Alpiner Permafrost in Bewegung

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Auch Blockgletscher bestehend aus gefrorenem Lockergestein verändern sich im Zuge des Klimawandels rasch und tiefgreifend. Sie kriechen hangabwärts, sacken ein, verbreitern sich und können mitunter kollabieren. Für die Regionen, in denen sie liegen, stellt sich deshalb die Frage, ob von Blockgletschern eine Gefahr für den Menschen und seine Infrastruktur ausgehen könnte.Um diese Frage zu beantworten, haben Forscher verschiedener Institute der ETH Zürich und des ETH-Spin-offs Terrasense deshalb einen Blockgletscher am Fusse des Furggwanghorns im Walliser Turtmanntal genau unter die Lupe genommen. Ihre Studie ist soeben in der Fachzeitschrift Permafrost and Periglacial Processes erschienen.Wissenslücken füllen

«Um das Gefahrenpotenzial einschätzen zu können, muss man erst den Zustand eines Blockgletschers kennen, und man muss wissen, wie er sich verhält», sagt Erstautor Thomas Buchli, ehemaliger Doktorand in der Professur für Geotechnik der ETH Zürich. «Derzeit haben wir diesbezüglich noch einige Wissenslücken.»

Zwar gibt es zahlreiche Studien zu Blockgletschern. Andere Wissenschaftler massen die Temperaturen im Innern des Permafrosts und an der Oberfläche, wo sie auch die Kriechgeschwindigkeit bestimmten. «Das Zusammenspiel zwischen der Mechanik des Bodens, der Bodentemperatur sowie des Wassers im Innern eines Blockgletschers ist bisher jedoch nie so detailliert untersucht worden», betont Buchli. Um das zu tun, müsse man verschiedene Messungen koppeln. Bisher habe sich die Forschung meistens auf Aspekte wie Temperatur oder Oberflächenbewegungen beschränkt und diese dann mit anderen Blockgletschern verglichen. Solche Vergleiche sind aber für das Verständnis eines einzelnen Blockgletschers nicht immer von Vorteil.

Überraschend schnelle Veränderungen

Frappant waren vor allem, wie schnell und stark sich die Oberfläche des Furggwanghorn-Blockgletschers im Untersuchungszeitraum bewegte und veränderte. Die Wissenschaftler wussten zwar bereits, dass sich dieser Blockgletscher schneller erwärmt und rascher am Zerfallen ist als die meisten anderen. «Das Tempo hat mich trotzdem überrascht», sagt Buchli. «Verkippungen, Verdrehungen, Absenkungen – auf dem Blockgletscher war alles irgendwie in ständiger Bewegung.»

Der Blockgletscher bewegte sich jedoch nicht als Ganzes, sondern abschnittsweise. In einem Teil des Frontbereichs bewegte er sich mehrere Meter pro Jahr hangabwärts, in seinem Nährgebiet hingegen nur um wenige Dutzend Zentimeter und in einem anderen Teil der Front herrschte Stillstand.

Zu warm für Eis

Als Treiber dieser Veränderungen kommen verschiedene Faktoren in Frage: Niederschläge, steigende Lufttemperaturen, der Wassergehalt und natürlich die Temperatur und Zusammensetzung des Permafrosts. «Es gibt viele Faktoren, die einen Blockgletscher steuern. Einen davon herauszuschälen, ist schwierig», sagt Buchli.

Der Furggwanghorn-Blockgletscher sei auch relativ warm. Zu Beginn der Messungen lagen die Temperaturen im Kern des Permafrostes knapp unter dem Gefrierpunkt. Oberflächenwasser gefriert dabei nicht zwingend und fliesst durch ein mit Poren und Rissen durchzogenes System. Wäre der Permafrost kälter, würde Wasser zu Eis. Dadurch würde der Permafrost zusammenhängend, stabiler und weniger durchlässig für Wasser.

Während der sechsjährigen Messungen stiegen die Temperaturen im Permafrostboden kontinuierlich an. Mittlerweile liegen sie in grossen Bereichen des Blockgletschers knapp über Null Grad. «Bereits während des Bohrens haben wir realisiert, dass der Blockgletscher relativ warm sein muss, da wir mit dem Bohrkopf immer wieder Stellen mit freiem Wasser gefunden haben», erinnert sich Buchli.

Wasser, das durch den Blockgletscher fliesst, dürfte auch für einen Teil der Oberflächenverformungen verantwortlich sein, sagt er. Wasser transportiert von aussen Wärme in den Blockgletscher. Der Permafrostboden taut auf und als Folge davon senkt sich der darüberliegende Boden. Ganz verstanden haben die Forscher jedoch nicht, wie das Wasser durch den Blockgletscher fliesst. «Der Wasserfluss durch einen Blockgletscher ist sehr komplex und schwierig zu untersuchen», sagt Buchli.

Keine unmittelbare Gefährdung

Eine unmittelbare Gefährdung für die tieferliegenden Täler – in diesem Fall das Turtmanntal – konnten die Forscher nicht feststellen. Es ist wahrscheinlicher, dass der Blockgletscher oder Teile davon künftig sang- und klanglos in sich zusammensacken und ungefrorene Trümmer zurücklassen. «Diese könnten sich im allerschlimmsten Fall bei Extremniederschlägen in eine Mure verwandeln und dann potenziell gefährlich werden», sagt Buchli. Beim Furggwanghorn-Blockgletscher hätten sie jedoch keine Hinweise darauf gefunden, dass er sich in diese Richtung entwickle. Dennoch müssten Blockgletscher weiterhin überwacht werden.

Verknüpfte Daten

Nichts bleibt hier lange am gleichen Platz: Messstation auf dem Blockgletscher am Fusse des Furggwanghorns (alle Bilder: Thomas Buchli / ETH Zürich)

Im Rahmen seiner Dissertation hat der Geotechniker Buchli zusammen mit Geophysikern, Hydrologen sowie Geologen ein Arsenal an Mess- und Überwachungsgeräten auf und neben dem Furggwanghorn-Blockgletscher betrieben.

Die Forscher setzten unter anderem Radar- und Laser-Messgeräte ein, um die Oberfläche zu charakterisieren. Mittels GPS ermittelten sie die Kriechgeschwindigkeit des Blockgletschers an der Oberfläche. Um den Aufbau des Bodens, den Temperatur- und Wasserhaushalt sowie die Kriechgeschwindigkeiten im Inneren zu untersuchen, bohrten Spezialisten dazu mehrere, bis 30 Meter tiefe Löcher in den Permafrost.

In den Bohrlöchern installierten die Forscher neben Thermistoren, um die Temperatur zu messen, auch neuartige Inklinometer. Zusätzliche Informationen zur Schichtung und Aufbau des Blockgletschers gewannen die Forscher mit geophysikalischen Untersuchungen.

Veröffentlichung:

Buchli T, Kos A, Limpach P, Merz K, Zhou X, Springman SM. Kinematic investigations on the Furggwanghorn Rock Glacier, Switzerland. Permafrost and Periglac Process. 2018;29:3–20. https://doi.org/10.1002/ppp.1968

Quelle: off. Pn der ETH Zürich 

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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