Jurassische Paraves waren vielfältiger als gedacht

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Die Gruppe der Paraves, zu der neben den Vögeln die Familien der Dromaeosaurier, Troodontiden sowie eine Reihe ursprünglicher Verwandter zählen, ist in der Jurazeit hauptsächlich durch die spektakulären Fossilien der Yanliao-Biota aus dem Nordosten von China belegt. Diese Fauna der Mittleren und Oberen Jurazeit lieferte die ältesten bekannten Dinosaurierfossilien mit erhaltenen Federn. Zu den Funden zählen unter anderem die für die Evolution der Vögel sehr bedeutsamen Gattungen Anchiornis, Xiaotingia und Aurornis. Bisher waren diese jurassischen Vertreter, mit der Ausnahme der extrem merkwürdigen Seitenlinie der Scansoriopterygidae einander morphologisch sehr ähnlich. Ein neues Fossil eines kleinen, gefiederten Theropoden der Yanliao-Biota unterscheidet sich Morphologisch stark von verwandten Taxa der gleichen Lokalität.

Der von Hu und Kollegen gestern neu beschriebene Caihong juji stammt aus der Tiaojishan-Formation (Oxfordium, Oberjura, vor ca 161 Ma) nahe des Dorfes Nanshimenzi. Der Holotypus PMoL-B00175 ist ein ausgewachsenes, vollständig und mitsamt Federkleid erhaltenes Exemplar von ca. 40 cm Länge (einschließlich Schwanzfedern ca. 50 cm), das auf ein knappes halbes Kilogramm Lebendgewicht geschätzt wird.

Holotypexemplar von Caihong juji aus der Tiaojishan-Formation der Chinesischen Provinz Liaoning. a,b: Druck und Gegendruck der Fossiltragenden Platte; c: Interpretationszeichnung des Skeletts.; d,e: Schädel in Nahaufnahme und Detailzeichnung© Hu et al. 2018, CC-BY

Den Namen, Mandarin für ‘Regenbogen’ (Caihong) und ‘großer Kamm’ (ju+ji) verdankt er zweien seiner hervorstechendsten Merkmale.

Anders als andere Paraves, und ähnlich viel ursprünglicheren Theropoden, hat Caihong markante vertikale Kammstrukturen auf seinen Ossa lacrimales (Tränenbeine; diese Knochen liegen bei Theropoden direkt vor und über den Augenhöhlen).
Außerdem kennzeichnen das neue Taxon der robuste, sich nach vorne verdickende Unterkieferknochen, ein zusätzliches Fenster im Oberkiefer und das kurze Darmbein.
Von nahe Verwandten Arten wie Anchiornis huxleyi unterscheidet sich C. juji zudem durch seinen deutlich längeren Schädel mitsamt längerer Schnauze und Zahnreihe und größerem Antorbitalfenster, kürzere Vordergliedmaßen mit verhältnismäßig längeren Unterarmen und einen kürzeren Schwanz.
Er vereint damit sowohl viele im Kontext der Vogelevolution als primitiv anzusehende (kurze Flügel, langer Schädel), als auch einige ungewöhnliche Merkmale, die eher an moderne Vögeln erinnern (lange Unterarme, kurzer Schwanz).
Auch das Federkleid von Caihong ist ungewöhnlich modern; Deckfedern, Schwanzfedern, Federn der Hinterbeine und die Schwungfedern der Arme sind allesamt ungewöhnlich lang. Die Schwanzfedern sind assymetrisch und bilden sogar eine größere Tragfläche als bei Archaeopteryx.

Mehrere Federn nahe des ersten Fingers scheinen ihrer anatomischen Position nach zu schließen eine Art Daumenfittich (Alula), ein aerodynamisch wichtiges Merkmal moderner Vögel zu bilden. Dieser scheint sich bei den Paraves mehrfach konvergent entwickelt zu haben (unter anderem bei Microraptor, möglicherweise auch Archaeopteryx).

Unter dem Elektronenmikroskop konnten im Federkleid plättchenförmige Nanostrukturen festgestellt werden, die den Melanosomen heutiger Vögel ähneln. Form und Größe dieser Strukturen unterscheiden sich von vergleichbaren, bereits bei Anchiornis nachgewiesenen Strukturen, dessen Färbung überwiegend als grau, schwarz und rötlich-braun rekonstruiert wurde. Jene von Caihong ähneln am stärksten denen von Kolibris und sprechen für ein bunt irisierendes Federkleid.

Phylogenetische Position von Caihong juji nach der von den Beschreibern durchgeführten Analyse © Hu et al. 2018, CC-BY

Eine von den Autoren durchgeführte Analyse der evolutionären Verwandtschaftsverhältnisse der Paraves stützt die Existenz einer eigenständigen taxonomischen Gruppe, der Anchiornithinae, ähnlich den bereits letztes Jahr von Foth und Rauhut benannten Anchiornithidae. Zu den Anchiornithinen gehören nach Hu und Kollegen neben Anchiornis und Caihong auch dessen nächster Verwandter, Xiaotingia, Aurornis und Eosinopteryx.

Die rekonstruierten Verwandtschaftsverhältnisse der basalen Paraves untereinander sind fast alle mit großen statistischer Unsicherheiten behaftet, was sich auch in den sehr unterschiedlichen Stammbäumen in der jüngeren Literatur niederschlägt. Hu et al.s Ergebnisse legen aber nahe, dass die Anchiornithinae zusammen mit Dromaeosauriern, Troodontiden und Archaeopteryx die Schwestergruppe der Vögel darstellen.

Artikel:
Hu, D., Clarke, J.A., Eliason, C.M., Qiu, R., Li, Q., Shawkey, M.D., Zhao, C., D’Alba, L., Jiang, J., Xu, X. 2018. A bony-crested Jurassic dinosaur with evidence of iridescent plumage highlights complexity in early paravian evolution. Nature Communications 9 (1): 217.

Weitere Quellen:

Bonde, N. 2015. On some feathers of Archaeopteryx lithographica and their preservation. 63rd Symposium for Vertebrate Palaeontology and Comparative Anatomy, Southampton.
Foth, C., Rauhut, O.W.M. 2017. Re-evaluation of the Haarlem Archaeopteryx and the radiation of maniraptoran theropod dinosaurs. BMC Evolutionary Biology 17 (1): 236.
Hu, D., Hou, L., Zhang, L., Xu, X. 2009. A pre-Archaeopteryx troodontid theropod from China with long feathers on the metatarsus. Nature 461 (7264): 640–643.
Li, Q., Gao, K.-Q., Vinther, J., Shawkey, M.D., Clarke, J.A., D’alba, L., Meng, Q., Briggs, D.E., Prum, R.O. 2010. Plumage color patterns of an extinct dinosaur. Science 327 (5971): 1369–1372.
Xu, X., You, H., Du, K., Han, F. 2011. An Archaeopteryx-like theropod from China and the origin of Avialae. Nature 475 (7357): 465–470.
Xu, X., Zhou, Z., Dudley, R., Mackem, S., Chuong, C.-M., Erickson, G.M., Varricchio, D.J. 2014. An integrative approach to understanding bird origins. Science 346 (6215): 1253293.
Xu, X., Zhao, Q., Norell, M., Sullivan, C., Hone, D., Erickson, G., Wang, X., Han, F., Guo, Y. 2009. A new feathered maniraptoran dinosaur fossil that fills a morphological gap in avian origin. Science Bulletin 54 (3): 430–435.


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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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