Ein internationales Team von Wissenschaftlern unter der Leitung der Rutgers University, das in einer Meereshöhle in Indonesien gegraben hat, hat die unberührteste Tsunami-Aufzeichnung der Welt entdeckt. Eine 5000 Jahre alter Sediment-Schnappschuss, der zum ersten Mal zeigt, wie wenig wir über den Vorgang wissen, wenn Erdbeben massive Wellen auslösen. Die Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Nature Communications vorgestellt.
„Der verheerende Tsunami von 2004 im Indischen Ozean erwischte Millionen von Küstenbewohnern und die wissenschaftliche Gemeinschaft völlig überraschend“, sagt Co-Autor Benjamin Horton, Professor in der Abteilung für Marine-und Küstenwissenschaften an der Rutgers University-New Brunswick. „Unsere geologischen Aufzeichnungen aus einer Höhle zeigen, dass wir immer noch nicht vorhersagen können, wann das nächste Erdbeben passieren wird.“
„Tsunamis treten in der Erdgeschichte nicht in gleichmäßigen Abständen auf“, sagt Charles Rubin, der Hauptautor der Studie und Professor am Earth Observatory of Singapore der Nanyang Technological University. „Unsere Erkenntnisse stellen ein besorgniserregendes Bild von höchst unregelmäßigem Aufkommen von Tsunamis dar. Es gibt teilweise sehr lange Zeitabstände zwischen Tsunamis, aber große Tsunamis können auch in Zeiträumen auftreten, die nur wenige Jahrzehnte voneinander getrennt sind.“
Die Entdeckung protokolliert eine Reihe von wissenschaftlichen Premieren:
- zum ersten Mal wurde eine Aufzeichnung eines Tsunamis in einer Meereshöhle gefunden
- zum ersten Mal zeigt die Aufzeichnung einen so langen Zeitraum im Indischen Ozean
- zum ersten Mal wurde weltweit eine so ursprüngliche und gut erhaltene Aufzeichnung von Tsunamis gefunden.
Die Entdeckung wurde in einer Meereshöhle an der Westküste von Sumatra – südlich der Stadt Banda Aceh – gemacht. Im Dezember 2004 wurde diese Region stark von einem Tsunami verwüstet. Die stratigraphische Aufzeichnung dieser Höhle zeigt aufeinanderfolgende Schichten von Sand, Fledermauskot und anderen Trümmern von Tsunamis, die zwischen 7.900 und 2.900 Jahren auftraten. Die Stratigraphie der letzten 2.900 Jahre wurde durch den Tsunami 2004 zerstört.
Die L-förmige Höhle hat einen Felsenrand am Eingang, der aufeinanderfolgende Sandschichten auffing. Die Forscher gruben sechs verschiedene Gräben und analysierten die wechselnden Schichten von Sand und Schmutz mit der Radio-Carbon-Methode. Die Forscher definieren „unberührte Schichten“ als stratigraphische Schichten, die deutlich und leicht zu lesen sind. „Sie haben eine Schicht mit Sand und eine Schicht mit organischem Material, die Fledermauskot enthält. Einfach ausgedrückt wechseln sich Schichten mit Sand und Fledermausscheiße ab. Und so geht das für 5.000 Jahre weiter“, sagt Horton.
Die Aufzeichnung zeigt an, dass während dieser Zeit 11 Tsunamis durch Erdbeben entlang des Sunda Grabens – eine 5.310 km langen Störung, die von Myanmar bis nach Sumatra im Indischen Ozean verläuft – ausgelöst wurden. Die Forscher fanden dort zwei Tsunami-freie Jahrtausende während der 5.000 Jahre und ein Jahrhundert, in dem vier Tsunamis die Küste getroffen haben. Im Allgemeinen berichten die Wissenschaftler, dass kleinere Tsunamis relativ zeitnah auftreten. Daraufhin folgt eine lange und ruhige Perioden, die dann von großen Beben und Tsunamis, wie es 2004 der Fall war, plötzlich beendet wird.
Rubin, Horton und ihre Kollegen studierten die seismische Geschichte des Sundagrabens, der für das Erdbeben 2004 verantwortlich war und den katastrophalen Tsunami auslöste. Sie suchten nach Orten, um Kernproben zu nehmen, die ihnen eine gute Stratigraphie zeigen würden.
Hierbei handelt es sich um das, was Horton „Ablagerungsorte“ nennt: Küstenebenen, Küstenböden, jeder Ort, um einen hohlen Metallzylinder sechs oder sieben Meter nach unten zu bohren und lesbare Proben zu produzieren. Aber aus verschiedenen Gründen gab es solche Stellen, die sich dafür eignen, entlang der Südwestküste von Sumatra nicht. Aber Patrick Daly, ein Archäologe bei EOS, der in der oben genannten Küstenhöhle gearbeitet hat, erzählte Rubin und Horton davon und erklärte, dass diese Höhle der passende Ort für die Bohrungen sein könnte, den sie suchen.
Horton hat nicht damit gerechnet, Tsunamiaufzeichnungen in einer Meereshöhle zu suchen. Dalys professionelle Großzügigkeit und seine eigene und Rubins Offenheit für Einblicke in andere Disziplinen machten die Forschung erst möglich. Für Horton ist dies das wichtigste Paper seiner Karriere, aber aus einem anderen Grund:
„Vieles meiner Forschung ist inkrementell, baut also aufeinander auf. Ich habe eine Hypothese und durch deduktive Forschung teste ich die Hypothese, aber dies hier ist wirklich ursprünglich und ursprüngliches Zeug kommt nicht mehr so häufig vor in meiner Arbeit.“
Veröffentlichung:
Charles M. Rubin, Benjamin P. Horton, Kerry Sieh, Jessica E. Pilarczyk, Patrick Daly, Nazli Ismail, Andrew C. Parnell. Highly variable recurrence of tsunamis in the 7,400 years before the 2004 Indian Ocean tsunami. Nature Communications, 2017; 8: 16019 DOI: 10.1038/NCOMMS16019
Quelle: off. Pn der Rutgers University / State University of New Jersey
Pia Gaupels
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