Umweltgeschichte aus dem Faulschlamm: Klimawandel lässt „tote Zonen“ im Schwarzen Meer wachsen

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Erstmalig ist es GeowissenschaftlerInnen des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), der Universitäten Oldenburg und Hannover sowie der Rutgers University (USA) gelungen, die Ablagerungsbedingungen im Schwarzen Meer während der letzten Warmzeit (Eem) vor rund 128.000 Jahren zeitlich hoch aufgelöst zu analysieren. Damit wurde ein Vergleich der heutigen sauerstofffreien Bedingungen im Tiefenwasser des Schwarzen Meeres mit denen zur Eem-Zeit möglich, als die Sommer-Temperaturen des Wassers rund 3°C höher waren. Demnach können sich die „toten Zonen“ des Schwarzen Meeres bei einer Klimaerwärmung weiter ausbreiten und die produktiven Lebensräume dabei deutlich schrumpfen.

Sauerstoffmangel und giftiger Schwefelwasserstoff (Hydrogensulfid) im Tiefenwasser gehören heute zu den hervorstechendsten Eigenschaften des Schwarzen Meeres. In dem größten Brackwassermeer der Erde existiert ab einer Tiefe von 100 bis 150 m kein Sauerstoff mehr und Schwefelwasserstoff ist allgegenwärtig. Insgesamt nimmt dieser Raum, in dem kein höheres Leben existieren kann, heute rund 90 % des Wasserkörpers des Schwarzen Meeres ein. Wie werden sich diese „toten Zonen“ im Schwarzen Meer im Laufe der Klimaerwärmung und eines steigenden Meeresspiegels entwickeln? Die detaillierte Analyse von Ablagerungen aus der letzten Warmzeit (Eem) im Schwarzen Meer, deren Ergebnisse kürzlich in der internationalen Fachzeitschrift „Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology“ veröffentlicht wurden, ermöglicht Einblicke in eine solche Zukunft.

Dunkle Sedimente weisen auf „tote Zonen“ im Schwarzen Meer während warmer Klimaphasen wie Eem & Holozän hin. Das im Vergleich zu heute wärmere Eem lässt daher Rückschlüsse auf Folgen einer zukünftigen Klimaerwärmung zu. (Grafik: IOW/Wegwerth)

Die sauerstofffreien Bedingungen am Boden des Schwarzen Meeres führen dazu, dass sich herabsinkende organische Substanz nur sehr langsam zersetzt. Das Ergebnis ist die Bildung eines Faulschlamms, des sogenannten Sapropels. Diese Sapropele sind sowohl in den holozänen Ablagerungen der jetzigen Warmphase, als auch in denen der Eem-Zeit weit verbreitet. Mithilfe detaillierter Analysen redox-sensitiver chemischer Elemente in Sapropelen aus beiden Warmzeiten gelang es dem Team ein differenziertes Bild der eemzeitlichen Bedingungen im Tiefenwasser des Schwarzen Meeres zu rekonstruieren. Als Umweltzeugen dienten den GeowissenschaftlerInnen unter anderem die seltenen Spurenelemente Molybdän und Rhenium, die unterschiedlich auf Sauerstoffabwesenheit bzw. Anwesenheit von Sulfid reagieren. Insgesamt wurden mehr als 10 solcher Umweltzeugen (sog. Proxies) analysiert, um die Rekonstruktion des komplexen Gesamtbildes zu ermöglichen.

Die Warnemünder Geologin Antje Wegwerth fasst die Ergebnisse zusammen:

„Das Tiefenwasser war während der Eem-Warmzeit deutlich sulfidischer, also giftiger als heute. Der für höhere Organismen lebensfeindliche Raum breitete sich im Laufe der Jahrtausende immer weiter aus und reichte schließlich bis an die so genannte photische Zone – die Licht durchflutete, produktive Schicht des Oberflächenwassers – heran.“

In entsprechender Auflösung und Qualität konnten bislang noch keine Eem-Sedimente im Schwarzen Meer untersucht werden, da sie in der Regel nur durch sehr aufwendige Tiefseebohrungen gewonnen werden können. Auf einer Ausfahrt mit dem Forschungsschiff METEOR gelang es jedoch auf einem untermeerischen Rücken in Wassertiefen um 850 m, Sedimentkerne mit Ablagerungen sowohl aus dem Holozän als auch aus der Eem-Zeit mithilfe herkömmlicher Schwerelote zu gewinnen. Damit wurde erstmalig ein direkter Vergleich der beiden Warmzeiten möglich.

Die Klimaerwärmung während des Eems und des Holozäns führte im Schwarzen Meer zu wesentlichen Änderungen. Durch das Abschmelzen der polaren Inlandeismassen stieg der globale Meeresspiegel an und mit Überschreiten der Bosporus-Schwelle ergossen sich zu Beginn der jeweiligen Warmzeit salzreiche dichte Wassermassen aus dem Mittelmeer in das weitgehend ausgesüßte Schwarze Meer. Dies führte zu einer starken (Dichte)Schichtung von salzärmerem Oberflächenwasser über salzreicherem Tiefenwasser. Die ansteigenden Wasseroberflächentemperaturen führten gleichzeitig zu einer verstärkten Produktivität und einem hohen Aufkommen an organischer Substanz, die am Boden des Schwarzen Meeres unter Sauerstoffverbrauch zersetzt wurde. Das Zusammenspiel dieser Faktoren war schließlich verantwortlich für die Ausbildung der mächtigen „toten Zonen“ im Schwarzen Meer.

Veröffentlichung:
Wegwerth, A., Eckert, S., Dellwig, O., Schnetger, B., Severmann, S., Weyer, S., Brüske, A., Kaiser, J., Köster, J., Arz, H.W., Brumsack, H.-J.: Redox evolution during Eemian and Holocene sapropel formation in the Black Sea. Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology (2018) 489, 249-260
https://doi.org/10.1016/j.palaeo.2017.10.014

Quelle: off. Pn des IOW

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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