Zweifingriger Oviraptor aus der Mongolei beschrieben

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In der späten Kreidezeit, kurz vor dem Aussterben der Nicht-Vogel-Dinosaurier, erlebten manche ihrer Gruppen einen letzten Aufschwung in Biodiversität. Darunter waren auch die vogelähnlichen Oviraptoren. Ein neues Taxon namens Oksoko avarsan verfügt über lediglich zwei Finger und hatte damit eine andere Nische als seine dreifingrigen Verwandten. O. avarsan hilft Wissenschaftlern dadurch, zu verstehen, wie die letzte Diversifizierung von Oviraptoren zustande kam.

Einen normalen Menschen würde der Oviraptor sicherlich an einen Emu mit einem Papageienschnabel erinnern. Der zahnlose „Eierdieb“ ist namensgebendes Taxon einer Gruppe zweibeiniger, mittelgroßer und vogelartiger Dinosaurier namens Oviraptorosauria. Diese lebten während der Kreidezeit vor 130 bis 66 Millionen Jahren in Nordamerika und Asien. Am besten erforscht unter ihnen ist die auf Asien beschränkte Familie Oviraptoridae, zu welcher auch der neu beschriebene Oksoko avarsan gehörte.

Ein Forscherteam der University of Edinburgh, geleitet von Gregory Funston, beschrieb die neue Spezies anhand von drei juvenilen Exemplaren, die in der Wüste Gobi in der Mongolei ausgegraben wurden. Unter diesen befinden sich zwei sehr gut erhaltene Skelette.

Mit ihrer Körperlänge von etwas über einem Meter und ihrem Papageienschnabel ähneln die Tiere ihren Verwandten. Anders als andere Oviraptoriden verfügen sie jedoch nicht über drei, sondern lediglich über zwei funktionale Finger an ihren Vordergliedmaßen. Die Finger sind kräftig gebaut und unbeweglich, was sie zum Ergreifen von Beute eher ungeeignet machte.

Wie die Forscher feststellten, gab es bei Oviraptoriden im Laufe der Zeit eine Tendenz zur Reduktion des dritten Fingers und der Vorderarmlänge. Weshalb dies passierte, ist unklar, es ist jedoch wahrscheinlich, dass es mit den Ansprüchen neuer Lebensräume zu tun hatte. Oksoko avarsan ernährte sich möglich stärker herbivor als andere Oviraptoriden und brauchte daher keine ans Packen von Beute angepassten Vorderarme. Alternativ waren die neuen Vorderarme möglicherweise stärker an den Nestbau, das Putzen des Gefieders oder ans Ausdrucksverhalten angepasst.

Die Oviraptoriden durchgingen in der späten Kreidezeit eine Radiation, während andere Theropoden zu der Zeit in ihrer Biodiversität stagnierten. Der Fund von O. avarsan zeigt, dass diese Radiation mit einer Diversifizierung der Nischen einherging.

Zudem gibt der Fund Aufschluss über das Sozialverhalten der Tiere. Das Holotypus-Exemplar wurde zusammen mit drei weiteren fossilisierten Individuen beschrieben. Diese befanden sich zusammengekauert in einer Schlafposition und nicht in einer Todespose wie viele andere fossile Dinosaurier. Dies deutet darauf hin, dass die drei Individuen in situ begraben wurden und nicht etwa durch geologische Prozesse zueinander fanden. Dies ist der erste eindeutige Beleg für geselliges Verhalten unter Oviraptoriden. Durch geselliges Verhalten konnten die Jungtiere sich gegenseitig warm halten, leichter Nahrung finden und sich vor Räubern schützen.

Oksoko avarsan ist interessant, weil die Skelette sehr vollständig sind und die Art und Weise, wie sie zusammen liegen, zeigt, dass Jungtiere in Gruppen zusammenlebten. Aber noch wichtiger ist, dass die zweifingrige Hand uns veranlasste, zu erforschen, wie sich die Hand und die vorderen Gliedmaßen während der Evolution von Oviraptoren veränderten. Das wurde vorher noch nicht untersucht. Unsere Ergebnisse liefern ein wichtiges Puzzleteil zu der Frage, warum Oviraptoren vor dem Aussterben der Dinosaurier so vielfältig waren.

sagte Funston in einem Interview mit wissenschaft.de.

Die drei Exemplare wurden 2006 von der mongolischen Regierung konfisziert. Zuvor gehörten sie Fossilien-Wilderern. Neben den drei Jungtieren wurden noch ein weiteres Jungtier und zwei ältere Tiere der Spezies zugeordnet. Sie alle stammen aus der Nemegt-Formation, welche Teil des Maastrichtiums (Obere Kreidezeit; 72–66 Ma) der Mongolei ist.

Der Gattungsname Oksoko bezieht sich auf den gleichnamigen Dreiköpfigen Adler aus der Heraldik, weil drei Exemplare mit erhaltenen Schädeln nebeneinander gefunden wurden. Währenddessen bezieht sich der Artname avarsan auf das mongolische Wort für „gerettet“, da die Exemplare von Wilderern gerettet wurden.

Titelbild:

Künstlerische Darstellung der drei gefundenen Individuen durch Michael W. Skrepnick

Literatur:

Funston GF, Tsogtbaatar C, Tsogtbaatar K, Kobayashi Y, Sullivan C, Currie PJ (2020). A new two-fingered dinosaur sheds light on the radiation of Oviraptorosauria. Royal Society Open Science. 7 (10): 201184. doi:10.1098/rsos.201184.

Weitere Quellen:

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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