Ein Team von Wissenschaftlern unter der Leitung der Heriot-Watt University hat durch Kartierungen des Meeresbodens der Makassar-Straße ein potentielles neues Tsunami-Risiko in Indonesien identifiziert. Nach Ansicht des Teams zeigen ihre Ergebnisse, dass Küstengemeinden, die derzeit über keine Tsunami-Warnsysteme oder Systeme zur Schadensbegrenzung verfügen, gefährdet sein könnten. Dazu gehört auch der vorgeschlagene Standort der neuen indonesischen Hauptstadt auf der Insel Borneo.
Die Forscher nutzten seismische Daten zur Kartierung des Meeresboden der Makassar-Straße, einem schmalen Seeweg zwischen den Inseln Borneo und Sulawesi. Sie fanden Hinweise auf 19 alte unterseeische Erdrutsche. Unterseeische Erdrutsche haben schon früher Tsunami-Wellen ausgelöst, wie zum Beispiel 2018 auf Sulawesi in Indonesien, obwohl die meisten Tsunamis durch große Erdbeben verursacht werden.
„Wir haben Beweise für unterseeische Erdrutsche gefunden, die sich über einen Zeitraum von 2,5 Millionen Jahren ereignet haben. Sie ereigneten sich etwa alle 160.000 Jahre und waren von sehr unterschiedlicher Größe. Der grösste Erdrutsch umfasste 600 km3 sedimentäres Material, während der kleinste, den wir identifizierten, fünf km3 betrug. Es wird noch zahlreiche kleinere Ereignisse geben, die wir bisher noch nicht identifiziert haben.“
Dr. Rachel Brackenridge, jetzt an der University of Aberdeen
„Seismische Daten ermöglichen es uns, den Untergrund abzubilden. Die unterschiedlichen Eigenschaften der Gesteine unter dem Meeresboden erlauben es uns, die Bedingungen zu rekonstruieren, unter denen sie abgelagert wurden. Wir können einerseits einen geschichteten und geordneten Meeresboden sehen, andererseits gibt es riesige Sedimentkörper, die chaotisch abgelagert wirken. Wir können an den verschiedenen Merkmalen erkennen, dass diese Sedimente schnell und turbulent einen Abhang hinuntergeflossen sind. Es ist wie eine Unterwasser-Lawine.“
Die Forscher vermuten, dass die starke Meeresströmung, die durch die Makassar-Straße fließt, hinter den Ereignissen und eventuellen unterseeischen Erdrutschen stecken könnte. Dr. Uisdean Nicholson, der die Forschung an der Heriot-Watt-Universität leitete, sagte:
„Die Straße von Makassar ist ein wichtiges ozeanisches Tor. Hierdurch wird der Hauptanteil des indonesischen Wasserdurchflusses vom Pazifik in den Indischen Ozean transportiert – über 10 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Die Strömung wirkt wie ein Förderband, das Sediment aus dem Mahakam-Delta transportiert und am oberen Kontinentalhang nach Süden ablädt, wodurch der Meeresboden steiler und schwächer wird und eher zum Kollaps neigt.“
„Wir schätzen, dass die grössten Tsunami-Ereignisse, bei denen 100 km3 verdrängt wurden, alle 500.000 Jahre stattfanden. In Indonesien gibt es in verschiedenen Teilen des Landes Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und Frühwarnung, aber nicht in dem Gebiet, das von einer Tsunami-Welle betroffen wäre, die durch diese Erdrutsche ausgelöst wurde.“
Dazu gehören die Städte Balikpapan und Samarinda, die zusammen mehr als 1,6 Millionen Einwohner haben. Ein solches Ereignis könnte durch die Bucht von Balikpapan, den für die neue Hauptstadt Indonesiens ausgewählten Standort, konzentriert und verstärkt werden.
„Unser nächster Schritt besteht darin, das Risiko in diesem Gebiet zu quantifizieren, indem wir verschiedene numerische Modelle von Erdrutschen und Tsunami-Ereignissen erstellen. Dies könnte uns dabei helfen, eine Schwellengröße vorherzusagen, die gefährliche Tsunamis verursacht, und dazu beitragen, etwaige Abschwächungsstrategien zu entwickeln. Wir planen auch, die Küstengebiete von Kalimantan zu besuchen, um nach physischen Beweisen für historische oder vorhistorische Tsunamis zu suchen, die Ergebnisse der Modelle zu testen und unser Verständnis für diese Gefahr weiter zu verbessern.“
Professor David Tappin vom British Geological Survey und UCL war ebenfalls an der Studie beteiligt und befasst sich mit dem Tsunami in Sulawesi, der im September 2018 die gegenüberliegende Seite der Straße von Makassar traf.
„Die neue Studie über unterseeische Erdrutsche ist wichtig, um zu zeigen, dass die Tsunami-Gefahr in dieser Region Indonesiens möglicherweise größer ist als bisher angenommen, aber es sind weitere Untersuchungen notwendig, um dies zu bestätigen“.
Professor David Tappin vom British Geological Survey und UCL
Professor Ben Sapiie vom Institut Teknologi Bandung, Indonesien, betont: „Diese Forschung bereichert das Wissen der indonesischen geologischen und geophysikalischen Fachwelt über Sedimentations- und Erdrutschgefahren in der Straße von Makassar. Die Zukunft der geowissenschaftlichen Forschung beruht auf einem integrierten, multidisziplinären Ansatz mit internationalen Mitarbeitern“.
Veröffentlichung: Rachel E. Brackenridge et al. Indonesian Throughflow as a preconditioning mechanism for submarine landslides in the Makassar Strait, Geological Society, London, Special Publications (2020). DOI: 10.1144/SP500-2019-171
Quelle: off. Pm der Heriot-Watt University
Titelbildunterschrift: Übersicht des Kartierungsgebietes. (Ill.: Geological Society)
Pia Gaupels
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