Geologen wollen das “Anthropozän” einläuten

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Tunnel

Quelle: lochstein.de

Dass der Mensch die Erde seit Jahrtausenden stark verändert und gewissermaßen dominiert ist unbestreitbar. Doch reicht das aus, um ein neues Erdzeitalter zu begründen? Geologen des Internationalen Geologischen Kongresses präsentieren sechs Gründe, die die Einführung des Anthropozäns legitimieren sollen.

Anthropozän – Das “Zeitalter des Menschen”. Ist es wirklich schon so weit gekommen, dass unsere Spezies gravierende geologische Spuren auf der Erde hinterlässt? Wissenschaftler des Internationalen Geologischen Kongresses sprachen sich in Kapstadt, Südafrika, mit einer großen Mehrheit (34 von 35 Arbeitsgruppen) für die Einführung des neuen Begriffs aus. Sollte die geologische Zeitskala wirklich abgeändert werden, so wäre das Holozän (vor 12.000 Jahren bis Heute) bereits Mitte des 20. Jahrhunderts beendet.

Der US-Amerikanische Biologe Eugene Stoermer und der niederländische Meteorologe Paul Crutzen verwendeten den Begriff des “Anthropozäns” als Erste, in der Wissenschaft hingegen wurde er bisher nur inoffiziell gebraucht. Zu umstritten war der Beginn des neuen Zeitalters: Die Entstehung der ersten Hochkulturen, die Entdeckung Amerikas oder die Industrielle Revolution? Die Geologen in Kapstadt legten nun sechs wichtige, weltverändernde Faktoren fest:

1. Oberfläche

Rund 3/4 der Erdoberfläche seien künstlich umgestaltet, meint der Geograph Erle Ellis von der University of Maryland. Sei es durch Rodung und Urbarmachung, Steinbrüche oder Straßen. Nur noch knapp 23% unberührte Wildnis soll vorhanden sein.

2. Rohre

Unter unseren Füßen befinden sich Tunnel aller Art: Für Strom- und Wasserversorgung, Bahnbetrieb in Städten und zum Teil auch alte Gänge, die kaum jemand mehr kennt. Geoforscher Mark Williams: “Tunnel und Leitungen bestehen vermutlich länger als oberirdische Bauten; sie sind Werke der Menschheit, die Jahrmillionen überdauern, mithin quasi ewig währen.

3. Bergbau

Tausende Kilometer Stollen ziehen sich vor Allem im Ruhrgebiet durch die Erde. Über die Jahrhunderte trugen die Menschen Kohle und seltene Erden ab und verursachten so – ähnlich der Bioturbation grabender Organismen – Spuren im Gestein. Vereinzelt kommt es zur Entfestigung der darüberliegenden Schichten und zum Einsturz der Stollen, begleitet von einem ‘milden’ Erdbeben.

4. Bohrungen

Ähnlich den meist waagrechten Tunnelbohrungen werden der Erde auch senkrecht Proben entnommen, die sich in der Gesteinsfolge  wiederspiegeln.

5. Deponien

Endlager für radioaktive und chemische Abfälle, Zivilisationsmüll und bald auch in Gestein eingebrachtes Kohlenstoffdioxid – All das schlägt sich unmittelbar im Umgebungsgestein nieder.

6. Atomtests

Der Atombombentest am Bikini-Atoll war kein Einzelfall. In schöner Regelmäßigkeit testen Wissenschaftler die Sprengkraft von Atomwaffen – unterirdisch, um die Belastung für die Menschheit so gering wie möglich zu halten. Ob dieser Plan aufgeht, zeigt sich wohl erst in ferner Zukunft.

Neben genannten Punkten zählen Geologen auch die Verbreitung von Plastik und Leichtmetallen, die großräumige Veränderung des Kohlenstoffkreislaufs und die globale Verbreitung von Tier- und Pflanzenarten.

Mülldeponie

Mülldeponie

Von der Idee des neuen Zeitalters sind jedoch bei Weitem nicht alle Geologen überzeugt. Kritiker nennen die Dauer des Holozäns, die in geologischen Maßstäben extrem kurz wäre, unverhältnismäßig. Weiterhin hätten sich menschliche Aktivitäten nicht überall gleichzeitig niedergeschlagen; einige Kontinente seien erst viel später kultiviert worden als andere. Außerdem könnte man – selbst wenn man wollte – keine exakte Trennlinie zwischen Holozän und Anthropozän formulieren, da der Einfluss des Menschen bereits seit Beginn des Holozäns nachweisbar ist.

Bevor das Anthropozän tatsächlich Einzug hält, gibt es also noch reichlich Gesprächsbedarf.

   

   

Quelle: Spiegel Online, Spiegel Wissenschaft


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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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