Die mesozoische Wirbeltierfauna des Afro-Arabischen Kontinents ist noch immer in weiten Teilen unbekannt. Trotz ihrer wichtigen Rolle in Wirbeltierfundstellen des gleichen Alters auf anderen Kontinenten, waren gerade Pterosaurier aus diesem Teil der Welt bislang nur von einigen wenigen Fragmenten bekannt. Das neu beschriebene und nahezu vollständige Skelett des Pterodactyloiden Mimodactylus aus dem Libanon ändert das nun erstmals.
Der kürzlich von Kellner et al. beschriebene Holotypus der neuen Art Mimodactylus libanensis stammt aus dem Cenomanium der Hijoûla-Lagerstätte im Norden Libanons. Diese und die ebenfalls libanesische und etwa gleich alte Hâqel-Lagestätte fielen bereits zuvor mit den bisher besterhaltenen Pterosaurierfossilien Afrikas und Arabiens auf, darunter ein unbenannter Ornithocheiroide und der Azhdarchoide Microtuban altivolans.

Keines der bisher entdeckten Teilskelette erreicht jedoch die Vollständigkeit von Mimodactylus, dessen Skelett mitsamt Schädel und Unterkiefer und fast vollständig artikuliert erhalten ist. Somit ist die gesamte Osteologie von Mimodactylus gut bekannt. Von anderen Pterosauriern unterscheidet er sich unter anderem durch den rechtwinkligen Kamm (Deltopektoralkamm) für den Ansatz der Brustmuskulatur auf die im Vergleich zu den Fingerknochen der Flügelfingers besonders kurzen Oberarmknochen (Humeri). Die Flügelknochen deuten auf lange, schmale Flügel hin, wie man sie bei heutigen Gleitfliegern findet, was zum Fund des Skelettes in vollständig Sedimenten mit sehr wenig festländischen Fossilien passt.
Bei der neuen Gattung handelt es sich nach der phylogenetischen Analyse der Autoren um einen Ornithocheiroiden aus der Verwandtschaft der Istiodactyliden, einer ausschließlich von den nördlichen Kontinenten bekannten Gruppe.
Der nächste Verwandte von Mimodactylus ist überraschenderweise kein Afrikanischer oder Arabischer Pterosaurier, sondern der Chinesische Haopterus gracilis. Mit diesem zusammen bildet Mimodactylus die neu benannte Familie der Mimodactylidae, die einander insbesondere in Merkmalen der Zähne ähneln. Diese sind konisch (ohne Schneidekanten), nur in der vorderen Hälfte der Kiefer vorhanden und weisen einen markanten Rand (Cingulum) an der Basis auf.
Diese Zahnform könnte zu einer Ernährung von Arthropoden passen. Da die Flügelform von Mimodactylus für das wendige Fliegen zum Fangen fliegender Insekten jedoch nicht geeignet erscheint, und Insekten zudem in der Lagerstätte nicht gefunden wurden, vermuten die Wissenschaftler, dass Mimodactylus sich von den dort häufigen, im Oberflächenwasser schwimmenden Krustentieren ernährte.
Kellner, A.W.A., Caldwell, M.W., Holgado, B., Vecchia, F.M.D., Nohra, R., Sayão, J.M. and Currie, P.J. 2019. First complete pterosaur from the Afro-Arabian continent: insight into pterodactyloid diversity. Scientific Reports 9 (1): 1–9.
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Pia Gaupels



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