Klein, aber oho: eine neue Schlüsselfigur im marinen Stickstoffkreislauf

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Eine kleine Symbiose, die molekularen Stickstoff fixiert, hat großen Anteil an der Gesamtstickstofffixierung im tropischen Nordatlantik. Das zeigt nun erstmals eine neue Studie in Nature Microbiology. Stickstofffixierung ist die größte Quelle von Stickstoff im offenen Ozean. daher spielt diese Symbiose eine Hauptrolle im marinen Stickstoffkreislauf.

Stickstoff ist lebenswichtig für alle Lebensformen: Er ist Teil von Proteinen, Nukleinsäuren und anderen zellulären Strukturen. In vielen Regionen des Ozeans ist Stickstoff aber nur begrenzt verfügbar, beispielsweise im tropischen Nordatlantik. In dieser Region wird Stickstoff vorwiegend über Stickstofffixierung eingetragen, in etwas geringerer Menge auch durch atmosphärischen Transport. Stickstofffixierung ist die Umsetzung von inertem (wenig reaktionsfreudigem) Stickstoffgas aus der Atmosphäre zu Stickstoffverbindungen, die auch andere Mikroorganismen nutzen können – zum Beispiel Algen, die Kohlendioxid nutzen. Die Organismen, die Stickstoff fixieren, werden Stickstofffixierer oder Diazotrophe genannt. Sie düngen sozusagen die nährstofflimitierten Regionen des Ozeans. Deswegen ist es wichtig, die Wirkung und die Hauptakteure der Stickstofffixierung zu kennen. Nur so ist es möglich, zukünftige globale Veränderungen und deren möglichen Einfluss auf die Produktivität des Ozeans zu verstehen.

Clara Martínez-Pérez und ihre Mitautoren vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen (MPI Bremen), der Universität Kiel und dem GEOMAR in Kiel haben nun bestimmt, welchen Beitrag einer der häufigsten marinen Diazotrophen namens UCYN-A zur Gesamtstickstofffixierung im tropischen Nordatlantik leistet. Obwohl dieser kleine Stickstofffixierer, der in Symbiose mit einer einzelligen Alge lebt, im Vergleich zu anderen Diazotrophen sehr zahlreich ist, wurden seine Aktivität und sein Beitrag bislang noch nicht untersucht. Nun zeigt sich: Die bisherigen Annahmen über die Hauptakteure der Stickstofffixierung müssen wahrscheinlich überarbeitet werden.

Ein neuer Hauptakteur im Stickstoffkreislauf

Der tropische Nordatlantik beherbergt etwa ein Viertel der globalen Stickstofffixierung. Bisher wurde angenommen, dass dies vorwiegend auf der Aktivität des diazotrophen Trichodesmium beruht. Trichodesmium ist ein fadenförmiges Cyanobakterium, das in so großer Zahl blühen kann, dass man es sogar mit dem bloßen Auge und mit Satelliten sehen kann. “Allerdings gibt es viele andere Diazotrophe im Ozean, deren Beitrag bisher nicht bestimmt wurde”, erklärt Martínez-Pérez. Um den Beitrag von UCYN-A zu bestimmen, kombinierten die Wissenschaftler verschiedene Methoden. Eine davon ist das sogenannte NanoSIMS, mit dem man einzelne Zellen darstellen und deren Aktivität messen kann. “Damit können wir die ökologische Rolle von UCYN-A im marinen Stickstoffkreislauf bemessen. Diese Information ist notwendig für globale Modelle der Nährstoffkreisläufe”, sagt Mitautorin Wiebke Mohr vom MPI Bremen.

Die kleine Symbiose von UCYN-A und einer einzelligen Alge sieht unscheinbar aus, spielt aber eine Schlüsselrolle im Stickstoffkreislauf des Meeres (grün= Bakterienzelle, orange/blau = Algenzelle) (Quelle: Clara Martínez-Pérez/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie)

Die kleine Symbiose von UCYN-A und einer einzelligen Alge sieht unscheinbar aus, spielt aber eine Schlüsselrolle im Stickstoffkreislauf des Meeres (grün= Bakterienzelle, orange/blau = Algenzelle)                                                        (Quelle: Clara Martínez-Pérez/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie)

Die Ergebnisse waren überraschend: Martínez-Pérez und ihre Kollegen zeigen, dass UCYN-A genauso wichtig für die Stickstofffixierung im tropischen Nordatlantik ist wie Trichodesmium. „Obwohl Trichodesmium sehr zahlreich war, war es nicht sehr aktiv und hat nicht sehr viel Stickstoffgas fixiert”, sagt Martínez-Pérez. Im Gegensatz dazu war das viel kleinere UCYN-A sehr aktiv. Für sein symbiotisches Zusammenleben mit einer kleinen Alge muss UCYN-A mehr Stickstoffgas fixieren, als es für sich selbst benötigt, da es auch den Stickstoff für die Alge fixiert. So kommt es, dass UCYN-A im tropischen Nordatlantik genauso viel Stickstoffgas fixierte wie Trichodesmium.

Marine Kosmopoliten

Die Wissenschaftler haben daraufhin die globale Verteilung von UCYN-A untersucht. Im Gegensatz zu Trichodesmium, das nur bei über 20 °Celsius lebt, kommt der kleine Organismus überall vom Arktischen bis zum Antarktischen Polarkreis vor. “Deshalb hat UCYN-A das Potenzial, nicht nur in tropischen Regionen sondern auf der ganzen Welt ein wichtiger Stickstofffixierer zu sein”, sagt Martínez-Pérez. Interessanterweise ist trotz der Aktivität und ökologischen Relevanz dieser Symbiose ihre Anzahl sehr gering ist im Vergleich zu anderen Mikroorganismen im Ozean. Diese geringe Anzahl von UCYN-A deutet darauf hin, dass sie schnell von Zooplanktern gefressen oder anderweitig aus dem Oberflächenwasser entfernt werden. Dies würde zu einem sehr effizientem Transfer des fixierten Stickstoffs in das marine Nahrungsnetz führen, und legt nahe, dass der Beitrag von UCYN-A zur Stickstofffixierung noch höher ist, als hier bestimmt wurde. “Als nächstes würden wir gerne das Vorkommen und die Aktivität von UCYN-A in anderen Regionen des Ozeans untersuchen. Dies würde uns erlauben, ein tieferes Verständnis dessen globaler Rolle zu erlangen”, schlussfolgert Martínez-Pérez.

 

?Originalveröffentlichung?

“The small unicellular diazotrophic symbiont, UCYN-A, is a key player in the marine nitrogen cycle.”

Clara Martínez-Pérez, Wiebke Mohr, Carolin R. Löscher, Julien Dekaezemacker, Sten Littmann, Pelin Yilmaz, Nadine Lehnen, Bernhard M. Fuchs, Gaute Lavik, Ruth A.
Schmitz, Julie LaRoche, Marcel M. M. Kuypers. Nature Microbiology (2016)

DOI: 10.1038/nmicrobiol.2016.163

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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