Berechnungen und Modelle eines Teams aus Utrecht und Potsdam zeigen, wie ein aus dem Erdmantel gespeister Supervulkan Erdkrustenplatten nicht nur spreizte, sondern auch drehte. Die Vorgänge, die vor 105 Millionen Jahren begannen, haben noch heute dramatische Folgen: Erdbeben im Mittelmeerraum entstehen durch die seinerzeit angestoßenen Subduktionsprozesse.
Die Platten der Erdkruste vollführen komplizierte Bewegungen, die sich auf einfache Mechanismen zurückführen lassen. Das ist die kurze Version der Erklärung eines Risses, der die Welt vor 105 Millionen Jahren auf einer Länge von mehreren tausend Kilometern zu zerreißen begann. Die wissenschaftliche Erläuterung erscheint heute in der Zeitschrift Nature Geoscience.
Ein Supervulkan hat demnach die Erdkruste über 7.500 Kilometer Länge gespalten und die Indische Platte von der Afrikanischen Platte weggedrückt. Ursache war ein „Plume“ im Erdmantel, also eine Aufwallung heißen Materials, das wie ein Atompilz in Superzeitlupe nach oben dringt. Dass die indische Landmasse sich damit auf den Weg nach Norden gemacht hat und an Eurasien stieß, ist lange bekannt. Dass aber eine scheinbar widersinnige Ost-West-Bewegung der Kontinentalplatten Teil des Prozesses war, wird durch Berechnungen eines Teams um den holländischen Wissenschaftler Douwe van Hinsbergen (Universität Utrecht) und Bernhard Steinberger (Deutsches GeoForschungsZentrum) belegt.
Den Erkenntnissen zufolge bewegte sich die Indische Platte nicht einfach weg von Afrika, sondern drehte sich dabei. Grund dafür ist der Subkontinent, dessen Landmasse auf der weit größeren Platte wie eine Achse wirkt, um die sich die gesamte Platte dreht. Im Süden öffnete sich die Schere, im Norden schloss sie sich – dort wurden Gebirgsbildungsprozesse und das untereinander Abtauchen von Krustenplatten („Subduktion“) induziert.
Das hat dramatische Auswirkungen bis in die Jetztzeit: Die Subduktionsprozesse dauern an und lösen immer wieder Erdbeben in der Mittelmeerregion zwischen Zypern und der Türkei aus. Die Spuren des „Plumes“ und des Supervulkans können heute noch identifiziert werden. Es sind Flutbasalte auf Madagaskar und im Südwesten Indiens. Sie zeugen von immenser vulkanischer Aktivität, die von dem Mantel-Plume genährt wurde.
Bernhard Steinberger hat berechnet, welche Bewegung und welchen Druck der Supervulkan nahe dem heutigen Madagaskar weiter im Norden an der Arabischen Halbinsel und im jetzigen Mittelmeerraum auslösen konnte. Er hat dazu auch ein “Küchentisch-Experiment” auf Youtube veröffentlicht (nur Englisch), welches die Bewegungen eindrücklich veranschaulicht.
Veröffentlichung: Douwe J.J. van Hinsbergen, Bernhard Steinberger, Carl Guilmette, Marco Maffione, Derya Gürer, Kalijn Peters, Alexis Plunder, Peter McPhee, Carmen Gaina, Eldert L. Advokaat, Reinoud L.M. Vissers, Wim Spakman, “A record of plume-induced plate rotation triggering subduction initiation”, Nature Geoscience https://doi.org/10.1038/s41561-021-00780-7.
Quelle: off. Pm des GFZ Potsdam
Titelbildunterschrift: Die 3-D-Darstellung zeigt den so genannten Mantel-Plume, der den Supervulkan speiste und die Platten auseinander drückte.
(Ill.: Alisha Steinberger, GFZ)
Pia Gaupels
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