Ein 1941 beschriebener fossiler beblätterter Zweig aus dem frühen Eozän Patagoniens wird immer noch oft als ältestes Bambusfossil und als wichtigster fossiler Beweis für einen gondwanischen Ursprung des Bambus angeführt. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung von Dr. Peter Wilf von der Pennsylvania State University ergab jedoch die wahre Natur von Chusquea oxyphylla. Die jüngsten Ergebnisse zeigen, dass es sich hierbei in Wirklichkeit um eine Konifere handelt.
Die korrigierte Bestimmung ist deshalb von Bedeutung, da es sich bei dem fraglichen Fossil um das einzige noch erhaltene Makrofossil einer Bambuspflanze handeln soll, das vom früheren südlichen Superkontinent Gondwana stammt. Der älteste mikrofossile Nachweis von Bambus auf der nördlichen Hemisphäre gehört zum mittleren Eozän, während andere südamerikanische Fossilien nicht älter als das Pliozän sind.
In den letzten Jahrzehnten haben einige Wissenschaftler bezweifelt, dass es sich bei dem patagonischen Fossil wirklich um eine Bambus- oder gar Grasart handelt. Doch trotz seiner allgemeinen Bedeutung wurden moderne Nachuntersuchungen des ursprünglichen Exemplars nie veröffentlicht. Die meisten Wissenschaftler, die sich darauf bezogen, hatten lediglich die Möglichkeit, ein Foto zu untersuchen, das in der Originalveröffentlichung von 1941 von den berühmten argentinischen Botanikern Joaquín Frenguelli und Lorenzo Parodi aufgenommen worden war.
In seiner kürzlich durchgeführten Untersuchung des Holotypus im Museo de La Plata, Argentinien, stellte Dr. Peter Wilf fest, dass das Fossil weder Angehörigen der Gattung Chusquea noch irgendeinem anderen Bambus ähnelt.
“Es gibt keine Hinweise auf bambusartige Knoten, Schalen oder Ligula. Bereiche, die irgendwelchen Bambusmerkmalen ähneln können, bestehen nur aus den gebrochenen Ausgangspunkten der vom Zweig abweichenden Blattbasis. Die nach unten gerichteten, weitgehend umklammernden Blätter sind ganz anders als die charakteristisch pseudopetiolischen Blätter des Bambus und die heterofaktisch verdrehten freien Blattbasen kommen bei keinem Bambus oder Gras vor”, schrieb Dr. Wilf.
Stattdessen verband Wilf den Holotyp mit den kürzlich beschriebenen Fossilien der Koniferengattung Retrophyllum aus derselben Fossilienfundstelle – den üppigen fossilen Flächen der Laguna del Hunco in der Provinz Chubut, Argentinien. Er passt genau zu der artspezifischen fossilen Blattform von Retrophyllum spiralifolium, die auf der Grundlage eines großen Datensatzes beschrieben wurde. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von 82 Exemplaren, die sowohl aus der Laguna del Hunco als auch aus dem früheozänen Fundort Río Pichileufú in der Provinz Río Negro gesammelt wurden.
Retrophyllum ist eine Gattung von sechs rezent existierenden Arten von Regenwaldkoniferen. Ihr Lebensraum liegt sowohl in den Neotropen als auch im tropischen Westpazifik.
Die gesammelten Belege bestätigen eindeutig, dass Chusquea oxyphylla nichts mit dem Bambus gemein hat. Daher muss sie umbenannt werden.
Unter Beibehaltung der Priorität des älteren Namens kombinierte Wilf Chusquea oxyphylla und Retrophyllum spiralifolium zu Retrophyllum oxyphyllum.
Der Ausschluss einer lebenden Bambusgattung von der allgemeinen Pflanzenliste für das Eozän-Patagonien schwächt das biogeographische Signal der spätgondwanischen Vegetation Südamerikas, die bereits viel stärkere Bindungen zu den rezent lebenden Pflanzen des tropischen Westpazifiks zeigte.
Das stärkste im Eozän-Patagonien verbliebene „Neue Welt“-Signal, das auf gut beschriebene Makrofossilien beruht, stammt von fossilen Früchten der Physalis (einer Gattung von Blütenpflanzen einschließlich Tomatenillos und gemahlener Kirschen), die eine vollständig amerikanische Gattung ist, schlussfolgert Dr. Wilf.
Veröffentlichung: Peter Wilf, Eocene “Chusquea” fossil from Patagonia is a conifer, not a bamboo, PhytoKeys (2020). DOI: 10.3897/phytokeys.139.48717
Quelle: off. Pm der Pennsylvania State University
Titelbildunterschrift: Der Holotypus der Art Retrophyllum oxyphyllum (Komb.. nov.), die früher als der älteste bekannte Bambus galt. (Foto: Peter Wilf)
Pia Gaupels
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