Argentinischer Sauropoden-Embryo entdeckt

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Die Sauropoden waren die größten Landwirbeltiere, die je gelebt haben. Doch auch sie fingen mal klein an. Forscher beschrieben nun einen besonders gut erhaltenen Titanosaurier-Embryo aus der Oberkreide Südamerikas. Der neue Embryo verfügte über eine dreidimensionale Sicht und ein Nasenhorn, welches dem Eizahn heutiger Krokodile und Vögel ähnelte.

Sauropodeneier wurden erstmals vor 25 Jahren im argentinischen Auca Mahuero entdeckt. Die dortigen Funde lieferten erste Aufschlüsse über die Embryologie der Urzeitriesen. Obwohl seitdem viele weitere Funde gemacht worden sind, bleibt die Sauropodenembryologie bis heute eines der am wenigsten erforschten Themen rund um Dinosaurier.

Das außergewöhnlich gut erhaltene Embryoexemplar MCF-PVPH-874 aus dem argentinischen Patagonien füllt daher eine wichtige Wissenslücke. Das Exemplar besteht aus einem etwa drei Zentimeter großen Schädel, welcher fast vollständig erhalten ist.

Ein internationales Forscherteam um Martin Kundrát stellte bei der Untersuchung des Schädels zwei ungewöhnliche Eigenschaften fest.

Die erste liegt in seiner Gesichtsanatomie, welche sehr unterschiedlich zu der erwachsener Sauropoden ist. So ist die Schädeldecke des jungen Dinosauriers nicht verknöchert, der vordere Teil des Gesichts jedoch schon. Wahrscheinlich handelte es sich beim vorderen Gesicht um eine längliche Schnauze oder um ein Nasenhorn. Eine solche Struktur ist bei erwachsenen Titanosauriern nicht bekannt. Dieses Nasenhorn könnte eine ähnliche Funktion wie der Eizahn von Krokodilen und Vögeln gehabt haben.

Die zweite ungewöhnliche Eigenschaft liegt in den Augen des Embryos. Diese sind nämlich, anders als bei erwachsenen Titanosauriern, nicht an der Seite des Schädels, sondern vorne angeordnet. Dies verschaffte den Jungtieren ein dreidimensionales Sichtfeld. Im Verlaufe des späteren Wachstums wanderten die Augen zur Seite, vermutlich, weil die erwachsenen Tiere vom breiten Sichtfeld profitierten. Die Jungtiere hatten also eine deutlich andere Lebensweise als die Erwachsenen. Es ist möglich, dass die Jungen in dichten Wäldern lebten, wo die dreidimensionale Sicht hilfreich war, um Räuber zu erkennen.

Die exakte Spezies des Schädels lässt sich nicht bestimmen, allerdings ähnelt er dem Tapuiasaurus, einer Titanosaurier-Gattung aus der Unterkreide von Brasilien. Dies deutet auf eine Verwandtschaft zur Nemegtosauridae hin.

Da unser Exemplar aber in Gesichtsform und -größe von den Sauropoden-Embryos aus Auca Mahuero abweicht, können wir auch nicht ausschließen, dass es sich um eine neue Art von Titanosaurus handelt.

Sagte Kundràt in einem Interview mit wissenschaft.de.

Untersucht wurde der Schädel durch Synchrotron Mikrotomographie, einer bildgebenden Computertechnik, bei der durch Synchrotronstrahlung dreidimensionale Strukturen erfasst werden können. Durch vorsichtige Präparation mit Essigsäure wurden Gewebe, Knochen und Zähne des Exemplars sichtbar gemacht.

Von wo genau aus Argentinien das Ei stammt, ist nicht bekannt. Es wurde nämlich illegal in die USA transportiert und erreichte die Forscher nur durch Zufall. Mittlerweile liegt das Ei wieder in Argentinien, wo es in einem Museum ausgestellt ist.

Für mich sind Dinosauriereier wie Zeitkapseln, die eine Botschaft aus der Vergangenheit bringen. Unser Exemplar erzählt eine Geschichte über die Giganten Patagoniens, bevor sie geschlüpft sind. Unsere Studie enthüllt zahlreiche neue Aspekte über die Embryonalzeit des größten Pflanzenfressers, der jemals auf unserem Planeten gelebt hat. Ein gehörntes Gesicht und eine zweiäugige Sicht hätten wir bei einem Titanosaurus nicht erwartet.

Sagte Kundràt.

Literatur:

Kundràt M, Coria RA, Manning TW, Snitting D, Chiappe LM, Nudds J, Ahlberg PE (2020) Specialized Craniofacial Anatomy of a Titanosaurian Embryo from Argentina. Current Biology. 30, 1-7 https://doi.org/10.1371/journal.pone.0233115

Interviewaussagen:

Weitere Nachrichtenartikel (auf Englisch):

https://www.newscientist.com/article/2253205-best-preserved-titanosaur-embryo-reveals-they-had-nose-horns-as-babies/

https://www.reuters.com/article/us-science-titanosaur-idUSKBN25N29L

Titelbild:

©Kundrat et al.

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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