550 Millionen Jahre alter Wurm aus China zeigt Anfänge der Mobilität und Symmetrie

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Egal ob Würmer, Wale oder Menschen, praktisch alle Tiere auf der Erde haben einen symmetrischen Körperbau. Doch warum? Vermutlich haben wir dieses Merkmal von einem gemeinsamen Vorfahren geerbt, der vor über 540 Millionen Jahren im Ediacarium lebte. Ein möglicher solcher Vorfahre ist der neulich entdeckte, wurmähnliche Yilingia spiciformis aus China.

Manche Dinge sind so offensichtlich, dass wir sie nicht hinterfragen. Beispielsweise, dass Menschen zwei Hände, zwei Füße und zwei Augen haben. Das liegt daran, dass wir bilateralsymmetrisch sind, das heißt, unsere linke Hälfte ist äußerlich ein Spiegelbild unser rechten Hälfte. Doch nicht nur wir Menschen sind so. Ca. 95% aller Tiere gehören zur Gruppe der Bilateria. Trotz der Bedeutung dieser Gruppe ist ihr Ursprung größtenteils unerforscht. Laut Molekularuhren lag er nämlich zeitlich im Ediacarium, also noch vor der sogenannten kambrischen Explosion. Körperfossilien aus dieser Zeit sind Mangelware. Spurenfossilien sind zwar vorhanden, lassen jedoch selten Rückschlüsse auf ihre Erzeuger zu.

Nun wurde vor Kurzem ein Körperfossil samt Spur entdeckt und in der Fachzeitschrift Nature von Zhe Chen und Kollegen beschrieben. Das Fossil ist 539 – 550 Millionen Jahre alt, stammt aus einem südchinesischen Kalkstein und gehört zur neuen Spezies Yilingia spiciformis. Diese Assoziation ist dadurch zu erklären, dass das Holotypus-Exemplar vermutlich während des Ziehens seiner Spur starb. Neben dem Holotypus wurden noch zahlreiche weitere Exemplare beschrieben.

Y. spiciformis war ein längliches und segmentiertes Tier, welches nah mit den heutigen anneliden Ringelwürmern verwandt war. Sein Körpersegmente waren repetitiv. Dies unterscheidet es von späteren Tieren, dessen Segmente sich voneinander unterschieden. Trilobiten beispielsweise lassen sich in ein Kopf- (Cephalon), Brust- (Thorax) und Schwanzsegment (Pygidium) einteilen. Man kann Yilingia also als eine Art Brückentier zwischen segmentierten und nicht-segmentierten Tieren ansehen.

Die bekannten Exemplare sind 5-26 mm breit und bis zu 27 cm lang, bestehend aus ca. 50 Segmenten. Insgesamt sind 35 Körperfossilien und 13 Spurenfossilien bekannt. Die Assoziation von Körper- und Spurenfossilien zeigt zweifellos, dass Y. spiciformis ein bewegliches Tier war.

Die exakte Position von Yilingia innerhalb von Bilateria ist unklar. Seine seitlich abstehenden Lappen sind vermutlich homolog mit den Gliedmaßen von Arthropoden oder den Anhängseln von Ringelwürmern, was eine nahe Verwandtschaft zu diesen nahelegt.
Yilingias Segmentation und Beweglichkeit zeigen, dass diese Eigenschaften bereits im gemeinsamen Vorfahren aller Bilateria vorhanden waren.

Dieses Tier ist zwar nicht das älteste segmentierte Tier, das wir kennen, und es ist auch nicht das erste, das sich fortbewegen konnte. Wir kennen etwas ältere Tiere, die sich bewegen konnten. Und dann sind da ja noch die vielen Spurenfossilien aus dieser Zeit, die wir Ediacarium nennen. Doch Yilingia ist das älteste bekannte Tier, das beides kombiniert: Es konnte sich fortbewegen und war segmentiert. […] Meiner Meinung nach ist Yilingia enger mit unserem gemeinsamen Vorfahren verwandt als mit den Lebewesen ihrer Zeit, der sogenannten Ediacara-Biota. Diese Ediacara-Lebewesen sind seltsam, die meisten scheinen nichts mit uns zu tun zu haben. Ihre Körper sind beispielsweise nicht spiegelsymmetrisch und oft weiß man nicht, ob es Tiere waren, Pflanzen oder Algen. Yilingia zeigt, dass es in der Ediacara-Zeit definitiv Tiere gab, spiegelsymmetrische Tiere – so wie unsere Ahnen und wir.

sagte Ko-Autor der Studie Shuhai Xiao dem Deutschlandfunk

Da Yilingia sich gezielt fortbewegte, ist ebenfalls davon auszugehen, dass bereits der gemeinsame Vorfahre der Bilateria über ein zentrales Nervensystem verfügte.

Es gab also bereits schon vor der berühmten kambrischen Explosion Tiere, die uns ähnelten.

Publikation: Chen, Zhe; Zhou, Chuanming; Yuan, Xunlai; Xiao, Shuhai (2019). Death march of a segmented and trilobate bilaterian elucidates early animal evolution. Nature. doi:10.1038/s41586-019-1522-7.

https://doi.org/10.1038%2Fs41586-019-1522-7

Interviewaussagen: http://www.deutschlandfunk.de/fossilienfund-yilingia-vorfahre-unserer-ahnen.676.de.html

Titelbildunterschrift: Körperfossil von Yilingia spiciformis (links), künstlerische Rekonstruktion (Mitte) und Spurenfossil (rechts). ©NIGPAS
Bildquelle: http://english.nigpas.cas.cn/rh/rp/201909/t20190910_217520.html

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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