Als Krokodile Flossen bekamen

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Im Lauf des Mesozoikums haben sich mehrere Gruppen von Reptilien unabhängig voneinander wieder an ein Leben im Meer angepasst. Unter ihnen waren die Metriorhynchiden, eine Familie ausgestorbener Meereskrokodile. Diese entwickelten mit der Zeit Paddel und eine Schwanzflosse, doch wie genau ihre frühe Evolution vonstatten ging, ist noch recht unklar. Ein neuer Fund aus Ungarn bringt jetzt ein wenig Licht ins Dunkle.

Betrachtet man die heutigen meeresbewohnenden Wirbeltiere, findet man unter ihnen neben den allgegenwärtigen Knochen- und Knorpelfischen vor allem Säugetiere wie Robben, Zahn- und Bartenwale. Reptilien hingegen sind eher eine Seltenheit. Am bekanntesten sind wohl Meeresschildkröten und Seeschlangen, hinzu kommen die an den Küsten von Galapagos lebenden Meerechsen. Auch einige Krokodilarten wie das Leistenkrokodil machen öfters mal einen größeren Abstecher in die Weiten der Ozeane.

Doch das war natürlich nicht immer so. Besonders während der Ära des Mesozoikums haben sich mehrere Gruppen von Reptilien unabhängig voneinander wieder einem Leben im Meer angepasst und Nischen erobert, die heute vor allem von Säugetieren eingenommen werden. Zu den populärsten dieser Meeresreptilien zählten Gruppen wie Ichthyosaurier, Plesiosaurier oder Mosasaurier, aber auch die ersten Meeresschildkröten oder Placodontier. Und selbst lange vor dem Leistenkrokodil haben sich dessen entfernte Verwandte ins Meer gewagt und bildeten teilweise wichtige Glieder in den marinen Ökosystemen

Krokodile im Meer

Die ältesten bekannten Meereskrokodile (Thalattosuchia) stammen aus dem Unterjura, genauer aus der Stufe des Toarcium. Zu den wichtigsten Fundstätten dieser frühesten Meereskrokodile zählen dabei auch Schichten aus Deutschland, allen voran der Posidonienschiefer von Baden-Württemberg und Bayern. Bereits in Schichten wie dem Posidonienschiefer finden wir dabei beide Hauptzweige der Thalattosuchia, namentlich Teleosauroiden und Metriorhynchoiden.

File:Cricosaurus suevicus 6743.jpg

Der Metriorhynchid Cricosaurus aus den Oberjurakalken von Bayern. Die Augenhöhlen liegen an der Seite des Schädels, am Schwanzende befindet sich eine Flosse. Bild von Ghedoghedo unter CC-BY-SA 4.0.

Die Teleosauroiden erinnern mit ihren oftmals langen Schnauzen an die heutigen Gaviale, einige haben mit der Zeit auch wieder kürzere Schnauzen entwickelt und sich dabei auf hart zu knackende Beutetiere wie Schildkröten spezialisiert. Allgemein behielten sie aber alle ihr “krokodiltypisches” Erscheinungsbild bei. Die Metriorhynchoiden hingegen haben sich im Lauf der Zeit immer mehr an ein dauerhaftes Leben im Meer angepasst. Ihre Augen wanderten von der Oberseite des Schädels an die Seiten, sie verloren ihre Panzerung, die Gliedmaßen wandelten sich um in Paddel und am Schwanzende formte sich eine Flosse. Am Ende glichen sie in ihrer Anatomie eher Ichthyosauriern und Mosasauriern als den heutigen Krokodilen.

Ein “Missing Link” aus Ungarn

Diese hochspezialisierten Metriorhynchoiden kennen wir vor allem aus dem Oberjura und späten Mitteljura. Wie diese Entwicklung im Lauf des Jura genau vonstatten ging ist dabei leider nur teilweise bekannt, da ihr Fossilbericht in den dazwischenliegenden Stufen eher spärlich ist. In den vergangenen Wochen hat jedoch ein neues Meereskrokodil aus dem Unterjura von Ungarn Aufsehen erregt, das bereits erste Entwicklungen zu den Metriorhynchiden des Oberjura zeigt.

File:Pelagosaurus typus.JPG

Der urtümliche Metriorhynchoid Pelagosaurus typus aus dem Posidonienschiefer von Baden-Württemberg. Bild von Ghedoghedo unter CC-BY-SA 3.0.

Die Beschreibung des neuen Krokodils wurde von Attila Ösi und seinen Kollegen im Journal PeerJ veröffentlicht. Die Fossilien stammen dabei aus Schichten des Geißgebirges, die auf das späte Toarcium (vor ca. 175 Millionen Jahren) datiert werden. Sie sind damit etwas jünger als der Posidonienschiefer, welcher im frühen Toarcium (vor ca. 180 Millionen Jahren) abgelagert wurde. Das Skelett ist fragmentarisch, erhalten sind neben Resten der Kiefer vor allem mehrere Wirbel, die Beckenregion und Knochen der Gliedmaßen. Insgesamt reicht es um das Fossil als eine bis dato unbekannte Art zu identifizieren, die Ösi et al. Magyarosuchus fitosi tauften, das “ungarische Krokodil”.

Magyarosuchus zeigt am meisten Ähnlichkeiten zur Art Pelagosaurus typus. Dieses Meereskrokodil ist unter anderem auch aus dem deutschen Posidonienschiefer bekannt und wird gemeinsam mit dem neuen Magyarosuchus als einer der urtümlichsten Metriorhynchoiden angesehen. Pelagosaurus hatte bereits für einen Metriorhynchoiden typisch die Augenhöhlen an den Schädelseiten. Anders als seine späteren Verwandten besaß Pelagosaurus allerdings noch eine Panzerung aus Hautknochplatten und hatte weder Paddel noch eine Schwanzflosse ausgebildet.

Oben: Knochen der Schwanzflosse eines Metriorhynchiden. Aus The Osteology of Reptiles (1925).
Unten: hinterer Schwanzwirbel von Magyarosuchus. Aus Ösi et al. (2018) unter CC-BY 4.0.

Der erhaltene Schädel von Magyarosuchus ist leider zu unvollständig um etwas über die Position der Augen auszusagen. Er glich aber Pelagosaurus  ansonsten weitesgehend in seinem urtümlichen Erscheinungsbild, so besaß er ebenfalls noch seine schwere Panzerung und hatte seine Gliedmaßen noch nicht in Paddel umgewandelt. Ein kleines Detail verrät allerdings, dass Magyarosuchus einen Schritt näher an den späteren Metriorhynchoiden war: einer der hinteren Schwanzwirbel ähnelt den Schwanzwirbeln der späteren flossentragenden Metriorhynchoiden.

Der Aufbau der Schwanzflosse der Metriorhynchoiden unterscheidet sich von dem der Fische und der meisten anderen wasserbewohnenen Wirbeltiere mit Ausnahme der Ichthyosaurier und Mosasaurier. Ähnlich den letztgenannten war die hintere Schwanzwirbelsäule bei Metriorhynchoiden nach unten umgeknickt und bildete somit den unteren Teil der vertikalen Schwanzflosse, der obere Teil hingegen war nicht verknöchert.  Man spricht hierbei auch von einer hypocerken Flosse. Bei fortschrittlicheren Metriorhynchoiden sind die Wirbel der Schwanzflosse recht charakteristisch, sie weisen unter anderem einen deutlich verlängerten Dornfortsatz auf. Bei den Teleosauroiden und Pelagosaurus hingegen weisen die Wirbel am Schwanzende keine besonderen Proportionen auf.

Von Magyarosuchus selbst ist aktuell nur ein einziger Wirbel vom Schwanzende bekannt, an dem außerdem einige Teile abgebrochen sind. Doch auch bei diesem ist bereits zu sehen, dass der Dornfortsatz verlängert war. Es liegt also nahe, dass das Schwanzende von Magyarosuchus bereits vom ursprünglichen Bauplan abwich und demnach aller Wahrscheinlichkeit als Schwanzflosse ausgebildet war. Magyarosuchus stellt also im bisherigen Fossilbericht eine Art “Missing Link” zwischen Gattungen wie Pelagosaurus und den späteren Metriorhynchoiden dar. Laut Ösi et al. zeigt er dabei besonders gut, wie sich bei Metriorhynchoiden der Körper mosaikartig nach und nach an ein dauerhaftes Leben im Meer angepasst hat.

Oben: Schwanzflosse mit Weichteilerhaltung des Metriorhynchiden Rhacheosaurus gracilis. Foto Mark T. Young.
Unten: Lebendrekonstruktion des Metriorhynchiden Suchodus durobrivensis. Bild von Dmitry Bogdanov unter CC-BY 3.0.

Diese bessere Angepasstheit an ein Leben in den Ozeanen spiegelt sich letztendlich auch im Lebensraum von Magyarosuchus wieder. Anders als beispielsweise der Posidonienschiefer wurden die Fundschichten von Magyarosuchus nicht in relativer Landnähe, sondern küstenfern auf dem äußeren Kontinentalschelf abgelagert, die Art war also wahrscheinlich bereits ein Hochseebewohner.

Das Team um Attila Ösi hat sich auf Basis des Oberschenkelknochens schließlich noch an eine Größenschätzung des Krokodils gewagt. Sie kamen dabei auf eine Länge von etwa 4,7 m, womit Magyarosuchus der größte bekannte Metriorhynchoid seiner Zeit gewesen wäre.

Literatur:

Ősi, A., Young, M. T., Galácz, A., & Rabi, M. (2018). A new large-bodied thalattosuchian crocodyliform from the Lower Jurassic (Toarcian) of Hungary, with further evidence of the mosaic acquisition of marine adaptations in Metriorhynchoidea. PeerJ, 6, e4668.

 

 

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Pascal Abel

Pascal Abel, Jahrgang 1994, hat an der Uni Erlangen Geowissenschaften mit den Vertiefungen Paläobiologie und Angewandter Sedimentologie studiert. Derzeit arbeitet er als Doktorand am SHEP Tübingen über die Schädelevolution von Landwirbeltieren. Nebenbei beschäftigt er sich auch mit ausgestorbenen Meeresreptilien und allgemein palökologischen Themen.

Über Pascal Abel

Pascal Abel, Jahrgang 1994, hat an der Uni Erlangen Geowissenschaften mit den Vertiefungen Paläobiologie und Angewandter Sedimentologie studiert. Derzeit arbeitet er als Doktorand am SHEP Tübingen über die Schädelevolution von Landwirbeltieren. Nebenbei beschäftigt er sich auch mit ausgestorbenen Meeresreptilien und allgemein palökologischen Themen.

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