“Kipppunkt” zur Wüstenbildung entdeckt

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Manche Umweltveränderungen sind graduell und lassen sich zum Beispiel durch Naturschutzmaßnahmen umkehren. Es gibt jedoch auch Veränderungen von Lebensräumen, die irreversibel sind. Insbesondere in trockenen Gebieten kann ein Absterben der ohnehin spärlichen Vegetation dazu führen, dass sich Wüsten bilden oder der Boden bei einem seltenen Starkregen verlorengeht. Einen solchen „Kipppunkt“ hat jetzt ein internationales Team von Forschenden um Johanna Menges, Doktorandin in der GFZ-Sektion Geomorphologie, im alten Königreich Mustang im Himalaya identifiziert. 

Bis vor zweitausend Jahren etwa waren die Böden im Kali Gandaki-Tal in Nepal intakt trotz der Besiedlung seit circa 5000 Jahren. Dann nahm der Druck durch menschliche Bewirtschaftung zu, es kam zu Abholzung und Überweidung. Als es vor 1600 Jahren zu einer länger anhaltenden Trockenheit kam, kippte das Ökosystem: Pflanzen verdorrten, Wasser riss tiefe Gräben in die Landschaft und die Böden wurden weggeschwemmt. Rasch bildeten sich „Badlands“, die bis heute Ödnis sind. Die Forschenden berichten darüber in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters

Weltweit leben rund zwei Milliarden Menschen in Trockengebieten. Kleine Veränderungen des Klimas oder der Landnutzung können große Auswirkungen auf die Stabilität von Böden und die Ernährungssicherheit haben. Im Falle des Hochlands in Nepal waren es eine 20-prozentige Minderung der Luftfeuchtigkeit und ein Rückgang des Niederschlags auf Werte unter 200 Millimetern pro Jahr. Vorangegangen war eine Nutzung der kargen Flächen durch Holzeinschlag und Viehwirtschaft. Heute besteht rund die Hälfte des Hochlands im Kali Gandaki-Einzugsgebiet aus „Badlands“ oder degradierten Böden. 

Übersicht über das Studiengebiet. (a) Karte mit dem oberen (N von Lete) und unteren (N von Mirmi) KG Einzugsgebiet und den beprobten modernen Böden (Diamanten). (b) Farb-Infrarot-Landsat 8-Bild des oberen KG-Tals, mit den Probenstandorten: Paläosolschnitte (rot), Bodenreste (orange), moderne Böden (violett), archäologische Stätten (grün) und Dörfer (blau). (c) Fotografie in SE, die die bereits bestehende glatte Landschaft im Hintergrund mit aktiven Schluchten zeigt, getrennt von einem großen Canyon, der mit der rückläufigen Erosion des KG-Flusses in Verbindung steht. (d) Darstellung der Schwebstoffkonzentration im Vergleich zum täglichen Abfluss des Flusses, gemessen in Lete (rot) 2011 bis 2012 und 2015 bis 2016 und Mirmi (blau) 2006 bis 2015. Die Punktfarbe zeigt die Jahreszeit an, die nummerierten offenen Kreise sind Monatsmittelwerte und die Striche 10% und 90% Quantile. (eingelassen) Monatliche Massenerosionseffizienz, berechnet als Verhältnis von Schwebstoffertrag (t/km2/Tag) und Abfluss pro Flächeneinheit (mm/Tag). (Ill.: s. Veröffentlichung)

Die Forscherinnen und Forscher verglichen für ihre Analyse heutige Erosionsraten mit der früheren Phase der Bodenbildung. Dazu untersuchten sie Sediment im Unterlauf der Flüsse aus dem Hochland und untersuchten Biomarker, molekulare Fossilien von Pflanzen in den Resten der Böden, die die Änderungen im Niederschlag aufzeichneten. 

Der Verlust der Böden und der Vegetation sei irreversibel, schließen die Forscherinnen und Forscher. Für das Untersuchungsgebiet ermittelten sie den Kipppunkt bei 200 Millimetern Niederschlag pro Jahr. Auch andere Trockengebiete könnten solche Schwellenwerte haben, so die Forschenden, wobei der exakte Wert aber je nach örtlichen Bedingungen variieren könne.

Wichtig ist, dass es nach dem Kippen keinen Weg zurück zu intakten Böden in der nahen Zukunft mehr gibt“, so Johanna Menges, selbst wenn es wieder etwas mehr regnen würde. (jz)


Veröffentlichung: Menges, J., Hovius, N., Andermann, C., et al., 2019. Late Holocene Landscape Collapse of a Trans-Himalayan Dryland: Human Impact and Aridification. Geophysical Research LettersDOI: 10.1029/2019GL084192

Quelle: off. Pm des GFZ Potsdam

Titelbildunterschrift: Regenschatten des Annapurna Massivs. Seltene Sommer-Regenfälle verursachen hohe Erosionsraten. (Foto: J. Menges, GFZ)


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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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