Forscher verwandeln Diamant in Graphit

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Per Röntgenlaser hat ein internationales Forscherteam Diamant in Graphit verwandelt. Was auf den ersten Blick nicht gerade erstrebenswert erscheint, ist ein entscheidender Schritt, um das grundlegende Verhalten von Festkörpern unter energiereicher Bestrahlung zu verstehen. Erstmals konnte das Team in seinen Experimenten den zeitlichen Ablauf der sogenannten Graphitisierung von Diamant beobachten. Die Wissenschaftler um Franz Tavella vom US-Beschleunigerzentrum SLAC, Sven Toleikis von DESY sowie Beata Ziaja von DESY und dem Institut für Kernphysik der Polnischen Akademie der Wissenschaften im Fachjournal „High Energy Density Physics“.

Diamant und Graphit sind unterschiedliche Formen von Kohlenstoff, die sich durch ihre innere Kristallstruktur unterscheiden. Diamant ist die Hochdruck-Variante, die sich im Inneren der Erde bildet und unter unseren Normalbedingungen an der Erdoberfläche metastabil ist. Das bedeutet, Diamant wandelt sich unter Normalbedingungen von selbst in Graphit um, wenn der Vorgang mit ausreichender Energiezufuhr angestoßen wird. Es gibt dazu verschiedene Wege, unter anderem durch Erhitzen unter Ausschluss von Sauerstoff oder sogar durch mechanische Schläge. Der umgekehrte Weg funktioniert auch: Mit Hitze und Hochdruck lassen sich aus Graphit künstliche Diamanten formen, die bereits einen erheblichen weltweiten Markt darstellen. „Den Graphitisierungsprozess zu verstehen, ist – abgesehen von den grundlegenden Aspekten – für alle diamantbasierten Technologien von Bedeutung, da Diamant zunehmend für praktische Anwendungen genutzt wird“, schreiben die Forscher.

Diamant und Graphit sind zwei unterschiedliche Formen von Kohlenstoff. Den Ablauf der sogenannten Graphitisierung von Diamant haben die Forscher nun per Röntgenlaser detailliert verfolgt.
(Bild: DESY, Gesine Born)

Die Forscher hatten kleine, nur 0,3 Millimeter dünne Diamantscheiben mit den ultrakurzen Blitzen des italienischen Freie-Elektronen-Röntgenlasers FERMI in Triest beschossen. Derart intensive Laserpulse zerstören normalerweise die innere Ordnung eines Festkörpers, die daraus folgende innere Unordnung nennen Forscher amorph. Diamant ist dabei eine Ausnahme: Seine innere Struktur geht durch den Beschuss in eine andere Ordnung über, die aus dem Diamanten Graphit macht. „Es war bereits grundsätzlich bekannt, dass Diamant graphitisiert, wenn man genügend Energie hineinschießt“, erläutert Toleikis. „Aber es war nicht bekannt, wie das genau passiert.“

Dabei gibt es zwei mögliche Pfade: Den gewöhnlichen sogenannten thermischen Übergang, bei dem die absorbierte Energie auf das Kristallgitter im Diamant übertragen wird, bis es sich schließlich in der Graphitstruktur neu organisiert. Und den nicht-thermischen Modus, bei dem bereits die Energie, die nur von einem kleinen Teil der Elektronen im Diamanten absorbiert wird, ausreicht, um die inneren Potenzialflächen zu verschieben und so eine Neuorganisation des Kristallgitters auszulösen. „Der nicht-thermische Übergang ist viel schneller als der thermische, der auf der Skala von Pikoskunden abläuft“, berichtet Ziaja. Eine Pikosekunde ist eine billionstel Sekunde.

Zusätzlich zu den Experimenten haben die DESY-Forscher Nikita Medvedev, Victor Tkachenko und Beata Ziaja eine Computersimulation für den röntgeninduzierten Phasenübergang in Diamant entwickelt. „Unser Programm sagt vorher, dass der untersuchte Übergang nicht-thermisch abläuft, und unsere Experimente haben das bestätigt“, sagt Ziaja, die am Hamburger Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) arbeitet, einer Kooperation von DESY, Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesellschaft. Mit den nur etwa 50 Femtosekunden kurzen Röntgenblitzen von FERMI konnten die Forscher den Ablauf des Phasenübergangs verfolgen und seine Dauer zu lediglich etwa 150 Femtosekunden bestimmen. „Es ist das erste Mal, dass dies zeitaufgelöst beobachtet werden konnte“, unterstreicht Toleikis. Eine Femtosekunde (eine billiardstel Sekunde) ist tausend Mal kürzer als eine Pikosekunde.

„Die Röntgenblitze regen die Elektronen an“, erklärt Hauptautor Tavella. „Wenn sich nur etwa 1,5 Prozent der Elektronen in einem angeregten Zustand befinden, beginnt der Kristall bereits, seine innere Organisation zu verändern und in den Graphit-Zustand zu kippen.“ Die Beobachtungen beantworten nicht nur die Frage, wie Diamant zu Graphit wird, sie bestätigen auch das für die Simulation entwickelte Computerprogramm. „Wir können das Programm jetzt auch für andere Materialien benutzen und haben beispielsweise bereits Berechnungen für Silizium und Galliumarsenid gemacht“, berichtet Ziaja. „Es kann für beliebige Anregungsexperimente mit Röntgenlasern benutzt werden.“ Wegen der großen industriellen Bedeutung von Diamant sind seine Stabilität und die Frage der Graphitisierung unter verschiedenen Faktoren wie Hochdruck, Beschuss mit optischen Lasern und Hitze untersucht worden. Erst Freie-Elektronen-Laser mit ihren ultrakurzen Blitzen haben jedoch die Forscher in die Lage versetzt, den Phasenübergang auf der Femtosekunden-Skala zu verfolgen.

Veröffentlichung: Soft x-ray induced femtosecond solid-to-solid phase transition; Franz Tavella, Hauke Höppner, Victor Tkachenko, Nikita Medvedev, Flavio Capotondi, Torsten Golz, Yun Kai, Michele Manfredda, Emanuele Pedersoli, Mark J. Prandolini, Nikola Stojanovic, Takanori Tanikawa, Ulrich Teubner, Sven Toleikis, Beata Ziaja; „High Energy Density Physics”, 2017; DOI: 10.1016/j.hedp.2017.06.001

Quelle: off. Pn des DESY

 

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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