Eine neue Studie der University of Texas in Austin hat einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Leben auf der Erde und der Bewegung der Kontinente entdeckt. Die Ergebnisse zeigen, dass Sedimente, die sich häufig aus Teilen toter Organismen zusammensetzt, eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der Geschwindigkeit der Kontinentalverschiebung spielen könnte. Die Erkenntnisse sind nicht nur eine Herausforderung für bestehende Ideen zum Zusammenspiel von Platten, sondern auch, weil sie mögliche Rückkopplungsmechanismen zwischen tektonischen Bewegungen, Klima und dem Leben auf der Erde beschreiben.
Die in Earth and Planetary Science Letters veröffentlichte Studie beschreibt, wie Sedimente, die sich unter tektonischen Platten bewegen oder darunter subduziert werden, die Bewegung der Platten regulieren könnten und zudem sogar eine Rolle beim schnellen Wachstum von Gebirgszügen und beim Wachstum der kontinentalen Kruste spielen könnten.
Die Forschung wurde von Whitney Behr, einem Forschungsstipendiat an der Jackson School und Professor an der ETH Zürich in der Schweiz, geleitet und von Thorsten Becker, einem Professor an der UT Jackson School of Geosciences und Forscher am Institut für Geophysik (UTIG), gemeinsam verfasst.
Sedimente entstehen, wenn Wind, Wasser und Eis vorhandene Felsen abtragen (Erosion) oder wenn sich Schalen und Skelette mikroskopisch kleiner Organismen wie Plankton auf dem Meeresboden ansammeln. Sedimente, die in Subduktionszonen eindringen, sind seit langem dafür bekannt, geologische Aktivitäten wie bspw. die Häufigkeit von Erdbeben zu beeinflussen. Bislang wurde jedoch angenommen, dass sie die Bewegung der Kontinente nur gering beeinflussen. Das liegt daran, dass die Geschwindigkeit der Subduktion vermutlich von der Stärke der Subduktionsplatte und dem Grad der Verformung abhängt, wie sie sich bewegt und in den viskosen Mantel gleitet. Die Bewegung des Kontinents wird dadurch angetrieben, dass auf der einen Seite eine Platte unter eine andere Platte gezogen und gleichzeitig durch aufsteigende Magmen an MORs geschoben wird. Die Stärke des Teils der Platte, der in den Erdmantel gezogen wird (und die zum Biegen erforderliche Energie), ist also die Hauptkomponente für die Geschwindigkeit der Plattenbewegung. Bislang ging man davon aus, dass Sedimente hier nur wenig Einfluss haben.
Frühere Forschungen mit UTIG-Wissenschaftlern haben jedoch gezeigt, dass die subduzierenden Platten schwächer und empfindlicher gegenüber anderen Einflüssen sind als bisher angenommen. Dies veranlasste die Forscher, nach anderen Mechanismen zu suchen, die die Plattengeschwindigkeit beeinflussen könnten. Sie untersuchten, wie verschiedene Gesteinsarten die Plattengrenzfläche beeinflussen könnten – also die Grenze, an der sich subduzierende Platten treffen. Nachfolgende Modellierungen zeigten, dass Sedimentgestein einen Schmiereffekt zwischen den Platten erzeugen kann, wodurch die Subduktion beschleunigt und die Plattengeschwindigkeit erhöht wird.
Dieser Mechanismus könnte eine komplexe Rückkopplungsschleife in Gang setzen. Wenn sich die Plattengeschwindigkeit erhöht, bleibt weniger Zeit für die Ansammlung von Sediment, so dass die Menge an subduzierendem Sediment reduziert wird. Dies führt zu einer langsameren Subduktion, wodurch Berge an den Plattengrenzen wachsen können, da die Kraft der beiden Platten, die ineinander laufen, einen Auftrieb verursacht. Die Erosion dieser Berge durch Wind, Wasser und andere Kräfte kann wiederum mehr Sedimente erzeugen, die in die Subduktionszone zurückfließen und so den Zyklus durch das Erhöhen der Subduktionsgeschwindigkeit neu starten.
„Die Rückkopplungsmechanismen dienen dazu, die Subduktionsgeschwindigkeit so zu regeln, dass sie nicht mit extrem hohen Geschwindigkeiten „davongaloppieren“, sagte Behr.
Das neue Modell von Behr und Becker bietet auch eine überzeugende Erklärung für die Variationen der Plattengeschwindigkeiten, wie etwa die dramatische Beschleunigung der indischen Platte nach Norden vor 70 Millionen Jahren. Während sich die indische Platte durch die äquatorialen Meere bewegte, bildete sich eine Fülle von organischen Sedimentgesteinen, die sich auf dem Meeresboden ansammelten und eine schmierende Wirkung in der subduzierenden Platte erzeugten. Der indische Marsch nach Norden beschleunigte sich von stattlichen 5 Zentimetern pro Jahr auf augenfällige 16 Zentimeter pro Jahr. Mit der Beschleunigung des Kontinents nahm die Menge des abgelagerten Sediments ab und Indien verlangsamte sich, bevor es schließlich mit Asien kollidierte.
Behr und Becker vermuten, dass diese Rückkopplungsmechanismen vor der Bildung von Kontinenten und der Entstehung des Lebens auf der frühen Erde sehr unterschiedlich ausfielen. Obwohl ihr Modell nicht die Ursprünge dieser Rückkopplungsmechanismen untersucht, wirft es zwingende Fragen über die Wechselwirkung zwischen kontinentalen Bewegungen und dem Leben auf der Erde auf.
„Es wird deutlich, dass die geologische Geschichte der sich bewegenden Platten von Bedeutung ist“, sagte Becker, der an der UT auch den Shell Distinguished Chair für Geophysik innehat. „Wir müssen genauer untersuchen, wie diese möglichen Rückkopplungsprozesse funktionieren.“
Veröffentlichung: Whitney M. Behr, Thorsten W. Becker. Sediment control on subduction plate speeds. Earth and Planetary Science Letters, 2018; 502: 166 DOI: 10.1016/j.epsl.2018.08.057
Quelle: off. Pm der University of Texas at Austin
Titelbildunterschrift: Der Mount Everest im Himalaya.
Pia Gaupels
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