Permische Gleitechsen hatten kräftige Kiefermuskeln

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Bereits vor mehr als 250 Millionen Jahren haben frühe Reptilien Gleitflügel entwickelt um sicher von Baum zu Baum zu segeln. Ein Team aus Paris und Karlsruhe hat nun einen genaueren Blick auf den Schädel dieser Gleitechsen geworfen.

Während der Evolution des aktiven Flugs in der Regel am meisten Aufmerksamkeit geschenkt wird, begnügen sich viele Tiere mit einem einfachen Gleitflug. Unter den heutigen Reptilien gehören dazu vor allem die Flugdrachen. Das sind kleine Agamen aus Südostasien, die ihre Rippen extrem verlängert und eine Membran darüber gespannt haben. Diese benutzen sie um sicher von Baum zu Baum zu gleiten.

Doch trotz ihres sonderbaren Erscheinungsbilds sind die Flugdrachen keine reine Neuerfindung der Natur. Mindestens zweimal vor der Entstehung der Flugdrachen haben andere Reptiliengruppen ihre Rippen oder andere dünnen Knochen verlängert um Gleitflügel zu bilden. Die älteste dieser Gruppen waren die Weigeltisauriden, die während des späten Perms verschiedene Gegenden des Superkontinents Pangäa bevölkerten. Tatsächlich sind die Gleitflügel nur die einzige Ähnlichkeit zwischen Weigeltisauriden und Flugdrachen. Nicht nur waren Weigeltisauriden deutlich größer, es ist besonders der Schädel, der klare Unterschiede aufweist.

Diesen haben sich Wissenschaftler um Valentin Buffa von den Universitäten in Paris und Karlsruhe in einer neuen im Journal of Vertebrate Paleontology erschienenen Studie näher angesehen. Ihr Augenmerk richteten sie dabei auf die Art Coelurosauravus elivensis, deren Fossilien im Südwesten Madagaskars gefunden wurden. Coelurosauravus war für die Wissenschaftler besonders interessant, da seine Schädelknochen dreidimensional erhalten sind. Etwas, das zum Beispiel auf Funde aus dem Perm von Deutschland nicht zutrifft. Schlechter erhaltene Funde und Unsicherheiten über den Platz der Weigeltisauriden im Stammbaum der Reptilien erschwerten es ForscherInnen tatsächlich lange, sich ein genaues Bild über diese frühen Gleitechsen zu machen.

Vergleich zwischen einem ausgestorbenen Weigeltisauriden (links) und einem heutigen Flugdrachen (rechts). Bilder von Scott Reid (CC-BY-SA 4.0) und Alfeus Liman.

Buffa und Kollegen bestätigen eine bereits vor einigen Jahren gemachte Beobachtung, dass der Schädel von Weigeltisauriden allgemein recht leicht und strebenartig aufgebaut war. Anders als vorherige KollegInnen, bringen sie das allerdings nicht mit einer Anpassung an den Gleitflug in Verbindung, sondern mit dem Vorhandensein kräftiger Kiefermuskeln. Wie viele Reptilien hatten Weigeltisauriden Öffnungen in der Schläfenregion, an deren Rändern Kieferadduktoren ansetzen. Das ist die Muskelpartie, die den Kiefer wieder schließt und von den Kiefermuskeln in der Regel die größten Kräfte freisetzt.

Je größer so eine Schläfenöffnung ist, desto größer müssen auch die Kieferadduktoren gewesen sein. Tatsächlich nehmen bei Weigeltisauriden die Öffnungen fast den gesamten Schläfenbereich ein. Die Autoren schlussfolgern demnach, dass Weigeltisauriden sowohl schnell als auch kräftig zubeißen konnten. Ihre kurzen spitzen Zähne sprächen außerdem für eine stark insektenlastige Ernährung. Insgesamt würden Weigeltisauriden dadurch den heutigen Chamäleons ähneln. Zwar hatten sie sehr wahrscheinlich keine lange Zunge, doch konnten sie wie Chamäleons durch ihre großen Kiefermuskeln wohl auch größere Insekten verschlingen.

Eine weitere Ähnlichkeit besteht zu den heutigen Krötenechsen. Wie diese hatten Weigeltisauriden einen kleineren Hornkranz an ihrem Schädel. Buffa und Kollegen heben hervor, dass alle bekannten Fossilien von Weigeltisauriden so einen Hornkranz besitzen und er selbst schon bei jungen Tieren vorhanden war. Laut den Autoren muss dieser Hornkranz also eine Rolle gespielt haben, die unabhängig vom Alter und Geschlecht der Tiere war. Eventuell benutzten Weigeltisauriden ihn zur innerartlichen Kommunikation oder zum Schutz bei Revierkämpfen.

Veröffentlichung: Buffa, V., Frey, E., Steyer, J.-S. & Laurin, M. (2020). A new cranial reconstruction of Coelurosauravus elivensis Piveteau, 1926 (Diapsida, Weigeltisauridae) and its implications on the paleoecology of the first gliding vertebrates. Journal of Vertebrate Paleontology, e1930020.

Titelbildunterschrift: Lebendrekonstruktion eines Weigeltisauriden. Bild Scott Reid unter CC BY-SA 4.0.

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Pascal Abel

Pascal Abel, Jahrgang 1994, hat an der Uni Erlangen Geowissenschaften mit den Vertiefungen Paläobiologie und Angewandter Sedimentologie studiert. Derzeit arbeitet er als Doktorand am SHEP Tübingen über die Schädelevolution von Landwirbeltieren. Nebenbei beschäftigt er sich auch mit ausgestorbenen Meeresreptilien und allgemein palökologischen Themen.

Über Pascal Abel

Pascal Abel, Jahrgang 1994, hat an der Uni Erlangen Geowissenschaften mit den Vertiefungen Paläobiologie und Angewandter Sedimentologie studiert. Derzeit arbeitet er als Doktorand am SHEP Tübingen über die Schädelevolution von Landwirbeltieren. Nebenbei beschäftigt er sich auch mit ausgestorbenen Meeresreptilien und allgemein palökologischen Themen.

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