Ein neuer Megalosauridae aus dem Callovium Westfalens

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Torvosaurus gurneyi. Bild aus Hendrickx & Mateus 2014

Torvosaurus gurneyi aus dem Kimmeridgium der Lourhinha-Formation in Portugal, ein naher Verwandter des neu entdeckten Wiehenvenator. Bild aus Hendrickx & Mateus 2014

Das jurassische Europa wird in der Paläontologie wohl mehr mit Meeresreptilien und eher weniger mit großen Raubsauriern verbunden. Doch eine ganze Reihe von Theropodenfunden enthüllen dennoch eine beachtliche Vielfalt, insbesondere bei den Megalosauridae des mittleren Jura. Mit Wiehenvenator albati beschrieben Rauhut und Kollegen kürzlich das wohl neueste Mitglied dieser Theropodenfamilie und einen der größten Landräuber Europas.

1998 entdeckte Friedrich Albat auf Erkundung im Auftrag des Naturkundemuseums Münster in einem aufgelassenen Steinbruch nahe Minden Knochen eines großen Theropoden. Bei anschließenden Ausgrabungen an dem zur mittleren Ornatenton-Formation (Eremnoceras coronatum-zone, Callovium, Mitteljura) zählenden Fundort wurde ein fragmentarisches Skelett geborgen.

Erhalten sind Teile von Schädel und Kiefer (rechte Praemaxilla, Maxilla, Lacrimale, Postorbitale, Quadratojugale[?], Dentale, Zähne), Schwanzwirbel, Rippen, beide Wadenbeine (Fibulae), Knochen des rechten Sprunggelenks (Astragalus und ein Teil des Calcaneum) und ein isolierter Fingerknochen. Trotz des aufgrund von Verwitterung mäßigen Zustandes der Knochen handelt es sich um den ersten diagnostischen Dinosaurier aus dem deutschen Mitteljura.

Seinen wissenschaftlichen Namen erhielt das populär schon längere Zeit als ‘das Monster von Minden’ bezeichnete Tier zu Ehren seines Fundorts und Entdeckers. Einer phylogenetischen Analyse zufolge handelt es sich bei Wiehenvenator um einen nahen Verwandten (Schwestertaxon) von Torvosaurus innerhalb der Megalosauridae.

In der Nähe von Wiehenvenator wurden neben zahlreichen Vertretern der Auster Gryphaea dilatata auch Fragmente eines weiteren Theropoden, Zähne und Wirbel des Pliosauriers Liopleurodon und einige hundert Meter entfernt ein Schädel des Meereskrokodils Metriorhynchus gefunden, was die Rekonstruktion als flaches Meeresgebiet stützt. Stratigraphisch ist die Lokalität vergleichbar mit der unteren Oxford Clay, man darf sich Wiehenvenator also durchaus auch in der Rolle des Eustreptospondylus aus einer gewissen BBC-Dokumentation vorstellen.

Der Oberkieferknochen von Wiehenvenator albati misst etwa 82% der Länge des gleichen Knochens bei Torvosaurus gurneyi, dem größten bislang beschriebenen Theropoden Europas, während die Wirbel ähnlich groß wie ihre Äquivalente bei T. tanneri, und die Fibulae sogar etwas länger sind. Anfängliche Gerüchte von einer gewaltigen Körpergröße bis zu 15m dürften damit zwar eindeutig entkräftet sein, trotzdem handelt es sich um einen der größten bekannten Prädatoren des Kontinents (die in der Erstbeschreibung aufgeführte Skelettrekonstruktion misst etwa 8.3m). Basierend auf der Histologie der Fibulae befand sich das Tier zum Zeitpunkt des Todes in einer Phase verlangsamten, aber noch aktiven Wachstums.

Die große Diversität der Megalosauridae im Mittleren Jura und die frühesten Vorkommen anderer Tetanurengruppen im gleichen Zeitabschnitt deutet auf eine Radiation der Averostra im späten Unter- und frühen Mitteljura hin, in der die Ursprünge der meisten Großgruppen der Neotheropoda zu sehen sind. Wie andere Autoren zuvor vermuten Rauhut et al. bei den großen Theropoden einen Faunenwechsel am Übergang vom Mittel- zum Oberjura, wobei die zuvor dominanten Megalosauroidea ihre Vormachtstellung an die Allosauroidea verloren. Letzteres wird jedoch durch fehlende geographische und ökologische Vergleichbarkeit der jeweils wichtigsten Fundorte verkompliziert.

Quellen:
Hendrickx, Christophe; Mateus, Octávio (2014): Torvosaurus gurneyi n.sp., the Largest Terrestrial Predator from Europe, and a Proposed Terminology of the Maxilla Anatomy in Nonavian Theropods. PLoS ONE 9 (3) pp. 1-25.
Rauhut, Oliver W. M.; Hübner, Tom; Lanser, Klaus-Peter (2016): A new megalosaurid theropod dinosaur from the late Middle Jurassic (Callovian) of north-western Germany: implications for theropod evolution and faunal turnover in the Jurassic. Palaeontologia Electronica 19.2.26A: 1-65
http://www.palaeo-electronica.org/content/2016/1536-german-jurassic-megalosaurid


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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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