Hinweise historischer Erdbeben: Die ruhigen Regionen des Trans-Mexikanischen Vulkangürtels könnten noch aktiv sein

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Scheinbar wenig gefährdete seismische Regionen in Mexiko haben seit dem 16. Jahrhundert mehrere, starke Erdbeben erlebt. Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Regionen viele nicht kartierte, aktive Störungslinien aufweisen. Die Gebiete befinden sich innerhalb des Trans-Mexikanischen Vulkangürtels, in dem etwa 40 Prozent der mexikanischen Bevölkerung leben, die die seismische Geschichte des Landes vielleicht nicht kennt. Neue wissenschaftliche Untersuchungen sammelten Archivdaten, die die historischen Erdbeben des Gürtels dokumentieren und wandelten die historischen Berichte in numerische Daten um. Die neue Studie im AGU Journal Tectonics ergab, dass es in den letzten 450 Jahren mindestens 16 große Erdbeben in Bereichen des Gürtels gegeben hat, die zuvor als inaktiv galten, was ein bestehendes Verständnis für die Tektonik des Gürtels in Frage stellte.

“Die Geschichte der instrumentellen Seismologie umfasst etwas mehr als 100 Jahre, aber dieses Phänomen findet zu älteren geologischen Zeitpunkten statt. Wenn wir verstehen wollen, was wirklich auf der Erde passiert…. dann müssen wir uns mit der Geschichte auseinandersetzen und sehen, was geschehen ist”, sagte Gerardo Suárez, Seismologe an der National Autonomous University of Mexico in Mexico City und Hauptautor der neuen Studie.

Der Trans-Mexikanische Vulkangürtel ist eine 1000 Kilometer lange vulkanisch tektonisch aktive Region, die sich vom Golf von Mexiko bis zum Pazifik über Mittel- und Südmexiko erstreckt. Es ist die Heimat vieler urbaner Zentren, darunter auch Mexiko-Stadt.

Unter seismischer Gefährdung versteht man die Wahrscheinlichkeit, dass ein Erdbeben in einer Region über einen bestimmten Zeitraum auftreten kann. Wissenschaftler gingen davon aus, dass die seismische Gefährdung im transmexikanischen Vulkangürtel gering ist, da es nicht viele dokumentierte Erdbeben gab.

Die rote Region ist der Trans-Mexikanische Vulkangürtel, der vom Golf von Mexiko bis zum Pazifik reicht.
(Karte: Soleincitta; CC Attribution-Share Alike 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0))

Selbst wenn eine Region seit einem Jahrhundert keine Erdbeben mehr hatte, könnte sie dennoch seismisch aktiv sein. Suárez vermutet, dass die Gebiete des Gürtels ohne bekannte Störungen – wie die zentrale und westliche Region – in der Vergangenheit dennoch Erdbeben erlebt haben könnten, weil Missionare, koloniale Regierungsbeamte und aztekische Kodizes Beschreibungen von Erschütterungen, Erdrutschen und Frakturen in der Region aufzeichneten. Bevor Erdbebenerfassungsgeräte flächendeckend eingesetzt wurden, sind Erdbeben in der Vergangenheit nur durch schriftliche Berichte identifizierbar.

Das Verständnis der Geschichte von Erdbeben im Inneren des transmexikanischen Vulkangürtels könnte dazu beitragen, die Menschen in der Region auf die potenzielle seismische Gefahr aufmerksam zu machen, so die Autoren der Studie.

Mit Hilfe der Geschichte versteckte Störungslinien entdecken

Die Forscher sammelten historische Aufzeichnungen aus mexikanischen Archiven, mit denen sie einzelne Erdbeben von 1568 bis 1920 klassifizieren konnten. Sie wählten 16 Erdbeben mit ausreichend erfassten Standorten aus und stellten die jeweiligen Schäden fest, um die Beben für die Studie zu bewerten.

Ein aztekischer Kodex namens Anales de Tlatelolco zum Beispiel registrierte 1575 eine seismische Aktivität von mehr als vier Tagen. Eines der Dörfer, in denen das Erdbeben zu spüren war – Zacaetotlán – ist im modernen Mexiko nirgendwo mehr zu finden. Eine weitere Handschrift deutet darauf hin, dass es sich bei Zacaetotlán um eine vorspanische Siedlung handelte, die in der Nähe eines Vulkans in der zentralen Region des Gürtels lokalisiert war. Ruinen wurden jedoch nie gefunden.

In einem weiteren Beispiel erschütterte 1858 ein Erdbeben der Stärke 7,6 den Bundesstaat Michoacán. Das Epizentrum lag in einer Stadt namens Morelia in der Mitte des Vulkangürtels. Dokumente aus der Zeit zeugen von den verheerenden Folgen. Das gleiche Erdbeben traf auch Mexiko-Stadt, etwa 200 Kilometer entfernt. Das Rathaus und andere Regierungsgebäude wurden beschädigt, ebenso wie Aquädukte.

Suárez und seine Kollegen wandelten die Archivzeugnisse mit der Modifizierten Mercalli Intensitätsskala in Zahlenwerte um, einer seismologischen Methode, die Erdbeben nach der Intensität der Schäden oder nach dem Empfinden der Bevölkerung einordnet. „Schwere” Erdbeben können Möbel bewegen, während “heftige” Erdbeben den Einsturz von Gebäuden verursachen. Die Skala half den Wissenschaftlern, anhand der Schadensberichte jedem Erdbeben einen Intensitätsdatenpunkt zuzuordnen und dann die Größe und das Epizentrum mit einem numerischen Verfahren abzuschätzen.

Die Ergebnisse zeigten, dass im gesamten Trans-Mexikanischen Vulkangürtel Erdbeben stattgefunden haben, selbst in Gebieten, die als geologisch inaktiv gelten. Diese Erdbeben waren besonders häufig in den zentralen und westlichen Regionen des Vulkangürtels. Einige von ihnen sind laut der Studie mit blinden Störungen verbunden, also solchen, die auf der Erdoberfläche nicht erkennbar sind.

“Wir sollten mit Erdbeben im gesamten Vulkangürtel rechnen, auch in Gebieten, in denen wir noch keine aktiven tektonischen Störungen erfassen konnten”.

Suárez

Veröffentlichung: Gerardo Suárez et al. Active Crustal Deformation in the Trans Mexican Volcanic Belt as Evidenced by Historical Earthquakes During the last 450 Years, Tectonics (2019). DOI: 10.1029/2019TC005601

Quelle: off. Pm der American Geophysical Union

Titelbildunterschrift: Die schwarzen Punkte stellen die historischen Erdbeben dar, die in der Studie verwendet wurden. Jeder Punkt hat das Jahr und die Größe des Erdbebens daneben aufgelistet. (Quelle: AGU)


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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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