Seltsamer „Vogelkopf“ aus der Trias

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Aus New Mexico wurde aus triassischen Schichten beschrieben ein neues fossiles Reptil, welches überaus seltsame Eigenschaften aufweist. Die neue Art gehört zu einer kleinen Gruppe von kleinen triassischen Reptilien, die immer noch geheimnisumwittert ist: Den Drepanosauridae.

Der Fund.  Die Beschreibung der bemerkenswerten Knochenreste, gefunden im sogenannten Coelophysis Quarry in New Mexico, übernahmen Adam Pritchard von der Stony Brook und der Yale University und Sterling Nesbitt von der Virginia Tech – letzterer hat sich in den letzten Jahren einen Namen mit zahlreichen Papern zu triassischen Reptilien und vor allem der Phylogenie der frühen Archosaurier gemacht. Auch die neuen Fossilien stammen aus einer triassischen Formation, der Chinle-Formation, die in die Obere Trias datiert wird, mit einem Alter zwischen vermutlich 215 und 205 Millionen Jahren vor heute. Es handelt sich um einen teilweise erhaltenen, etwas zerdrückten Schädel und einige Halswirbel, die entdeckt wurden, als man eigentlich einen anderen Fund aus einem Gesteinsblock freipräparieren wollte. Der Schädel hatte eine Länge von nur wenigen Zentimetern. Ob einige andere kleinere Beinknochen und Schwanzwirbel von einer anderen Stelle des Gesteinsblocks zu selben Tier gehören, ist unsicher, daher haben Pritchard und Nesbitt für die Beschreibung der neuen Art nur den Schädel und die Halswirbel herangezogen.

Mit Hilfe eines Mikro-CTs konnten dreidimensionale Bilddaten der Schädelreste gewonnen werden, wodurch der kleine Schädel bemerkenswert genau und anschaulich rekonstruiert werden konnte. Seine Form ist bemerkenswert: Eine kurze Schnauze, die in einen zahnlosen Schnabel ausläuft, dahinter große Augen, die anscheinend teilweise nach vorne gerichtet sind. Der runde Hirnschädel beinhaltete wohl ein in Teilen verhältnismäßig großes Gehirn beinhaltete. Alles in allem sehr vogelartig! Daher wurde die neue Art nun auch entsprechend genannt: Avicranium renestoi. Der Gattungsname bedeutet schlicht „Vogelschädel“ und der Artname  den italienischen Paläontologen Silvio Renesto. Letzteres hat einen Grund: Renesto beschrieb viele wahrscheinliche Verwandte von Avicranium renestoi aus den Trias-Schichten Italiens. Denn Avicranium renestoi gehört zu einer etwas mysteriösen Gruppe: Den Drepanosauridae.

AvicraniumHolotyp

Der Holotyp von Avicranium renestoi, Indexnummer AMNH FARB 30834. Er besteht aus einem unvollständigen, zerdrückten Schädel und den ersten vier Halswirbeln. Oberer Teil der Abbildung: Dreidimensionale  Abbildung des Fundes auf Basis von Mikro-CT-Daten. a) Ansicht von oben. b) Ansicht von unten. c) Ansicht von der linken Seite. Unterer Teil der Abildung: Zeichnerische Rekonstruktion der erhaltenen Schädelelemente. Die Farbzuordnung zu den einzelnen Knochen ist mit der der Mikro-CT-Darstellungen identisch. Quelle: Pritchard & Nesbitt 2017, Anordnung leicht verändert durch S. Reiss.

Seltsame kleine Baumbewohner.  Die Drepanosauridae sind eine bis heute wenig erforschte und auch nur von wenigen Arten bekannte Gruppe kleiner Reptilien aus der oberen Trias. Zusammen mit wenigen anderen Arten bilden sie die Drepanosauromorpha. Diese weisen zum Teil seltsame Spezialisierungen auf, zum Beispiel zahnlose Schnäbel, hakenbewehrte Greifschwänze, greiffähige Füße und andere anatomische Details. In aller Regel werden die Tiere derzeit als baumbewohnend interpretiert. Alle stammen aus der Obertrias Europas und der USA und wurden kaum länger als einen halben Meter.

Diese Tiere bleiben mysteriös, nicht zuletzt, weil ihre phylogenetische Position im Reptilienstammbaum rätselhaft bleibt. Der ganzen Gruppe der Drepanosauromorpha oder zumindest einzelnen Mitgliedern wurde schon eine Nähe zu den Archosauriern oder aber zu den Lepidosauriern (dazu gehören die heutigen Eidechsen und Schlangen) nachgesagt, in anderen Analysen landeten sie direkt neben primitiven Pterosauriern außerhalb der Archosaurier, in wieder anderen Analysen schienen sie eine Art basale Reptilienlinie zu sein. Je nachdem welchen Datensatz man anwendet, springen sie also in ihrer Position quer durch den Stammbaum.

Avicranium renestoi liefert nun weiteren Aufschluss zur Schädelanatomie dieser Tiere, was eine neue Merkmalsanalyse ermöglicht. In dieser stellen sich die Drepanosauromorpha tatsächlich als eine sehr alte und sehr basale Abzweigung der diapsiden Reptilien heraus, die ihren Ursprung tief im Perm hat. Wenn das stimmt, hat dies zwei wichtige Konsequenzen:

  1. Eine wesentlich größere Zahl verschiedener Reptilienlinien überlebte dann das Massenaussterben am Ende des Perm.
  2. Zwischen dem hypothetischen Ursprung im Perm und dem tatsächlichen fossilen Nachweis der Drepanosauromorpha in der Obertrias liegt eine lange „Ghostline“ von wenigstens 40 oder mehr Millionen Jahren Dauer.

Letztere bleibt dann erstmal eine Hypothese, bis sie durch neue Funde, die die zeitliche Lücke füllen könnten, bestätigt würde. Künftige Bearbeiter könnten hier vielleicht auf spannende neue Fossilfunde hoffen, die die Ursprünge der Drepanosauromorpha aufhellen. Es ist die Art des vielleicht doch eines Tages gelösten Rätsels, die die Paläontologie so spannend machen.

Artikel

Pritchard, A.C. & Nesbitt, S.J. (2017), A bird-like skull in a Triassic diapsid reptile increases heterogeneity of the morphological and phylogenetic radiation of Diapsida. Royal Society Open Science 4: 170499. http://dx.doi.org/10.1098/rsos.170499

 

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Pia Gaupels

Gründerin bei GeoHorizon
Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

Über Pia Gaupels

Pia Gaupels, *86, Bibliotheksinformationsstudium an der TH Köln von 2007-2010. Studiert seit 2014 an der Universität Münster Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf Planetare Geologie und Geoinformationswissenschaften. 2015 gründete Sie die Seite Geohorizon. Sie besitzt ausgeprägte Fähigkeiten in der Bild- und Videobearbeitung und arbeitet seit 2018 wieder als Bibliothekarin.

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