Extreme Kälteereignisse in der Klimageschichte können nicht regional eingegrenzt werden. Ändert sich zum Beispiel der Eispanzer in Grönland, hat das auch Auswirkungen auf Regionen, die tausende von Kilometern entfernt sind. Eine neue Studie zeigt nun, dass es eine enge Verbindung gibt zwischen den klimahistorischen Abkühlungsereignissen im Nordatlantik und dem Staubtransport durch Wind von Nordafrika und der Arabischen Halbinsel in Richtung Osten. Die Daten zeigen demnach, dass der Einfluss der nordamerikanischen Eisschmelze bedeutender ist für das Klima in Westasien als – wie bislang vermutet – die der nordeuropäischen.
Ein minimaler Auslöser reicht aus, um das Klima weltweit zu verändern. In der Erdgeschichte, vor allem während und zum Ende der letzten Kaltzeit vor rund 20.000 Jahren, hat die Eisschmelze auf der nördlichen Erdhalbkugel – zum Beispiel während Heinrich-Ereignissen oder der Jüngeren Dryaszeit – die Ozeanzirkulation und damit auch Windströme verändert, und zwar ziemlich abrupt. Diese Veränderungen sind auch in halbtrockenen und trockenen Gebieten der Erde durch Sedimentproben nachweisbar – zum Beispiel für den Südosten des Irans.
Aus einem Torfmoor in dieser Region stammt ein Sedimentbohrkern, den Dr. Mahyar Mohtadi und seine Kollegen untersucht haben. Anhand der Elementzusammensetzung konnten sie eine so genannte Staubaufzeichnung rekonstruieren, die 12.000 Jahre umfasst, von vor 19.000 bis vor 7.000 Jahren. Das entspricht genau dem Übergang vom Pleistozän zum Holozän mit der letzten Eiszeit und den abrupten Kälteereignissen in der Nordatlantikregion.
Durch den Kern verfügen die Wissenschaftler nun über ein hochauflösendes Staubarchiv, denn die einzelnen Partikel sind erhalten geblieben. „Das ist selten, normalerweise wird in Sandsturmregionen der Staub einfach verweht, weil es zu trocken ist“, erklärt Mahyar Mohtadi. Eine Ausnahme davon sei die Moorlandschaft nahe der Stadt Jiroft. Der Staub hat sich hier verfangen und abgelagert. Er bildet die Basis, um Winterstürme der Vergangenheit zu rekonstruieren. Bislang gab es aus dieser Gegend Daten zum Monsunniederschlag im Sommer, nicht aber für den Winterstaub, der aufgrund des globalen Windsystems von den Westwinden transportiert wird. Die Region im Südosten Irans ist für das Klimageschehen bedeutend, weil hier die atmosphärische Luftzirkulation saisonal extrem unterschiedlich ist. „Wir wollten wissen: Wann sind welche Winde dominant für das Klima in dieser Region?“, so Mohtadi. Ihm und seinen Kollegen ist es gelungen, die Menge an Staub und deren Herkunft zeitlich mit den Kälteereignissen einige Tausend Kilometer entfernt zu verknüpfen.
Schmilzt das Eis im Nordatlantik, wird durch das eingetragene Süßwasser das globale Förderband geschwächt, das durch Salzgehalt und Temperatur des Wassers entweder angetrieben oder verlangsamt wird. Zu Beginn der einzelnen Kälteereignisse, das geht aus den Daten der Veröffentlichung hervor, steigt der Staubanteil abrupt, der von der Arabischen Halbinsel und Nordafrika in Richtung Osten transportiert wird. Das bedeutet: Der Kollaps der Ozeanzirkulation verlagert die Westwinde nach Süden. Zum Ende der Ereignisse lassen die Stürme abrupt nach, dadurch sinkt die Menge an transportiertem Staub. „Weil die Winde derart stark abhängig sind von der Nordatlantischen Ozeanzirkulation, zeigen unsere Ergebnisse, dass die nordamerikanischen Eisschilde das Winterklima über Westasien stärker beeinflusst haben als die skandinavischen Eisschilde“, erklärt Mahyar Mohtadi. Zusammenhängen könnte dies mit dem Strömungsmuster des Golfstroms entlang der Ostküste Nordamerikas. Durch Süßwasser- und Eisbergabflüsse reagierte er empfindlicher und schneller.
Veröffentlichung: Reza Safaierad, Mahyar Mohtadi, Bernd Zolitschka, Yusuke Yokoyama, Christoph Vogt, Enno Schefuß: Elevated dust depositions in West Asia linked to ocean-atmosphere shifts during North Atlantic cold events. PNAS 2020.
Quelle: off. Pm des MARUM
Pia Gaupels
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