Australopithecus afaris “Lucy” starb nach neuesten Erkenntnissen an den Folgen eines Sturzes

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Vor 42 Jahren fand das Team um den Paläoanthropologen Donald Johanson ein sehr gut erhaltenes Skelett eines Australopithecus afaris. Lucy – benannt nach dem Beatles-Song “Lucy in the sky with diamonds” – ist das wahrscheinlich bekannteste und vollständig erhaltene Vormenschenfossil der Welt und ist entsprechend gut erforscht: Man weiß, dass Lucy vor 3,2 Millionen Jahren in der Afar-Region im heutigen Äthiopien lebte, vermutlich weiblichen Geschlechts war und beim Zeitpunkt des Todes etwa 25 Jahre alt und etwas über einen Meter groß war. Etwa 40% ihres Körpers sind erhalten. Nun gibt es von der Universität Texas neue Erkenntnisse um Lucy’s Tod.

 

So könnte Lucy, laut Rekonstruktion des Schädels, ausgesehen haben.

So könnte Lucy, laut Rekonstruktion des Schädels, ausgesehen haben.

 

Das Team um John Kappelman der Uni Texas, das über computertomografische Aufnahmen der Knochen verfügt, hat merkwürdige, bislang unentdeckte fraktale Spuren auf Lucys Knochen gefunden. Beim Knochenstudium zeigten sich an einigen der insgesamt 46 Knochen Frakturen, wie sie nach Sturzverletzungen zu finden sind. Bislang gingen Anthropologen davon aus, dass diese Frakturen nach Lucys Tod entstanden. Die Forscher fanden sie am Oberarm- und Oberschenkel, am Schulterblatt, dem Becken und an einer Rippe. Allerdings ist die grundlegendste Frage noch nicht geklärt: Entwickelte sich die Linie “Homo“, also unsere direkten Vorfahren, überhaupt aus den Australopithecus afaris? Die Brüche zeigen eine gewisse Ähnlichkeit mit Verletzungen, die moderne Menschen bei Stürzen aus großer Höhe erleiden. Dieser Aspekt in Lucys Leben ist bis heute in der Fachwelt stark umstritten. Lebte Lucy noch größtenteils auf Bäumen, war also evolutionär den Affen näher, oder hatte sie sich schon soweit an den aufrechten Gang angepasst, dass sie nicht auf Bäumen, sondern am Boden in der Steppe lebte und dort auch jagte. Und somit unser direkter Vorfahr wäre. Aber allein der Fakt, dass sie von einem Baum herunterfiel, könnte darauf hindeuten, dass Lucy, wie die modernen Affen, in Bäumen lebte.

 

Rekonstruktion von Lucys Sturz aus einer Höhe von 12m. (Quelle: Nature)

 

Das texanische Team vermutet, das beides der Fall war. Sie haben durch eine Umgebungsanalyse festgestellt, dass es zu Lucys Lebzeiten Bäume in ihrem Lebensraum gab. Lucy lebte und jagte wahrscheinlich noch in Bäumen und suchte dort nachts auch Schutz. Allerdings ging sie schon in gewisser Weise aufrecht und hielt sich auch auf dem Boden auf. Dies war jedoch ein großer Nachteil für ihr Leben in Bäumen. Ihr Klettergeschick war als Folge nicht mehr so gut entwickelt, da es für ein Leben auf dem Boden nicht mehr benötigt wurde.

 

Aufgrund der Verletzungen könnte es zu folgendem Szenario gekommen sein: Lucy fiel bei vollem Bewusstsein von einem Baum und schlug auf hartem Boden auf. Sie landete auf ihren Füßen, fiel dann nach vorne, wobei sie mit ausgestreckten Armen versuchte, den Sturz abzufangen. Dann fiel sie der Länge nach hin. Durch Vergleiche mit Schimpansen berechneten die Forscher, dass sie wohl aus einer Höhe von etwa zwölf Metern fiel. Dabei habe sie sich auch schwere innere Verletzungen zugezogen, die zum Tod führten.

 

Die Ergebnisse der neuen Studie stoßen allerdings auf starken Gegenwind. Donald Johanson zweifelt stark an den neuen Erkenntnissen. “Es gibt definitiv keinen Beweis dafür, wie sie gestorben ist”, so Johanson.

 

 

Veröffentlichung:

“Perimortem fractures in Lucy suggest mortality from fall out of tall tree”. John KappelmanRichard A. KetchamStephen PearceLawrence ToddWiley AkinsMatthew W. ColbertMulugeta FesehaJessica A. Maisano Adrienne Witzel. Nature  DOI:10.1038/nature19332

 


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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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