Inselketten wie jene von Hawaii liegen über sogenannten Hotspots, an denen ständig heißes Magma emporquellt. Ob es solche aktiven Hotspots auch im Südatlantik gibt, war bislang umstritten. Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler vom AWI und vom MARUM haben jetzt wichtige Indizien geliefert: Ganz offensichtlich gibt es einen solchen Hotspot mitten im Südatlantik – nahe der Insel Tristan da Cunha.
Viele Menschen haben schon einmal Luftbilder von Hawaii gesehen – jener exotischen Inselgruppe, die wie an einer Perlenkette aufgereiht inmitten des Pazifiks liegt. Hawaii ist entstanden, weil sich weit unter dem Meeresboden eine Art Schwachstelle befindet. Tief im Untergrund an der Grenze von Erdkruste und Erdmantel wallt permanent besonders heißes und leichtes Magma nach oben. Immer wieder wird es bis an die Oberfläche gepresst. Es ergießt sich am Meeresgrund ins Meer oder entlädt sich in kleinen vulkanischen Eruptionen an Land. Hotspot nennt man diese stetig glühenden Stellen in den Ozeanen, an denen die Magmamassen besonders leicht emporwallen. Im Laufe von Jahrmillionen schiebt sich die ozeanische Platte über den Hotspot hinweg, sodass dieser immer wieder neue Inseln aufwirft. So entsteht die typische Inselkette.
Ob es im Atlantischen Ozean ebenfalls einen solchen typischen Hotspot gibt, der heute noch aktiv ist, war unter Experten bislang umstritten. Ein Team um die Geowissenschaftler Wolfram Geißler vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) und Paul Wintersteller vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen konnten jetzt durch eine Vermessung des Meeresbodens entscheidende Hinweise liefern: Nahe Tristan da Cunha, einer Insel von der Größe Sylts, die inmitten des Südatlantiks liegt, befindet sich offenbar ein Hotspot, der seit 130 Millionen Jahren aktiv ist.
Die Wissenschaftler hatten während einer Schiffsexpedition den Meeresboden mit Messgeräten abgescannt. Zum einen mit einem Fächerecholot, das Tiefenprofile vom Meeresboden aufnimmt, und zum zweiten mit einem Sediment-Echolot, das bis zu 200 Meter weit in das Sediment hineinschauen kann. „Westlich von Tristan da Cunha haben wir mehrere bislang unbekannte Vulkankegel entdeckt, die unter Wasser liegen“, sagt Wolfram Geißler. „Die Strukturen am Meeresboden gleichen hier jenen, die man von typischen Hotspots kennt“ – ein erster Hinweis auf vulkanische Aktivität.
Um zu klären, ob es in geologisch jüngerer Zeit – also in den vergangenen Jahrtausenden – magmatische Aktivität gegeben hat, nahmen die Forscher die Sediment-Echolot-Daten zu Hilfe. Diese zeigten, dass auf dem Sediment am Meeresboden Massen erstarrten Magmas liegen. Das Magma muss also in jüngerer Zeit aus dem Untergrund emporgequollen sein und sich auf das ältere Sediment gelegt haben. Die Ergebnisse von Wolfram Geißler und Paul Wintersteller legen also nahe, dass es sich bei Tristan da Cunha tatsächlich um einen aktiven Hotspot handelt. Bislang hatte es nur einige wenige unsichere Hinweise darauf gegeben. So hatten deutsche und japanische Forscher vor einigen Jahren den Meeresboden um Tristan da Cunha mit seismischen und elektromagnetischen Geräten untersucht, die tief ins Gestein hineinblicken. Die Messdaten deuteten an, dass es dort eine Schwachstelle ähnlich wie beim hawaiianischen Hotspot geben könnte. Für eine sichere Aussage aber waren diese Indizien zu schwach.
Mit den detaillierten Daten vom Meeresboden haben die AWI- und MARUM-Experten jetzt die entscheidenden Indizien nachgeliefert. „Um ganz sicher zu gehen, müssen wir noch Gesteinsproben vom Meeresgrund holen“, sagt Wolfram Geißler. „Aber wir gehen schon jetzt davon aus, dass es sich um einen heute noch aktiven Hotspot handelt.“
Veröffentlichung: Wolfram H. Geissler, Paul Wintersteller, Marcia Maia, Anne Strack, Janina Kammann, Graeme Eagles, Marion Jegen, Antje Schloemer, Wilfried Jokat: Seafloor evidence for pre-shield volcanism above the Tristan da Cunha mantle plume. Nature Communications 2020. DOI: 10.1038/s41467-020-18361-4
Quelle: off. Pm des Marum
Titelbildunterschrift: Nahe der Insel Tristan da Cunha im Südatlantik befindet sich offenbar ein Hotspot, der seit 130 Millionen Jahren aktiv ist. Foto: Wolfram Geißler, AWI.
Pia Gaupels
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