Körper eines Theropoden, Schwanz eines Molchs: Wie der Spinosaurus sich im Wasser fortbewegte.

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Hypothesen, nach welchen die Dinosaurier ihre schweren Körper nur im Wasser tragen konnten gelten heute als veraltet. Dennoch gibt es eine Dinosaurier-Art, bei welcher sich Forscher nicht sicher sind, ob sie aquatisch oder terrestrisch war. Diese Art ist der ungewöhnliche Spinosaurus aegyptiacus. Die Beschreibung eines neuen Schwanzfossils aus Marokko hilft jedoch, diese Frage zu klären.

Ob der Spinosaurus aegyptiacus aquatisch, semi-aquatisch oder terrestrisch war und in welchen Ausmaßen gehört zu den intensivsten Debatten in der jüngsten Dinosaurier-Paläontologie. Angeheizt wurde die Debatte im Jahr 2014 durch die Beschreibung eines gut erhaltenen Neotypus-Skeletts aus Marokko durch Nizar Ibrahim und Kollegen. Die Autoren behaupteten, der Spinosaurus sei ein stark aquatisches Tier, welches ähnlich viel Zeit im Wasser wie beispielsweise ein Krokodil verbrachte. Spätere Autoren, wie der Paläontologe Donald Henderson, bestritten dies. Sie behaupteten stattdessen, der Spinosaurus würde zwar viel Zeit nahe Gewässern verbringen, aber ähnlich wie ein Bär oder Storch lediglich durchs Wasser waten und auf Fische warten. Der Neotypus aus Marokko war zu schlecht erhalten, um diese Frage eindeutig zu beantworten.

Daher kehrte Nizar Ibrahim im Jahr 2018 mit zahlreichen Kollegen nach Marokko in die Kem-Kem-Betten zurück, um dort nach weiteren Funden zu suchen. Im April 2020 wurde dann eine Studie Autors verfasst, welche einen aufschlussreichen Fossilfund der Forscher beschreibt. Sie stießen auf Schwanzwirbel.

Die gefundenen Wirbel erhalten 80% der ursprünglichen Schwanzlänge und gehörten wahrscheinlich zum gleichen Neotyp, welcher bereits 2014 in der gleichen Lokalität beschrieben wurde. Dies bekräftigt die These, dass der Neotypus echt ist und keine Chimäre darstellt. Noch bedeutsamer ist jedoch die Struktur des Schwanzes.

Der Schwanz ist mit dünnen Dornfortsätzen und Chevronknochen ausgestattet, die mehr als einen halben Meter lang sind. Diese Fortsätze verleihen dem Schwanz ein seitlich abgeflachtes Profil, was an ein Ruder oder eine Flosse erinnert. Ein solches Profil ist stark ungewöhnlich für einen Theropoden und weist mehr Ähnlichkeiten mit der Anatomie eines Krokodils oder Molchs auf.

Dies war praktisch ein Dinosaurier, der versuchte, einen Fisch-Schwanz zu bauen.

sagte Nizar Ibrahim dem NationalGeographic.

Mit einem robotischen Schlagapparat simulierten die Forscher die Effektivität des Schwanzes von Spinosaurus. Sie fanden heraus, dass er deutlich besser zur Fortbewegung im Wasser geeignet war, als der von anderen Theropoden. Er war nur marginal weniger effektiv, als Schwänze heutiger zum Vergleich herangezogener aquatischer Tetrapoden (dem Nilkrokodil und dem Donau-Kammmolch). Seine Schwanzmorphologie verlieh dem Spinosaurus Stabilität und schützte ihn davor, beim Schwimmen umzukippen.

Diese Befunde stützen das Bild des Spinosaurus als Raubtier, welches viel Zeit im Wasser verbrachte und dort seine Beute jagte.

Dieser Dinosaurier jagte seine Beute aktiv in der Wassersäule und stand nicht lediglich in seichten Gewässern, wo er auf Fische wartete. Er verbrachte vermutlich die meiste Zeit seines Lebens im Wasser.

sagte Ibrahim den Live Sciences.

Die Kem-Kem-Betten deuten auf ein fluviales Deltasystem hin, welches von Lungefischen, Sägerochen, Quastenflossern, großen Krokodilen und großen Raubsauriern bewohnt wurde. Es gab relativ wenige terrestrische Pflanzenfresser, weshalb diese vermutlich keine lukrative Nahrungsquelle für den Spinosaurus darstellten. Dies und die Konkurrenz mit anderen terrestrischen Räubern interpretieren die Forscher als Grund für die Anpassungen des Spinosaurus an ein semi-aquatisches Leben. Seine Größe diene demnach als Konkurrenzvorteil gegenüber den zahlreichen anderen aquatischen Jägern.

Andere Spinosauriden zeigen ebenfalls Anpassungen an ein semi-aquatisches Leben, auch wenn diese wahrscheinlich nicht so ausgeprägt wie beim Spinosaurus waren.

Fest steht jedoch, dass die Spinosauriden weit verbreitet waren und über 50 Millionen Jahre lang existierten, was zeigt, dass ein semi-aquatischer Lebensstil in der Kreidezeit eine erfolgreiche Überlebensstrategie für Dinosaurier gewesen sein muss. 

Literatur:

Ibrahim, N., Sereno, PC., Dal Sasso, C. et al. Semiaquatic adaptations in a giant predatory dinosaur. Science (2014). 345 (6204): 1613–6. Bibcode:2014Sci…345.1613I. https://doi.org/10.1126/science.1258750. PMID 25213375.

Henderson, D.M. A buoyancy, balance and stability challenge to the hypothesis of a semi-aquatic Spinosaurus Stromer, 1915 (Dinosauria: Theropoda). PeerJ (2018). 6: e5409. doi:10.7717/peerj.5409. PMC 6098948. PMID 30128195.

Ibrahim, N., Maganuco, S., Dal Sasso, C. et al. Tail-propelled aquatic locomotion in a theropod dinosaur. Nature (2020). https://doi.org/10.1038/s41586-020-2190-3

Quellen für Interviewaussagen (frei übersetzt):

https://www.nationalgeographic.com/science/2020/04/first-spinosaurus-tail-found-confirms-dinosaur-was-swimming/

https://www.livescience.com/spinosaurus-first-swimming-dinosaur-discovered.html

http://www.sci-news.com/paleontology/spinosaurus-aegyptiacus-aquatic-dinosaur-08381.html

Beitragsbild:

Lebendrekonstruktion des Spinosaurus aegyptiacus auf Basis neuer Funde. ©Mario Lanzas

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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