Älteste seismologische Beweise für die Plattentektonik aus dem Proterozoikum (~ 2 Milliarden Jahre vor heute)

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Die Plattentektonik bzw. das Modell für ein erdumspannendes Netzwerk von Plattenrändern, den dazugehörigen dynamischen, kontinentalen Platten und den geologischen Phänomenen, die ihr zu Grunde liegen, gilt spätestens seit dem Ende der 60er Jahre in den Erdwissenschaften als anerkannt und mehrfach für bewiesen. Einige Fragen beschäftigt die Wissenschaft allerdings heute noch. Wissenschaftler aus China, Australien und Deutschland haben sich mit der immer noch ungeklärten Frage des anfänglichen Einsetzens einer globalen Plattentektonik, die den aktuellen, globalen, dynamischen Prozessen der Erdkruste ähneln, beschäftigt. Nun hat man im früheren Proterozoikum (2,5 – 0,541 Milliarden Jahre vor heute), genauer gesagt im Orosirium (2,05 – 1,8 Milliarden Jahre vor heute), möglichweise Indizien für den Beginn der modernen Plattentektonik entdeckt.

Grundsätzlich gilt es zwischen zwei Fragen zu unterscheiden. Erstens: Wann fand das erste Mal lokale Subduktion, also das Rückführen bzw. das Recyceln von tektonischen Platten in den Erdmantel in erdgeschichtlicher Hinsicht statt? Zweitens: Ab wann kam es zu global auftretender Subduktion, also zu erdumspannenden, plattentektonischen Prozessen? Die erste Frage ist sehr viel schwieriger eindeutig zu beantworten, während für Letztere einige konkrete Indizien gefunden wurden.

Die ältesten Bereiche der Erdkruste sind kontinentale Kratone. Diese meist zentralen und äußerst stabilen Bereiche unserer heutigen Kontinente weisen häufig Spuren von verschiedensten Gebirgsbildungen und anderen geologischen  Prozessen auf. Solche Spuren sind einerseits Gesteine an der Krustenoberfläche, die Rückschlusse auf Gebirgsbildung zulassen und andererseits seismische Profile, die den lithosphärischen Untergrund des Kratons zeigen. Unter der Lithosphäre versteht man die Erdkruste plus den äußeren Erdmantel. Dieser Erdteil verhält sich per Definition bei mechanischer Beanspruchung brüchig, starr und elastisch. Deshalb können Erdbeben nur innerhalb der Lithosphäre entstehen. Darunter liegt die Asthenosphäre bzw. der untere Erdmantel. Diese verhält sich per Definition bei mechanischer Beanspruchung plastisch. 

Nichtsdestotrotz muss man sich dessen bewusst sein, dass geologisch betrachtet mehrere geologische Events am selben Ort und Stelle sequenziell hintereinander folgen können und somit ältere Events überprägt werden. Ein solches Event kann z.B. ein Vulkanausbruch sein, dessen magmatischen Gesteine anschließend durch ein zweites Event z.B. Metamorphose überprägt werden. Dadurch sind zuverlässigere Indizien nur für das chronologisch zuletzt stattgefundene Ereignis auffindbar. Ältere Gesteine, die zur Rekonstruktion des geologischen Settings dienen könnten, sind häufig überprägt und wenn überhaupt nur indirekt zur Rekonstruktion der früheren Erdgeschichte hilfreich.

Im Orosirium (2,05 – 1,8 Milliarden Jahre vor heute) des Paläoproterozoikum (2,5 – 1,6 Milliarden Jahre vor heute) finden Wissenschaftler in seismischen Profilen und den Gesteinen an der Erdoberfläche vermehrt Indikatoren dafür, dass Gebirgsbildungen exakt in dieser Zeit an den meisten größeren Kontinenten der Erde stattfanden. In diesem Paper haben sich die Forscher mit der Analyse des Ordos Blocks beschäftigt. Dabei handelt es sich um einen Teil des westlichen Nordchinesischen Kratons. Dieser Kraton zeigt besonders im westlichen Bereich, bzw. innerhalb des Ordos Blocks langfristige tektonische Stabilität und keine bis wenig magmatische und metamorphe Aktivitäten. Darüber hinaus gibt es keine Indizien dafür, dass das Untersuchungsgebiet durch das kontinentale Auseinanderbrechen des neoproterozoischen (1,0 – 0,541 Milliarden Jahre vor heute) Superkontinents Rodinia beeinflusst wurde. Deshalb ist dieser Bereich ideal um nach Relikten von paläoproterozoischen Strukturen, die für plattentektonische Aktivitäten in diesem Erdzeitalter sprechen, zu suchen.

Abbildung 1: Der tektonisch unbeeinflusste Ordos Block des Nordchinesischen Kratons; die grüne Linie markiert das seismische Profil des Untergrunds, rote Sterne markieren paläoproterozoische Gesteine mit Hochdruck-Niedrigtemperatur Signatur (https://advances.sciencemag.org/content/advances/6/32/eabc5491/F1.medium.gif)

Ergebnisse erhoffte man sich durch ein dicht angelegtes Netz von Seismometern im Nordchinesischen Kraton. Durch die seismischen Messungen konnten die Forscher den Untergrund des Ordos Blocks, genauer gesagt die Geometrie Mohorovičić-Diskontinuität (häufig abgekürzt als Moho) untersuchen. Diese markiert die mineralogische und seismische Grenze zwischen dem Erdmantel und der Erdkruste.

Die Geometrie der Moho unterhalb des Ordos Blocks und dem Khondalit Gürtel im Norden des Untersuchungsgebiets weißt stellenweise deutliche Ähnlichkeit mit der Geometrie der modernen Subduktionszone unterhalb des känozoischen (66 – 0 Millionen Jahre vor heute) Himalaya Plateaus auf. Die nach Norden einfallende Moho stellt laut den Wissenschaftlern das Relikt einer paläoproterozoischen Subduktionszone dar. Diese Erkenntnis spricht dafür, dass im Paläoproterozoikum (2,5 – 0,541 Milliarden Jahre vor heute) idente plattentektonische Bedingungen vorherrschten, wie wir sie heute z.B. zwischen dem eurasischen- und indischen Kontinent vorfinden. Laut den Entstehungsaltern der Hochdruck-Niedertemperatur Gesteine im metamorphen Khondalit Gürtel ist diese Subduktionszone ungefähr 2 Milliarden Jahre alt, also zählt sie geochronologisch zum Orosirium (2,05 – 1,8 Milliarden Jahre vor heute).

Darüber hinaus konnten die Forscher weitere Indizien präsentieren, die für das Bestehen eines älteren Superkontinents aus paläoproterozoischer Zeit sprechen. Dieser Superkontinent wird Nuna genannt und verbindet im Paläoproterozoikum (2,5 – 0,541 Milliarden Jahre vor heute) laut Modell den baltischen-, den sibirischen- und nun auch den nordchinesischen Kraton mit Laurentia (nordamerikanischer- und grönländischer Kraton). Damit es zur Bildung eines solchen Superkontinents kommen kann, müssen plattentektonische Verhältnisse vorherrschen, wie sie heute zu finden sind. An anderen Orten der Erde, wie z.B. Sibirien, am baltischen Schild (Skandinavien) oder am kanadischen Schild findet man Gesteine, die für den postulierten Superkontinent Nuna sprechen. Die Rede ist von Gesteinen aus Gebirgszügen, die eine für Subduktionszonen charakteristische Hochdruck-Niedertemperatur-Metamorphose zeigen, sowie Ophiolithe (Teile ehemaliger ozeanische Kruste, die durch Überschiebungen in Gebirgen zu finden sind). Allerdings sind laut den Wissenschaftlern genauere seismische Profile des Untergrunds dieser Kratone nötig, um den Superkontinent Nuna besser rekonstruieren zu können.

Abbildung 2: Rekonstruktion des paläoproterozoischen Superkontinents Nuna (https://advances.sciencemag.org/content/advances/6/32/eabc5491/F5.large.jpg?width=800&height=600&carousel=1)

 Zusammenfassend lässt sich laut den Forschern mit Zuversicht behaupten, dass im Orosirium (2,05 – 1,8 Milliarden Jahre vor heute) des Paläoproterozoikum (2,5 – 1,6 Milliarden Jahre vor heute) plattentektonische Prozesse, wie wir sie aktuell beobachten können, bereits dominierten. Diese Erkenntnis hat Auswirkungen auf die thermale Geschichte der Erde. Das Einsetzen der Plattentektonik bzw. der Subduktion von Lithosphärenplatten um ~ 2 Milliarden Jahre vor heute steht im Zusammenhang mit sekundärer, planetarer Mantelabkühlung einerseits, ausgelöst durch zunehmende Mantelkonvektion und andererseits, verstärkt durch direkte Abkühlung an Mittelozeanischen Rücken (Tiefseegebirgszone zwischen zwei Lithosphärenplatten, bestehend aus frisch entstandenen basaltischem Gestein). Diese Fakten stimmen mit der Beobachtung überein, dass im Archaikum bzw. vor dem Orosirium (2,05 – 1,8 Milliarden Jahre vor heute) sekundäre Mantelabkühlung keine Bedeutung hatte und Niedrigtemperatur metamorphe Gesteine erst langsam an Bedeutung gewannen.

Veröffentlichung: Bo Wan, Xusong Yang, Xiaobo Tian, Huaiyu Yuan, Uwe Kirscher & Ross N. Mitchell (2020): Seismological evidence for the earliest global subduction network at 2 Ga ago. Science Advances; DOI: 10.1126/sciadv.abc5491

Quelle: off. PM der Chinese Academy of Sciences

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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