Neue Erdgas-Fresser an heißen Quellen entdeckt

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Forschende des Bremer Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie haben an heißen Quellen in der Tiefsee Mikroben entdeckt, die sich von Ethan ernähren. Ihnen gelang es auch, diese Mikroben im Labor zu züchten. Besonders bemerkenswert: Der Mechanismus, mit dem sie das Ethan abbauen, ist umkehrbar. Das könnte in Zukunft ermöglichen, mithilfe der Mikroben den Energieträger Ethan zu gewinnen. Ihre Ergebnisse erscheinen nun im Fachmagazin mBio.

Anders als Tiere, die nur Proteine, Kohlenhydrate und Fette verdauen, ernähren sich Mikroorganismen auch von einer Vielzahl anderer organischer Verbindungen. Selbst vor Erdgas machen sie keinen Halt. Forschende aus Bremen haben nun in der Tiefsee eine Mikrobe entdeckt, die Ethan frisst, welches mit einem Anteil von bis zu 15% der zweithäufigste Bestandteil in Erdgas ist.

Leben im Extremen

Die Forschergruppe um Gunter Wegener vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie entdeckte in Zusammenarbeit mit Forschern anderer Institute die bisher unbekannten Mikroben im Meeresboden des Guaymas-Beckens in 2000 Metern Wassertiefe im Golf von Kalifornien. „Das Guaymas-Becken ist ein natürliches Labor, in dem es von neuen Arten nur so wimmelt“, so Wegener. „Verantwortlich für diese außerordentliche Vielfalt sind tief aus der Erde ausströmende heiße Fluide, die ganz unterschiedliche Arten anlocken. Wir haben schon viele Organismen aus diesem Lebensraum beschrieben.“

Teamwork beim Erdgasabbau

Manche Erdgasbestandteile wie Propan oder Butan können alleine durch Bakterien abgebaut werden. Um jedoch die Hauptbestandteile von Erdgas – Methan und Ethan – abzubauen, sind nach heutigem Forschungsstand zwei unterschiedliche Organismen notwendig, die ein sogenanntes Konsortium bilden: Archaeen, die das Erdgas abbauen, und Bakterien, die die dabei freigesetzten Elektronen mit Sulfat verbinden, welches im Meer reichlich vorhanden ist. Die biochemischen Prozesse in den Konsortien im Labor zu untersuchen, war jedoch bisher äußerst mühsam: Diese Organismen wachsen sehr langsam und teilen sich nur alle paar Monate. Daher war immer nur wenig Biomasse vorhanden. 

Laser-scanning mikroskopische Aufnahme des Ethanabbauers Ethanoperedens thermophilum (rot) und seines Partnerbakteriums Desulfofervidus auxilii (grün). Zur Identifizierung und Visualisierung werden die Organismen mit einer fluoreszenzmarkierten Gen-Sonde spezifisch eingefärbt. Der weiße Balken entspricht 10 µm. Im Labor bilden sich Konsortien bis zu einer Größe von mehreren 100 µm im Durchmesser.
(© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie/Cedric Hahn)

Erstmals in Laborkultur 

Bei den nun entdeckten wärmeliebenden Ethanabbauern ist das anders: „Diese Konsortien wachsen sehr viel schneller“, berichtet Cedric Hahn, Doktorand am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und Erstautor der Studie. Die Zellen verdoppeln sich jede Woche. „Die Laborkulturen halten mich ganz schön auf Trab. Aber so haben wir endlich genug Biomasse für umfangreiche Analysen. So konnten wir zum Beispiel wichtige interzelluläre Zwischenprodukte des Ethanabbaus bestimmen. Außerdem veröffentlichen wir in dieser Studie das erste vollständige Genom einer erdgasabbauenden Archaee.“ 

Die neu entdeckte Archaee bekam den Namen Ethanoperedens thermophilum, was soviel bedeutet wie „der wärmeliebende Ethanesser“. Ihre Partnerbakterien sind alte Bekannte aus anderen Konsortien. Katrin Knittel, die schon seit der Entdeckung der ersten methanabbauenden Konsortien an dem Thema arbeitet, merkt an: „Gensequenzen dieser Archaeen haben wir zuvor schon an vielen Tiefseequellen gefunden. Jetzt kennen wir endlich ihre Funktion.“

Archaeen könnten auch Kohlendioxid in Ethan umwandeln

Die Forschenden machten noch eine weitere Entdeckung: Der Ethanabbau dieser Mikrobe ist reversibel, also umkehrbar. Verwandte von Ethanoperedens könnten also aus Kohlendioxid Ethan erzeugen. Das ist hochinteressant für biotechnologische Anwendungen. Das Team um Wegener ist nun auf der Suche nach solchen Organismen. Außerdem wollen sie in Zusammenarbeit mit Kollegen Mikroben, die Methan bilden, zu Ethanbildnern umbauen. „Noch sind wir aber nicht so weit, alle Schritte des Ethanabbaus zu verstehen“, betont Rafael Laso Pérez, der seine Doktorarbeit über Butangas-abbauende Archaeen gemacht hat. „Zurzeit untersuchen wir, wie Ethanoperedens so effizient arbeiten kann. Wenn wir dessen Tricks verstehen, könnten wir im Labor neue Archaeen züchten, mit denen man Rohstoffe gewinnen kann, die zurzeit noch aus Erdgas extrahiert werden müssen.“

So hätten die hier beschriebenen Mikroben sogar doppelte Bedeutung für den globalen Kohlenstoffkreislauf und die steigende Kohlendioxidkonzentration in unserer Atmosphäre: Einerseits nutzen sie in der Tiefsee Ethan und verhindern so, dass dieses Gas an die Luft gelangt. Andererseits könnten sie eine Lösung bieten, wie die Industrie ihren Kohlenstoffausstoß verringern kann. „Das ist noch Zukunftsmusik“, so Wegener. „Aber wir forschen weiter. Und eines ist klar: Man darf die kleinsten Bewohner des Meeres nicht unterschätzen!“


Veröffentlichung: Cedric Jasper Hahn, Rafael Laso-Pérez, Francesca Vulcano, Konstantinos-Marios Vaziourakis, Runar Stokke, Ida Helene Steen, Andreas Teske, Antje Boetius, Manuel Liebeke, Rudolf Amann, Katrin Knittel, Gunter Wegener (2020): Candidatus Ethanoperedens, a thermophilic genus of archaea mediating the anaerobic oxidation of ethane. mBio. 
DOI:10.1128/mBio.00600-20

Quelle: off. Pm des Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Titelbildunterschrift: Tauchgang im Golf von Mexiko: Mit dem Tauchboot ALVIN konnten die Bremer Forscher den Meeresboden erreichen. Dort nutzen sie ALVINs Greifarm, um Sedimentkerne aus dem Meeresboden zu sammeln. Weißlich-orange gefärbte mikrobielle Matten aus schwefeloxidierenden Bakterien zeigen heiße Quellen an, an denen besonders viel Methan und andere energiereiche Verbindungen ausströmen. (© Woods Hole Oceanographic Institution)


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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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