An der Ostküste Grönlands entdeckten Forscher der Universität Uppsala eine neue Art und Gattung der Mammaliaforma („Säugetierförmigen“). Gefunden wurde ein Bruchstück eines etwa 215 Millionen Jahren alten Unterkiefers, das zu einem Tier gehörte, das etwa die Größe einer Spitzmaus hatte.
Die Besonderheit dieses Fundes ist es, das es sich um die früheste Form eines Kiefers handelt, der Zähne mit Reihen von Zahnwurzeln aufweist. Durch diesen Fund lassen sich neue Erkenntnisse auf die Säugetierzahn-Evolution gewinnen, die bisher im Dunkeln lagen.
Die Ergebnisse der Studie wurde im wissenschaftlichen Journal Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.
Die Vorfahren der Säugetiere
Etwa vor 205 Millionen Jahre tauchten die ersten Säugetiere auf. Zu ihren Vorfahren werden die „Synapsiden“ gezählt. Eine Gruppe, die als „säugetierähnliche Reptilien“ oder als „Proto-Säugetiere“ bezeichnet wird.
Charakteristisch ist ihre Entwicklung von Zähnen mit mehreren Zahnwurzeln, sowie die Entwicklung einer komplexen Form der Okklusion – also der Kontakt zwischen den Zähnen des Ober- und des Unterkiefers. Diese Innovationen entwickelten sich in zwei weitere Abstammungslinien der Mammaliamorpha (Tritylodontidae und Mammaliaformes); einer Gruppe, die zu den nahen Vorfahren der Säugetiere zählen.
Diese Gruppen haben molar-ähnliche Zahnreihen entwickelt, die für eine Ernährungsweise als Allesfresser hindeuten. Allerdings blieb es bisher im Unklaren, wie sich die vielfältigen Formen der Zahnhöcker und Zähne mit Doppelwurzeln entwickelt haben. Bisherige Fossilienfunde von aus der Trias zeigen, das anhand ihrer Vielzahl an Zahnformen und -strukturen noch „experimentiert“ wurde.
Ein Fund aus Grönland kann jedoch jetzt mehr Licht in die Zahnentwicklung frühester Säugetierformen bringen. Zudem ergaben erste Untersuchungen zur Kieferanatomie und Zahnstruktur am Fund, dass es sich um den Kiefer einer völlig neue Art und Gattung der Mammaliaforma handelt.
Fundort und Beschreibung
Die Kieferreste wurde in der Liasryggen Site gefunden; ein Fundort an der Ostküste Grönlands in der Region der Halbinsel Jamesonland liegt. Das Alter des Fundes wird auf etwa 215 Millionen Jahren geschätzt. Aufgrund der Größe des Unterkiefers hatte das Tier die Größe einer Spitzmaus. Auch eine Fellbedeckung wird beim Tier nicht ausgeschlossen. Wie wichtig dieser Fund für die Forschung ist, erklärt der Finder des Fossils:
„Ich wusste, dass es wichtig war, als ich dieses 20-mm-große Exemplar vom Boden nahm.“ , sagt Grzegorz Niedzwiedzki, Paläontologe, korrespondierender Autor der Studie und Leiter der Forschungsgruppe. (Anmerk.: übersetzt aus dem Englischen)
Das Fossil, das den Namen Kalaallitkigun jenkinsi erhielt, zeigt die älteste bekannte Form eines Kiefers, der zwei Reihen Zahnhöcker und Zähne mit einer Doppelwurzel aufweist.
Die Zähne ähneln den molaren Zähnen heutiger Säugetiere. Die Zahnkronen deuten daraufhin, dass es sich um einen Pflanzen- oder Allesfresser handeln könnte.
Untersuchungsmethode und Ergebnis der Studie
Der Gebiß-Fund unterlief verschiedene Arten von Untersuchungen wie vergleichende Anatomie, Computertomographie-Scans und der „Finite-Elemente-Methoden“.
Die Zähne von Kalaallitkigun jenkinsi wurden zudem auf ihre biomechanischen Eigenschaften untersucht. Ergebnis ist, dass dank der breiten Zahnoberfläche – im Zusammenhang mit der Ausbildung mehrerer Zahnwurzeln – die Drucklast besser auf der Zahnoberfläche verteilt wurde als bei einem vergleichbaren Zahn mit nur einer Wurzel.
Die Erweiterung der Zahnkronen helfen zudem, Nahrung besser zu zermahlen. Eine ähnliche bissbezogene Stressresistenz und Form der Zähne ist vergleichsweise beim menschlichen Gebiß zu beobachten.
„Unsere Entdeckung des ältesten Vorfahren von Säugetieren mit doppelwurzeligen Backenzähnen zeigt, wie wichtig die Rolle der Zähne für die Entstehung von Säugetieren war. Ich hatte die Idee, mir den Biomechanik und die Zusammenarbeit mit den Ingenieuren anzuschauen, die großartig waren“ (Anmerk.: übersetzt aus dem Englischen)
Tomasz Sulej von der Polnische Akademie der Wissenschaft und Erstautor
Letztendlich tragen die neu erworbenene Kenntnisse dazu bei, wichtige Lücken in unserem Verständnis der Evolution der Mammaliaforma zu schließen. Sie zeigen eine Übergangsstadium zwischen Triconodonta-ähnlichen Molarmustern der Morganucondontiden und den Zahnhöckern der Haramiyida.
Zum Schluss bemerkt Tomasz Sulej noch in Bezug auf weitere zukünftigen Forschungen und Untersuchungen zum Thema Säugetiere und deren Gebiß- und Zahnevolution:
„Es scheint, dass die Fossilien der Säugetiervorfahren in noch älteren Gesteinen gesucht werden müssen.“ (Anmerk.: übersetzt aus dem Englischen)
Veröffentlichung: PNAS October 27, 2020 117 (43) 26861-26867; first published October 12, 2020; https://doi.org/10.1073/pnas.2012437117
Quellen des Interview: http://www.sci-news.com/paleontology/kalaallitkigun-jenkinsi-08962.html
Titelbild: Eine künstlierische Interpretation von Kalaallitkigun jenkinsi, Bildnachweis: Marta Szubert

Pia Gaupels



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