Late Jurassic of North America supports a late acquisition of avian flight. PeerJ 7:e7247 https://doi.org/10.7717/peerj.7247
Weitere Quellen:
Pia Gaupels
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