In Deutschland sind Tornados wie Erdbeben

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Im ersten Moment haben Tornados und Erdbeben nicht viel Gemeinsam. Fragt man jemanden auf der Straße, welche Gemeinsamkeiten bestehen, könnte man als Antwort bekommen, dass beide große Schäden anrichten, Existenzen zerstören, Todesopfer fordern und dass beide in Deutschland nicht auftreten. An dieser Meinung wird die letzte Woche auch nichts geändert haben. 

Es ist jedes Jahr das Gleiche. Ab April gibt es eine Flut von Horrornachrichten aus den USA. Tornados zerstören Kleinstädte, Autos werden durch die Luft geschleudert, Menschen getötet. Gleichzeitig beginnt auf der anderen Seite der Welt, fernab der Weltöffentlichkeit, ebenfalls die Tornadosaison. Wenn in den USA die Tornadosaison abebbt, oder wie in diesem Jahr sehr schwach ausfällt, richten die Medien ihren Blick auf Deutschland. Jedes Jahr ist aufs neue ist zu hören: „… das gab es in Deutschland noch nie!“ Im letzten Jahr war es genauso, aber die Ereignisse sind nach einem Tag vergessen.

Vor zwei Wochen hat ein Tornado mehrere Orte nahe Viersen getroffen. Es ist nicht gelogen, wenn man die Aufnahmen spektakulär nennt. Das sind aber auch deshalb, weil viele sich nicht richtig verhalten haben und so sehr nahe Aufnahmen – teils sogar aus dem Tornadoinneren – machten. Doch die Medien nennen den Sturm nicht nur spektakulär, sondern auch außergewöhnlich und den stärksten seit vielen Jahren. Und das ist er nicht!

Mit geschätzten Windgeschwindigkeiten von 180 bis 250 Kilometern pro Stunde ist es der stärkste Tornado in Deutschland seit Januar diesen Jahres. Glaubt man den Medien und Internetnutzern gab es das noch nie. Tatsächlich werden aber pro Jahr zwischen 30 und 60 Tornados in Deutschland aufgezeichnet. Hochgerechnet auf die Größe der Vereinigten Staaten ergibt das die durchschnittliche Anzahl der Tornados in den USA. Damit ist auch gleich klar, dass es in Deutschland nicht wenige Tornados gibt. Gemerkt hat es bisher niemand. Und das, obwohl in den letzten Jahrzehnten immer wieder Tornados auch Großstädte getroffen und Todesopfer gefordert haben. Hamburg 2016, Frankfurt 2007, Hamburg 2006 (2 Tote), Duisburg-Oberhausen-Essen 2003, vermutlich nur wenige erinnern sich daran. An an die Tornados von Linden, Boisheim/Dilkrath/Schellerbaum, Wolfen, Hamminkeln, Lippstadt, Schoneberg, und Neuhütten/Lohr erinnert sich niemand mehr. Dabei wurden alle genannten Orte in diesem Jahr von Tornados getroffen, Linden sogar erst vor einer Woche.

Bei den Erdbeben sieht es nicht anders aus. Seit drei Wochen ereignet sich im Vogtland der größte Erdbebenschwarm seit 2011. Über 100 Erdbeben, sie erreichten eine Stärke bis 4,2, waren spürbar. Es entstanden Schäden. Außerhalb der betroffenen Region wurde das Ereignis von Medien weitestgehend ignoriert. Dass es am 4. Mai ein deutlich spürbares Erdbeben in Baden-Württemberg gab, wissen auch nur die, die in der Nacht davon geweckt wurden.

Bei keinem Erdbeben in diesem Monat bestand Lebensgefahr. Bei den Tornados sah es anders aus. Doch der Erdbebenschwam im Vogtland hätte stärker sein können, nicht wenige haben mit einem Erdbeben der Stärke 4,5 gerechnet. Dann hätten Schornsteine und Giebel einstürzen und Fensterscheiben zerbrechen können. Viele waren bei den schwächeren Erdbeben kurz davor, aus dem Haus zu rennen. Von einem Schornstein möchte niemand getroffen werden.

Es sind nicht nur die schwachen Erdbeben, die ignoriert werden. Die Vergangenheit beweist, dass auch Deutschland ein erdbebengefährdetes Land ist. Zwar nicht so gefährdet wie Japan oder Indonesien, aber das ist kein Land der Welt, nicht mal in Kalifornien. Erdbeben der letzten Jahrzehnte sind vergessen. Nieder-Beerbach 2014, Saarwellingen 2008 , Waldkirch 2004, Alsdorf 2002, Roermond/Heinsberg 1992, Völkershausen 1989, Albstadt 1978… Bis auf Betroffene kennt diese Erdbeben niemand. Zugegeben, jemand aus Bremen muss die Erdbebengefährdung Deutschlands nicht kennen, aber er sollte bescheid wissen, dass sein beliebtestes Urlaubsland, sei es Spanien, Italien, Griechenland oder die Türkei, Erdbebenländer sind. Doch auch dort wird die Gefahr ignoriert.

Falls etwas passiert, sei es ein Tornado, ein Erdbeben im Urlaubsparadies, ein Erdbeben am neuen Wohnort bei Köln, ist das Geschrei groß. Eine Schuld bei jemandem zu suchen ist schwer. Den Medien alleine kann man die Schuld nicht geben, Journalisten haben in der Schule nie gelernt, dass es auch in Deutschland andere Naturkatastrophen gibt als Orkane und Hochwasser. Auch den Lehrern kann man die Schuld nicht geben, sie haben es weder gelernt, noch irgendwo in der Tagespresse gelesen.

Es ist ein großes Umdenken in Deutschland nötig, bevor beim nächsten Erdbeben, beim nächsten Tornado, beim nächsten Orkan oder bei der nächsten Sturzflut im schlimmsten Fall dutzende Menschen ihr Leben verlieren. Richtiges Verhalten sollte in Schulen gelehrt werden und in Medien erklärt werden. Medien sollten mit ihrer Hetze gegen Meteorologen aufhören und ihnen lieber mal genau zuhören. Sie sollten aufhören Mythen am Leben zu erhalten, die Aussagen, dass Deutschland der sicherste Ort des Planeten ist, an dem nur die Sonne scheint. Früher oder später wird ein starker Tornado Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf, Dortmund, Essen oder Leipzig treffen. Früher oder später wird wieder ein starkes Erdbeben Aachen, Köln, Karlsruhe, Gera oder Mainz treffen. Hoffentlich später, damit genug Zeit ist, jedem richtiges Verhalten zu zeigen, damit nicht, um es mit den Worten von Jörg Kachelmann zu sagen, jemand an Dummheit stirbt. 

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