Neues Reptil aus Baden-Württemberg: Cousins der Archosaurier ernährten sich vielseitig

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Archosaurier, die gemeinsame Gruppe von Krokodilen, Pterosauriern, Dinosauriern und Vögeln, traten erstmals in der Trias auf. Neben den eigentlichen Archosauriern lebten in der Trias auch noch ihre nächsten Verwandten, allesamt Mitglieder der Archosauriformes. Ein Team von WissenschaftlerInnen aus Deutschland und den USA konnten nun eine neue Art dieser Archosauriformes aus der Mitteltrias von Deutschland identifizieren. Die Zähne der neuen Art sprechen dafür, dass es sich dabei wahrscheinlich um einen Allesfresser handelte.

Der letzte gemeinsame Vorfahre der Krokodile und Vögel, und damit gleichzeitig der erste Archosaurier, tauchte aller Wahrscheinlichkeit nach kurz nach dem großen Massenaussterben an der Perm/Trias-Grenze (vor ca. 252 Millionen Jahren) auf. Zur etwa gleichen Zeit verbreiteten sich auch mehrere mit den Archosauriern verwandte Gruppen über den Globus, die zusammen mit den Archosauriern die Gruppe der Archosauriformes bilden. Diese “Cousins” der Archosaurier waren oftmals Fleisch- und Insektenfresser, einige davon waren große Landräuber, andere wiederum sahen Krokodilen zum Verwechseln ähnlich. Ein Team von WissenschaftlerInnen um Hans-Dieter Sues von den Museen in Washington, D.C., Stuttgart und Salt Lake City hat jetzt eine neue Art kleinwüchsiger Archosauriformes aus der Mitteltrias von Baden-Württemberg beschrieben, die im Gegensatz zu ihren größeren Verwandten wohl ein Allesfresser war.

Die neue Polymorphodon adorfi genannte Art wurde im Journal of Vertebrate Paleontology vorgestellt. Der Name Polymorphodon bedeutet “vielfältig geformte Zähne” und adorfi bezieht sich auf Norbert Adorf, den langjährigen Fossilienpräparator des Museums in Stuttgart. Die fragmentarischen Reste von Polymorphodon stammen aus einem tonigen Sediment aus dem Gemeindegebiet des baden-württembergischen Vellberg (Landkreis Schwäbisch Hall). Die Fundschicht wird dabei auf die späte Mitteltrias (vor ca. 240 Millionen Jahren) datiert. Erhalten sind vor allem Reste des Schädels samt Zähnen sowie einzelne Knochen des Schwanzes, Beckens und der Hinterläufe. Und wie der Name es sagt, sind es vor allem die Zähne, welche Polymorphodon für die WissenschaftlerInnen um Sues so interessant machen.

Wie bei den meisten anderen frühen Archosauriformes waren die Zähne von Polymorphodon spitz zulaufend. Auffällig sind jedoch die großen Unterschiede der Zähne untereinander. Die Zähne im vorderen Oberkiefer von Polymorphodon (am sogenannten Zwischenkieferknochen) sind lang und kegelförmig. Im hinteren Oberkiefer hingegen sind sie seitlich abgeflacht und an den beiden Schneidkanten befinden sich “Sägezähne” (Dentikel genannt). Diese Dentikel stehen von den Zähnen in einem schrägen Winkel ab, anstatt senkrecht zu den Zähnen orientiert zu sein wie sie es bei vielen anderen Tieren mit ähnlichen Zähnen tun. Sues et al. vergleichen diese Zahnform mit den Zähnen des triassischen Dinosauriers Plateosaurus. Dieser wurde ebenfalls in Deutschland gefunden und stand in der Stammlinie der riesigen langhalsigen Sauropoden. Ähnliche Zähne fänden sich auch beim heutigen Grünen Leguan. Genauso wie wahrscheinlich Plateosaurus und seine Verwandten ist dieser ein vorwiegender Pflanzenfresser und ernährt sich somit unterschieldich als die meisten Verwandten von Polymorphodon. Daraus schlussfolgern Sues et al., dass die neue Art ebenfalls kein vorwiegender Fleischfresser war, sondern, dass es sich bei Polymorphodon zumindest um einen Allesfresser gehandelt haben muss.

Polymorphodon erweitert damit unser Verständnis von der Ökologie der frühen Archosauriformes und könnte dabei auch erst der Anfang einer ganzen Reihe ähnlicher Entdeckungen sein. Zahnfunde ähnlich zu denen von Polymorphodon sind bereits aus der obertriassischen Chinle-Formation in den USA nachgewiesen. Polymorphodon adorfi teilte sich seinen Lebensraum im Gebiet des heutigen Vellberg mit einer Reihe anderer Archosauriformes wie dem semi-aquatischen Räuber Jaxtasuchus salomoni sowie dem großen landlebenden Stamm-Krokodil Batrachotomus kupferzellensis.

Veröffentlichung: Sues, H. D., Schoch, R. R., Sobral, G., & Irmis, R. B. (2020). A new archosauriform reptile with distinctive teeth from the Middle Triassic (Ladinian) of Germany. Journal of Vertebrate Paleontology, e1764968.

Titelbildunterschrift: Lebendrekonstruktion von Euparkeria capensis, einem nahen Verwandten von Polymorphodon. Bild Nobu Tamura unter CC BY-SA 4.0.

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Pascal Abel

Pascal Abel, Jahrgang 1994, hat an der Uni Erlangen Geowissenschaften mit den Vertiefungen Paläobiologie und Angewandter Sedimentologie studiert. Derzeit arbeitet er als Doktorand am SHEP Tübingen über die Schädelevolution von Landwirbeltieren. Nebenbei beschäftigt er sich auch mit ausgestorbenen Meeresreptilien und allgemein palökologischen Themen.

Über Pascal Abel

Pascal Abel, Jahrgang 1994, hat an der Uni Erlangen Geowissenschaften mit den Vertiefungen Paläobiologie und Angewandter Sedimentologie studiert. Derzeit arbeitet er als Doktorand am SHEP Tübingen über die Schädelevolution von Landwirbeltieren. Nebenbei beschäftigt er sich auch mit ausgestorbenen Meeresreptilien und allgemein palökologischen Themen.

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