Bryozoen-Fossil stellt missing link dar

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Rund um den Globus schlummern in Ozeanen, Seen und Flüssen altertümliche winzige Tiere, die nur wenigen Leuten bekannt sind.
Bryozoen (Moostierchen), winzige marine Lebewesen die Kolonien bilden, sind lebende Fossilien – ihre Abstammung reicht in die Zeit zurück, in der mehrzellige Organismen ein neuartiges Konzept darstellten. Doch bis jetzt fehlte Wissenschaftlern ein Hinweis für einen entscheidenden Durchbruch der den Bryozoen half, seit 500 Millionen Jahren zu überleben,  während sich die Welt um sie veränderte.

Heutzutage weist die vielfältige Gruppe der Bryozoen, die die Weltmeere dominieren, einen Reichtum an Formen und Strukturen auf, der von fächerförmig über blattförmig bis hin zu bizarren hirnförmigen Klümpchen reicht. Doch die ersten 50 bis 60 Millionen Jahre waren sie nur in der Lage flach wie eine Plane zu wachsen und damit die Oberfläche, auf der die Bryozoen jeweils wuchsen, zu überdecken.

Wissenschaftler haben vor kurzer Zeit angekündigt, dass sie den missing link der Bryozoenevolution gefunden haben: Das erste bekannte Mitglied der modernen Bryozoen das in einer dreidimensionalen Struktur wuchs: Jablonskipora kidwellae, benannt nach den Geowissenschaftlern David Jablonski und Susan Kidwell der University of Chicago. Beide sind berühmte Vertreter ihres Fachs: Jablonski in Herkunft, Untergang und anderen Kräften, welche die Biodiversität von marinen Invertebraten über Zeit und Raum beeinflusst; Kidwell auf dem Forschungsgebiet der Fossilerhaltung und der Verlässlichkeit von paläobiologischen Daten, vor allem um rezente, anthropogen-induzierte Veränderungen des Ökosystems zu detektieren. Außerdem sind die beiden verheiratet.

“Wir waren absolut überwältigt. Was für eine Ehre, dass der kleine Kerl nach uns benannt wurde”, freut sich Jablonski.
“Ich habe niemals erwartet, dass eines Tages ein Fossil nach mir benannt werden würde”, erzählt Kidwell, “und zudem auch noch eines, welches ein evolutiver Durchbruch ist, wir freuen uns noch immer bis über beide Ohren.”

Jablonskipora kidwellae lebte vor 105 Millionen Jahren und heftete sich an Steine und andere Hartgründe in Flachwasserverhältnissen – ein wenig so wie Korallen, jedoch sind sie nicht mit ihnen verwandt. Die Fossilien stammen aus dem südwestlichen England, von Klippen aus der Nähe Devons, ursprünglich wurden sie bereits im Jahre 1903 gesammelt und wurden analysiert von den Mitentdeckern Paul Taylor und Silviu Martha vom Natural History Museum London.

Jablonskipora kidwellae, die erste Bryozoenart, die eine dreidimensionale Struktur aufbauen konnte. Foto: Paul Taylor/London’s Natural History Museum

Anders als Korallen lebten Bryozoen niemals in Symbiose mit photosynthetisierenden Bakterien, ihre Evolution verlief also in eine andere Richtung. Jede einzelne Bryozoe  einer Kolonie ist genetisch identisch zu den anderen, aber sie haben spezielle Rolle, so wie Bienen oder Ameisen. Ihre schaligen “Apartmentkomplexe” beherbergen tausende Lebewesen, diese haben weiche Körper mit winzigen Tentakeln um damit Nährstoffe einzufangen.

Aufrecht zu wachsen war nach Meinung der beiden Professoren ein evolutionärer Durchbruch für Jablonskipora kidwellae: Größere Kolonien zu bilden, die aufrecht aus einem kleinen Anhang herauswachsen, war evolutiv betrachtet ein kluger Schachzug, vor allem weil es erlaubte, das Meerwasser oberhalb des Meeresbodens abzuzapfen um so mehr Nahrung zu bekommen und um Nachwuchs mit der Strömung weiter weg transportieren zu lassen.

“Das ist ein großer Wettbewerbsvorteil für sie, aber es erforderte einiges an evolutiver Organisation eine vertikale Struktur aufzubauen”, so Jablonski.
Kidwell ergänzt: “Das ist ein höherer Level an Kooperation unter den Individuen innerhalb der Kolonie.”

Die beiden Wissenschaftler drücken ein hohes Maß an Stolz für die Kreatur aus, die laut ihnen ebenso wie die anderen Bryozoen klein und langsam aber unerschütterlich ist. Manchmal findet man fossilisierte Bryozoenkolonien die andere Kolonien  dem Erdboden gleichgemacht haben in einem erbitterten Kampf um Raum. Aber mehr oder weniger findet das alles dann in Zeitlupe statt.

“Sie sind ganz fabelhafte kleine Tiere”, beteuert Kidwell.

Jablonski und Kidwell sind mit Taylor, einem der eigentlichen Entdecker, befreundet seitdem sie in den 80er Jahren einige Sommer mit Forschungsarbeiten am Natural History Museum in London verbrachten, aber sie sagen seine Neuigkeiten haben sie vollkommen überrascht. Jablonski war zuvor schon einmal Co-Autor eines Papers von Taylor gewesen, Kidwell arbeitet derzeit mit ihm zusammen an einer Studie über Bryozoenskelett-Schutt in rezenten Sedimenten der Kanalinseln Kaliforniens.

Es ist die zweite Ehre diesen Jahres für Kidwell und Jablonski: Im April bekam sie die Moore Medaille von der Society for Sedimentary Geology und er bekam im Oktober die Paleontological Society Medal, welches die höchste Auszeichnung dieser Gesellschaft ist.
Außerdem wurde nach Jablonski bereits zuvor eine Spezies benannt: Eine winzige Venusmuschel, aber Jablonskipora wird nun eine Gattung zusätzlich zu einer Spezies sein.

Quelle: Off. Pn. der University of Chicago
Publikation: Silviu O. Martha, Paul D. Taylor. The oldest erect cheilostome bryozoan: Jablonskipora gen. nov. from the upper Albian of south-west England. Papers in Palaeontology, 2017; DOI: 10.1002/spp2.1097

 

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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