Kommt ein Adlerhai geflogen

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Haie und Rochen sind die beiden bedeutendsten Gruppen der heutigen Knorpelfische und, sollte man meinen, klar voneinander zu unterscheiden. Nun jedoch stießen Forscher auf einen Hai, der die flügelartigen Flossen der Mantarochen konvergent entwickelte; den Adlerhai Aquilolamna milarcae.

Haie existieren seit über 400 Millionen Jahren und haben in ihrer langen evolutionären Geschichte diverse Formen hervorgebracht. In der Agua-Nueva-Formation aus der mittleren Kreidezeit Mexikos wurde nun 2011 in einem Plattenkalksteinbruch ein eigenartiges Fossil entdeckt. Das Fossil besteht aus einem gut erhaltenen Skelett und möglichen Hautimpressionen. Es zeigt ein Tier mit einer Körperlänge von 1,65 m, welches zu den Knorpelfischen gehörte und vermutlich ein Hai oder zumindest ein haiähnliches Tier war.

Was dieses mit dem Namen Aquilolamna milarcae versehene Tier außergewöhnlich macht, sind zwei Sachen. Zum einen verfügt dieser vermutliche Hai über keine erhaltenen Zähne, obwohl sein Schädel sehr gut erhalten ist und Zähne bei Haien normalerweise am besten präservieren. Dies lässt auf eine planktonhaltige Nahrung als Filtrierer schließen, ähnlich wie bei heutigen Mantarochen. Darauf deutet auch der stumpfe, breite Schädel.

Die zweite Eigenart von A. milarcae sind seine ungewöhnlich langen und breiten Brustflossen. Seine Flossenspannweite beträgt zwei Meter und übertrifft damit seine Körperlänge. Normalerweise benötigen Haie kürzere Brustflossen, um bei hohen Schwimmgeschwindigkeiten besser manövrieren zu können. Der Adlerhai hingegen verfügte vermutlich über eine Schwimmweise, die einem Unterwasserflug ähnelte. Ein derartiger Flug war wahrscheinlich langsam und mit Gleiten vergleichbar. Da er, ähnlich wie heutige Haie und anders als Rochen, dennoch über eine gegabelte Schwanzflosse verfügt, konnte er wohl auch durch kraftvolle Schläge dieser schwimmen.

Das Forscherteam besteht aus Wissenschaftlern aus Frankreich, Mexiko und vor allem Deutschland. Letztere sind dem Naturkundemuseum Karlsruhe, der Jura-Museum Eichstätt sowie den Universitäten in Bonn und Heidelberg zugehörig. Sie sehen im Tier einen Beweis, dass Haie in der Urzeit eine höhere Biodiversität aufwiesen, als man vielleicht glauben mag. Der Gleitflug entwickelte sich vermutlich konvergent zu dem der Rochen. Der Körperbau wird als „unerwartetes evolutionäres Experiment mit dem Unterwasserflug“ bezeichnet. Auch die Ernährung von Plankton ist evolutionär ungewöhnlich, da aus der Kreidezeit nur eine weitere Gruppe großer Planktonfresser bekannt ist, die Knochenfischfamilie Pachycormidae.

Die genaue Taxonomie des Adlerhais lässt sich schwer bestimmen, da ihm Zähne fehlen, welche bei für die Klassifikation von Haien, insbesondere ausgestorbenen Haien, unabdingbar sind. Aufgrund der gegabelten Schwanzflosse mit vergrößertem oberen Lappen wird er vorläufig den Lamniformes, also, den Makrelenhaiartigen zugeordnet.

Neben dem Adlerhai war die Agua-Nueva-Formation nahe Vallecillo noch reich an Ammoniten, Knochenfischen und Meeresreptilien.

Titelbild:

Künstlerische Darstellung von Aquilolamna milarcae. Urheber: Oscar Sanisidro

Literatur:

Vullo, R., Frey, E., Ifrim, C., ­González, M.A.G., Stinnesbeck, E.S., Stinnesbeck, W. Manta-like planktivorous sharks in Late Cretaceous oceans. Science. (2021) 371 (6535): 1253–1256. doi:10.1126/science.abc1490

Weblinks:

The ‘eagle shark’ that glided through ancient seas (phys.org)

Fossil of ‘winged’ shark that swam in Gulf of Mexico 93m years ago found | Daily Mail Online

https://www.zeit.de/news/2021-03/22/forscherteam-entdeckt-93-millionen-jahre-alten-adlerhai

Mexiko: Millionen Jahre alter »Adlerhai« aus der Kreidezeit entdeckt – DER SPIEGEL

Spektakulärer Fund aus der Kreidezeit: Der Adlerhai – Wissen – Stuttgarter Zeitung (stuttgarter-zeitung.de)

‘Winged’ eagle shark soared through oceans 93 million years ago | Live Science

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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