Langhalsdinosaurier-Schwänze: Sehr schnell, aber doch kein Überschall

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Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Fachbereichs Biologie der Universität Hamburg hat mithilfe von Computermodellen und Methoden aus den Ingenieurwissenschaften die Beweglichkeit von Dinosaurierschwänzen analysiert. Laut einer in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlichten Studie stellten die Forscher dabei fest, dass diese Schwänze zwar mehr als 100 Kilometer pro Stunde schnell bewegt werden konnten. Anders als bislang angenommen erreichten sie aber keine Überschallgeschwindigkeit.

Diplodociden waren große pflanzenfressende Dinosaurier mit langen Hälsen und langen Schwänzen. In einer früheren Studie wurde angenommen, dass sich eine hypothetische Struktur am Ende des Schwanzes eines Diplodociden, ähnlich wie das Ende einer Peitsche, schneller als die Schallgeschwindigkeit (340 Meter pro Sekunde) bewegen und einen Überschallknall erzeugen könnte.

Um diese Hypothese zu überprüfen, simulierte das internationale Forschungsteam die Bewegungen des Schwanzes von Diplodociden anhand eines Modells, das auf fünf fossilen Diplodociden-Skeletten basierte. Das virtuelle Schwanzmodell ist über 12 Meter lang, würde in echt 1.446 Kilogramm wiegen und besteht aus 82 Zylindern, die Wirbel darstellen sollen und an einem unbeweglichen, virtuellen Becken befestigt sind.

„Die Forschung war eine ziemliche Herausforderung, denn wir mussten das Problem mit zwei Methoden angehen, die normalerweise in der Luft- und Raumfahrttechnik verwendet werden: die Mehrkörpersimulation und die Abschätzung der Belastbarkeit der Materialien“, berichtet der Erstautor der Studie, Simone Conti von der Universidade NOVA de Lisboa und dem Politecnico di Milano.

Die Forscher testeten nun, ob ihr Modellschwanz der Belastung standhalten würde, sich schnell genug zu bewegen, um einen Überschallknall zu erzeugen. Dazu wurde die Schwanzbasis in einem Bogen bewegt, so dass eine peitschenartige Bewegung entstand. Dabei stellten sie fest, dass sich der dünne Schwanz nicht mit einer Höchstgeschwindigkeit von 340 Metern pro Sekunde bewegen konnte, ohne zu reißen.

Anschließend untersuchten sie drei verschiedene hypothetische Strukturen von einem Meter Länge, die am Ende des Modellschwanzes angebracht wurden und das Ende einer Peitsche nachahmen sollten. Die erste Struktur bestand aus drei Haut- und Keratin-Segmenten, die zweite aus geflochtenen Keratin-Fäden und die dritte aus Weichgewebe, dessen Form einem mittelalterlichen Werkzeug, dem Dreschflegel, nachempfunden war. Das Ergebnis: Keine der Strukturen war in der Lage, der Belastung einer Bewegung mit 340 Metern pro Sekunde standzuhalten. Damit zeigten beide unterschiedlichen Analysen, dass das Schwanzende von Diplodociden wohl nicht Überschallgeschwindigkeit erreichen konnte.

Die Simulationen legen nahe, dass die Schwänze der Diplodociden lediglich eine Höchstgeschwindigkeit von 33 Metern pro Sekunde (mehr als 100 Kilometer pro Stunde) erreichen konnten. Das ist zwar sehr schnell, aber mehr als zehnmal langsamer als die Schallgeschwindigkeit und damit zu langsam, um einen Überschallknall zu erzeugen, was im Widerspruch zu der früheren Studie steht.

„Obwohl die Schwänze der Diplodociden also nicht schnell genug bewegt werden konnten, um einen Überschallknall zu erzeugen, ist es doch wahrscheinlich, dass sie als Verteidigungswaffen oder im Kampf mit anderen Diplodociden eingesetzt werden konnten. Ob das jetzt in einem Revierkampf oder im Wettbewerb um Fortpflanzungspartner war, bleibt natürlich spekulativ“.

Paläontologe Dr. Emanuel Tschopp, Alexander von Humboldt Forschungsstipendiat am Fachbereich Biologie der Universität Hamburg und Co-Autor der Studie.

Veröffentlichung: Multibody analysis and soft tissue strength refute supersonic dinosaur tail, S. Conti, E. Tschopp, O. Mateus, A. Zanoni, P. Masarati, and G. Sala, Scientific Reports, 12:19245 (2022). DOI: https://doi.org/10.1038/s41598-022-21633-2

Quelle: Universität Hamburg

Titelbildunterschrift: Winkel der Drehung gegenüber der X-Achse, die mit der für die ersten acht Wirbel vorgeschriebenen Bewegung erreicht wird. (Simone Conti/Zachi Evenor)



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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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