Mit über 20 Spezies liefert uns die Morrison Formation aus dem Oberen Jura Nordamerikas die wahrscheinlich zahl- und artenreichste Sauropodenfaune überhaupt, weltberühmte Gattungen wie Brontosaurus und Brachiosaurus sind darin ebenso vertreten wie eher obscure Taxa, etwa Cathetosaurus oder Suuwassea. Eine erdgeschichtliche Periode später, in der Oberen Kreide, kennt man dagegen vom gesamten Kontinent nur noch eine einzige Sauropodenart: Alamosaurus sanjuanensis. Noch dazu handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine aus Asien eingewanderte Art. Um die Mechanismen des Wandels und Aussterbens der nordamerikanischen Sauropoden zu verstehen, muss also ihre Evolution zwischen dem Ende des Jura und dem Auftreten von Alamosaurus weiter erforscht werden. Eine neue Art aus diesem Zeitintervall, Moabosaurus utahensis wurde kürzlich von Britt und Kollegen beschrieben.

Die Fossilien von Moabosaurus wurden in Flussablagerungen im Dalton Wells Quarry nahe der Kleinstadt Moab im US-Bundesstaat Utah entdeckt–benannt ist die Gattung also keinesfalls nach der „GBU-43/B Massive Ordnance Air Blast (MOAB)“, auch bekannt als „Mutter aller Bomben“, sondern ganz traditionell nach der Fundregion.
Stratigraphisch gehören die Gesteine am Fundort zur Yellowcat-Subformation (Cedar Mountain Formation), die in diesem Bereich aus einer Abfolge von fluvialen und lakustrinen Sedimentgesteinen besteht und diskordant die obere Morrison-Formation überlagert. Anhand der Datierung von Zirkonen kann das Alter der Funde auf maximal 125 Ma beschränkt werden, womit Moabosaurus im Unteren Aptium (Obere Unterkreide) gelebt haben dürfte. Zur lokalen Dinosaurierfauna gehören neben Moabosaurus noch ein unbenannter Ornithopode, der Ankylosaurier Gastonia, der basale Ornithomimosaurier Nedcolbertia, ein Brachiosaurier (vermutlich Venenosaurus) und der Dromaeosaurier Utahraptor. Ebenfalls im gleichen Steinbruch gefunden wurden Fossilien von Schildkröten, Krokodilen, Choristoderen, Pterosauriern und einer Konifere.
Insgesamt liegen Funde von mindestens 18 Individuen des Moabosaurus vor. Der Holotypus besteht aus 3 vorderen Rückenwirbeln.
Daneben wurden auch eine große Zahl von weiteren Wirbeln, Hirnschädeln und Langknochen, vereinzelte Schädelelemente und Zähne und ein Brustbein gefunden. Anhand dieser Masse an Fundstücken ist Moabosaurus eindeutig die häufigere der beiden im Steinbruch gefundenen Sauropodenarten.
Ein aus dem Holotypus und weiterem passenden Fossilmaterial konstruiertes Kompositskelett mit einem 1.3m langen Femur (Oberschenkel) und durchschnittlich 22cm langen Rückenwirbeln misst knappe 10 Meter, womit es sich hier um einen vergleichsweise kleinen Sauropoden handelt. Andere Individuen sind teils sogar noch erheblich kleiner (7cm langer Rückenwirbel) manche auch etwas größer (1.5m langer Femur). Alter und Wachstumsphase der Individuen sind allerdings noch ungeklärt, und da bei manchen anderen Taxa an der Fundstelle überwiegend Jungtiere gefunden wurden könnte dies auch bei Moabosaurus zutreffen.
Die Innenstruktur der Wirbel ist grob gekammert, im Unterschied zu den feinen Kämmerchen bei den Titanosauriformes, zu denen die Brachiosauridae und die Somphospondyli zählen.
Zur Klärung seiner Verwandtschaftsbeziehungen führten die Autoren der Erstbeschreibung 4 phylogenetische Analysen auf Basis von drei zuvor publizierten Datenmatrizen durch. Alle resultierenden Stammbäume stimmen lediglich in einer Einordnung innerhalb der Neosauropoda überein. Darüber hinaus ist die Position der neuen Art jedoch problematisch, auch wenn die Analysen zusammengenommen vermuten lassen, dass es sich um einen Macronarier handelt. Moabosaurus landet dabei entweder zusammen mit sehr vielen anderen Taxa in einer ungeklärten Polytomie innerhalb der Neosauropoden, als basaler Titanosauriforme, basaler Somphospondyle oder aber nahe der Stammlinie der Diplodocoidea. Wie bereits erwähnt sprechen wichtige Merkmale deutlich gegen eine Klassifikation als Titanosauriformen und insbesondere als Somphospondylen, und auch die Aussagekraft der anderen Analysen ist sehr begrenzt. Ein mögliches Problem liegt darin, dass den vorliegenden Matrizen keine weiteren Merkmale hinzugefügt wurden, wodurch auch mögliche Schlüsselmerkmale wie die pneumatischen Strukturen der Wirbel und Rippen nicht berücksichtigt wurden.
Anatomisch weist Moabosaurus jedoch große Ähnlichkeit zu dem basalen Macronarier Camarasaurus (der Oberarmknochen wird sogar als praktisch nicht unterscheidbar beschrieben), aber auch zu Tendaguria und Turiasaurus auf. Letzterer wird meist als nicht-Neosauropoda klassifiziert, die Ähnlichkeit zu Moabosaurus und Tendaguria lässt jedoch vermuten, dass diese Gattungen tatsächlich Mitglieder eines neuen Taxons oberjurassischer und unterkreidezeitlicher Macronarier sein könnten.
Die beherrschenden Sauropoden in der nordamerikanischen Unterkreide sind bislang basale Titanosauriformes, insbesondere Brachiosaurier. Bei Moabosaurus handelt es sich allerdings keiner Klassifikation zufolge um einen solchen, womit seine Entdeckung die Diversität der Sauropoden in diesem wichtigen Zeitabschnitt nicht unerheblich steigert.
Artikel:
Britt, B. B., Scheets, R. D., Whiting, M. F. and Wilhite, D. 2017. MOABOSAURUS UTAHENSIS, N. Gen., N. SP., A New Sauropod From The Early Cretaceous (Aptian) of North America. Contributions from the Museum of Paleontology, University of Michigan 32 (11): 189–243.
https://deepblue.lib.umich.edu/handle/2027.42/136227
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Pia Gaupels



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